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Ukrainisches AKW in SaporischschjaMission mit Hindernissen

Der Besuch der internationalen Atombehörde endet enttäuschend. Fünf Mitarbeiter sind noch vor Ort. Der Reaktor wird wieder hochgefahren.

Delegationsleiter Rafael Mariano Gross konnte in der wenigen Zeit kaum etwas erreichen Foto: Yuri Kochetkov/epa

Kyjiw taz | Das ukrainische Militär hat eigenen Angaben zufolge am Freitag feindliche Stellungen in der Nähe des von russischen Truppen besetzten Gebietes Cherson und der Stadt Enerhodar angegriffen. Diese befinden sich unweit des ukrainischen AKW Saporidschja. Das berichtete das ukrainische Nachrichtenportal Zerkalo nedeli. Dabei seien eine Kompagnie Soldaten zu Schaden gekommen sowie drei Artilleriesysteme und ein Munitionsdepot vernichtet worden.

„Die Verwundeten wurden in medizinische Einrichtungen in der Nähe des Dorfes Borozenskoye in der Region Cherson gebracht. Aufgrund der unzureichenden medizinischen Versorgung sind die meisten Invasoren ihren Verletzungen erlegen“, teilte das Militär mit.

Zuvor hatte ein Teil der Delegation der Internationalen Atombehörde IAEO hat das ukrainische AKW Saporischschja mit Delegationsleiter Raphael Grossi am Donnerstagabend wieder verlassen. Grossi wird am Dienstag bei der Sondersitzung des Sicherheitsrates der UNO in New York zum AKW Saporischschja erwartet. Doch fünf Delegationsmitglieder sollen noch drei oder vier Tage bleiben.

Enttäuscht zeigte sich Präsident Selenski am Donnerstagabend. Während ukrainische und internationale Journalisten die Delegation nicht hatten begleiten dürfen, hätten russische Medienleute frei berichten können. Außerdem sei das zentrale Anliegen der Ukraine nicht umgesetzt worden: eine Aufforderung der IAEO an Russland, das AKW Saporischschja zu entmilitarisieren.

Der Berater von Andriy Yermak, Chef der Präsidialadministration, Michail Podolyak, sagte, es mache ihn stutzig, dass die Mission eine Vor-Ort-Begehung gemacht, anschließend einen Vertreter von Ros­atom angehört und dann IAEO-Chef Grossi gesagt habe, genug gesehen zu haben. „Eine genaue Prüfung kann man nicht in zwei Stunden durchführen“, zitiert strana.news Podoljak. Zudem sei der Gruppe um Grossi der Zugang zum Krisenzentrum verweigert worden.

Sehr differenziert äußerte sich am späten Abend Energieminister Herman Haluschtschenko im Fernsehen 1+1. Zunächst einmal, so der Minister, sei die Mission, von der Ukraine initiiert, eine gute Sache. Zwar seien die drei Stunden, die Grossi auf dem Gelände des AKW gearbeitet habe, wenig, Grossi habe die Zeit jedoch maximal genutzt. Nun sei entscheidend, was die Delegationsmitglieder machten, die im AKW geblieben seien. Auch aus Sicherheitsgründen sei es notwendig, dass die Ukraine die Kontrolle über das AKW zurückerhalte.

Das größte AKW

In den kommenden Tagen werde ein Bericht der IAEO zum Besuch der Delegation veröffentlicht werden, der auch Empfehlungen enthalten werde. „Doch wie soll die Ukraine, die das Kraftwerk zwar betreibt, es aber nicht kontrolliert, diese Empfehlungen umsetzen?“, fragt der Minister.

Außerdem erwarte er sich von der IAEO die eindeutige Aussage, dass die Stationierung von Militär auf einem AKW-Gelände eine Gefahr für einen sicheren Betrieb dieses Kraftwerkes sei.

Das AKW Saporischschja in der Stadt Enerhodar ist mit sechs Reaktoren Europas größtes AKW. Nach Angaben des Portals nv.ua hat das AKW Saporischschja im vergangenen Jahr 22,6 Prozent des in der Ukraine produzierten Stroms ins Netz eingespeist.

Der kürzlich heruntergefahrene Reaktor des von Russland besetzten ukrainischen Atomkraftwerks Saporischschja ist am Freitag nach ukrainischen Angaben wieder ans Stromnetz angeschlossen worden. „Zwei Reaktorblöcke in der Anlage sind nun in Betrieb und erzeugen Strom für den Bedarf der Ukraine“, schrieb das ukrainische Staatsunternehmen Energoatom auf Telegram. Am Donnerstag war einer der beiden noch betriebenen Reaktoren nach erneutem Beschuss an Europas größtem Atomkraftwerk abgeschaltet worden.

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6 Kommentare

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  • Gross konnte in der wenigen Zeit kaum etwas erreichenFoto: Yuri Kochetkov/epa



    Korrektur



    Grossi

  • "Der Besuch der internationalen Atombehörde endet enttäuschend."

    Interessant ist, dass sich der Autor schon in der Überschrift die Bewertung der Ukrainischen Regierung zu Eigen macht und nicht die in anderen Medien geäußerte durchaus positive Einschätzung des Leiters der IAEO Mission.

  • Sorry, wenn der Delegationschef meint, er hätte genug gesehen, die Russen hätten kooperiert und weitere Mitarbeiter würden die nächsten Tage im Kraftwerk bleiben, kann ich die Enttäuschung des Autors nicht recht verstehen.

    • @Kappert Joachim:

      Clasen muss man immer ein wenig gegen den Strich lesen und nach subtilen Signalen oder scheinbaren Widersprüchen absuchen, um zu verstehen, was er wirklich meint. Lesen Sie einfach mal den Artikelanfang und setzen das in Bezug zu den referierten Äußerungen der ukrainischen Regierung. Dann ist doch alles klar. Beachten Sie auch, dass Clasen aus der Ukraine berichtet und aufpassen muss, was er sagt.

  • Offenbar wird der Ukraine so nach u nach immer mehr Territorium u Infrastruktur abgerungen. Siegesleuchten sieht anders aus.

    • @Lästige Latte:

      Enerhodar ist seit Anfang März unter russischer Kontrolle.

      Die ukrainischen Truppen haben in der letzten halben Woche ungefähr so viel Gelände erobert, wie die russischen in den letzten 2 Monaten.

      Man kann zwar wegen der Informationssperre nichts Direktes sagen, aber indirekt ist es deutlich sichtbar - wenn auf einmal Orte, in denen seit Monaten nichts passierte, von der russischen Artillerie beschossen werden, dann ist klar, dass da etwas passiert ist.