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Ulrike Winkelmann Ernsthaft?Wird die Aufrüstung europäisiert, war’s das mit der Message Control

Als ich einmal bei der taz für die Bundeswehr zuständig war, habe ich viel mit Bundeswehr-Angehörigen gesprochen, und eines hat mich dabei besonders überrascht: der Respekt von SoldatInnen für PazifistInnen – in diesem Fall verstanden als Leute, die schlicht nicht schießen wollen. (Es gibt auch andere Definitionen, wie mein Kollege Pascal Beucker erläutert.)

„Dass man Militär und Töten ablehnt, kann ich gut verstehen“, hieß es dann sinngemäß. „Aber so was dazwischen – so halb die Notwendigkeit anerkennen, aber dann doch blöd finden –, das ist unehrlich und unfair.“ Gemeint, aber nicht offen benannt war damit unter anderem der Umgang der Bundespolitik mit der Bundeswehr: regelmäßig über den Scheitel streicheln, aber ansonsten so wenig wie möglich erwähnen und eher nicht mit funktionstüchtigen Waffen ausstatten.

Ulrike Winkelmann ist Chef­redakteurinder taz.

Inzwischen hatten wir eine Zeitenwende. Putin mal Trump ergibt eine maximale Unberechenbarkeit der Dinge, in jedem Fall aber eine Sicherheitslage, die sich multiplizierend auf Rüstungsausgaben auswirkt. Die Waffen, die da jetzt bestellt werden, so hat es jüngst die Chefin der zuständigen Behörde dem Spiegel in einem bemerkenswerten Interview erklärt, sollen schnell kommen und dann auch einsatzbereit sein. Alles daran wäre wirklich neu.

Es lässt mich außerdem an die BundeswehrsoldatInnen denken, die sich im Nachhinein bestätigt fühlen dürfen: Genau, die komplette Gerätebeschaffung war ein gigantischer Verzögerungstrick. Was ja übrigens der Löwenanteil der Unions- wie der SPD-Politik immer schon war und mit Blick in den aktuellen Koalitionsvertrag auch bleiben wird, außer bei der Rüstung halt.

Und doch tut sich zwischen dem Nicht-schießen-Pazifismus, den es legitimerweise weiter gibt, und hundertprozentigem Militär-Holdrio ein neues Dazwischen auf, das der Bundeswehr nicht gefallen wird: der Bereich des „O. k., aber so nicht“. Wenn mehr Waffen – warum diese und nicht jene? Was soll hieran Putin abschrecken – und nicht daran? Und so weiter. Auch für all diese Fragen sollte sich die Truppe rüsten, und im Idealfall hat sie sogar Antworten parat beziehungsweise dürfen ihre Angehörigen sie auch ohne Segnung der Pressestelle des Verteidigungsministeriums geben. Denn das wird in der notwendigen Militärdebatte ja noch so ein Problem: eine wilhelminisch anmutende Gesprächskultur, in der ausgewählte WehrvertreterInnen nur ausgewählt verdruckste Vokabeln feilbieten, die aber leider nicht viel erklären. Dies kann man dem offenkundig im Amt bleibenden Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) schon einmal zugutehalten: eine zwar angreifbare (Stichwort „kriegstüchtig“), aber auch offenere Kommunikationsweise.

Zwischen Nicht-schießen-Pazifismus und Militär-Holdrio

So richtig aufregend dürfte die Rüstungsdebatte allerdings werden, wenn sie tatsächlich europäisiert werden sollte. Der Chef der Europäischen Volkspartei Manfred Weber (CSU) hat da einen Punkt: Eine europäische Verteidigung – finanziert durch gemeinsame europäische Schulden – wäre womöglich schon deshalb wünschenswert, weil die rein nationalen Verteidigungspolitiken demnächst etwa bei Marine Le Pens Leuten und der AfD landen könnten. Die Idee dabei: Europa wird im Schnitt immer weniger rechts sein als die Rechtsextremen in Frankreich und Deutschland.

Sollte die Verteidigungspolitik sich dann in den 24 Amtssprachen der Europäischen Union abspielen, ist es allerdings nicht nur mit der Message Control der Bundesministerien vorbei. Auch die demokratische Kontrolle der Entscheidungen selbst wird dann schwieriger. Um für das gewappnet zu sein, was dann in Brüssel besprochen wird, müssten wir jetzt ziemlich schnell lernen, über die sinnvolle Verwendung eines vervielfachten Militäretats zu streiten.

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