Ulf Poschardt wird Herausgeber: Wie Arsch auf Porschesitz
Ulf Poschardt, Chefredakteur der Welt, wird Herausgeber einer neuen Springer-„Premium“-Marke. Na, das passt doch gut zusammen.
Ulf Poschardt hat Gänsehaut. So kommentierte der Mann in grüner Bomberjacke und schwarzem Rollkragen auf X seinen Wechsel vom Chefredakteur der Welt zum Herausgeber einer neuen „Dachmarke“, zu der künftig neben Welt auch Politico Deutschland und Business Insider Deutschland gehören werden, wie das Medienunternehmen Axel Springer am gestrigen Dienstag vermeldete.
Die drei Medien werden ab Januar in einer „Premium-Gruppe“ enger zusammenrücken, heißt es, als wäre die Bild hingegen nur Schrott. Und Poschardt, der sich in seiner X-Bio so cool und down-to-earth nur als „Journalist“ und nicht etwa als „Chef“ vorstellt, wird das hippe Gesicht dieser neuen Premiummarke.
Geboren wurde Poschardt 1967 in Nürnberg. Schon früh spielte der Protestantismus eine wichtige Rolle in seinem Leben. Sein Vater predigte bei den Methodisten, soll immer mit der Bibel herumgelaufen sein. Auf das Abitur folgte Zivildienst in einer methodistischen Einrichtung in Hamburg. Doch von der Kirche wandte er sich zunehmend ab, kritisierte „Klischees, ranzige Vorurteile, Dämonisierung von Macht und Erfolg, Verklärung des Opfers und Leids, Lustfeindlichkeit“.
Selbst die Kirche schien ihm zu „woke“ zu sein: „Wenn ich die gleichen Sachen, die ich von Grünen-Chef Robert Habeck vor zwei Wochen im Interview gelesen habe, später von der Kanzel höre, befremdet mich das“, sagte er 2018 dem Evangelischen Pressedienst.
Coolness, Sportwagen, Midlife-Crisis
Die Clubkultur bildet eines der anderen großen Themen im Leben Poschardts. Als Student (Philosophie) legte er auf, 1995 promovierte er mit einer Dissertation über die Kulturgeschichte des DJs, die als Buch mit dem Titel „DJ Culture“ erschien, aber als „praxisfern“ kritisiert wurde – ein netter Ausdruck für mangelnde Zugehörigkeit.
Es folgten weitere Bücher über „Coolness“, Einsamkeit, Sportwagen im Allgemeinen und den Porsche 911 im Besonderen. Eine Bibliografie der männlichen Midlife-Crisis. Schon 2005 fasste Tobias Rapp Poschardts popkulturelle Thesen in dieser Zeitung so zusammen: Er versuche der popinteressierten Öffentlichkeit klarzumachen, „dass von der Popkultur lernen heiße, sein Kreuzchen bei der FDP zu machen.“ Oder womöglich einen Porsche zu kaufen, das „Symbol für die grenzenlose Sehnsucht nach absoluter Überschreitung“ (O-Ton Poschardt).
Journalistisch lief alles nicht unbedingt besser. Stationen absolvierte er von 1996 bis 2000 als Chefredakteur des Magazins der Süddeutschen Zeitung (er wurde gekündigt, nachdem unter seiner Aufsicht gefälschte Interviews und Storys veröffentlicht wurden) und von 2005 bis 2008 als Chefredakteur der deutschen Ausgabe von Vanity Fair (er verließ die Zeitschrift „auf eigenen Wunsch“, wie es so oft hieß, wenn man gefeuert wurde).
Bei Springer fand er endlich sein publizistisches Zuhause: Nach der Vanity-Fair-Affäre wurde er Herausgeber der Musiktitel Rolling Stone, Musikexpress und Metal Hammer sowie stellvertretender Chefredakteur der Welt am Sonntag. 2016 wurde er Chefredakteur von WeltN24 und 2020 auch Geschäftsführer.
In einem Gastbeitrag in der Jüdischen Allgemeinen im Sommer schrieb Poschardt: Die israelische Armee sei „die Avantgarde des freien, liberalen, wehrhaften Westens“. Immerhin, man muss Poschardts Bescheidenheit loben, dass er nicht gleich „Springer“ als diese Avantgarde beschrieben hat. Dass der Premium-Poschardt nun zum Herausgeber der neuen Dachmarke wird, dürfte für den Verlag tatsächlich eine erfreuliche Nachricht sein. Zu Springer passt er wie Arsch auf Porschesitz.
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