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Ukrainischer Politiker Jewgeni MurajewIst er Moskaus Mann für Kiew?

Russland habe bereits eine Marionetten-Regierung für die Ukraine zusammengestellt – mit Murajew an der Spitze, das behauptet die britische Regierung.

Blickt schon so verwegen drein: Jewgeni Murajew, hier ein Bild von 2018 Foto: Vladislav Musenko/reuters

Moskau taz | Jewgeni Murajew sitzt vor der Kamera seines Fernsehsenders „Nasch“ (dt. „Unser“), hat die Hände zusammengelegt, als wäre er ein sowjetischer Erstklässler, und beantwortet die Fragen seiner Zuschauer*innen. Natürlich auch die nach der Politik in der Ukraine, seinem Land. Er sei, das betont der 45-Jährige immer gern, Traditionalist. Und damit auf der Linie des russischen Präsidenten Wladimir Putin.

Dieser habe mit Murajew Größeres vor. Das zumindest behauptet das britische Außenministerium, das warnt, der Kreml habe eine moskautreue Marionettenregierung vorbereitet. Mit Murajew an der Spitze. Das klingt verwegen und soll womöglich auch der Ablenkung von eigenen Skandalen innerhalb der britischen Regierung dienen. Murajew selbst äußert sich belustigt über die Mitteilung. Auch der Kreml sagt, die Briten verbreiteten „Unsinn“. Und selbst die ukrainische Regierung hält Murajew für eine „lächerliche Figur“, auch wenn sie die Nachricht aus London als „ernsthaft“ bezeichnet.

2019 wollte Murajew schon Präsident der Ukraine werden. Doch schnell hatte er seine Kandidatur zugunsten eines früheren Parteikollegen zurückgezogen. Den jetzigen ukrainischen Präsidenten Wolodimir Selenski bezeichnete er mehrmals als „Affen“. Oder als „Nichtmenschen“, der in Geiselhaft der CIA sei und nichts selbst entscheide. Die Ukraine habe unter ihm ihre Souveränität aufgegeben. „Die europäische Möhre ist für den ukrainischen Esel nicht zu erreichen“, schwadroniert er in den Sendungen seines TV-Senders, dem die ukrainische Medienaufsichtsbehörde mehrmals die Lizenz entziehen wollte.

Nasch, Naschi

Im prorussischen Lager ukrainischer Po­li­ti­ke­r*in­nen zählt Murajew zu der jungen Generation. Er ist in der ostukrainischen Region Charkiw zur Welt gekommen; in Charkiw selbst hat er zunächst Finanzen, später Jura studiert. In der dortigen Regionalpolitik hat er seine politische Karriere gestartet, bis er es unter Wiktor Janukowitsch nach Kiew schaffte. Hier war er für Zoll- und Energiefragen zuständig, Bereiche, die in der Ukraine von Korruption durchsetzt sind. Bei den Protesten auf dem Maidan hielt er zu Janukowitsch, bis heute bezeichnet er die Euromaidan-Revolution von 2014 als Staatsstreich und den Krieg in der Ostukraine als inneren Konflikt. Den russischen Truppenaufmarsch an der Grenze zur Ukraine sieht er nicht als Bedrohung an und hält seine Positionen für „proukrainisch“. In ukrainischen Umfragen schneidet der Unternehmer mit seiner vor knapp vier Jahren gegründeten Partei „Naschi“ (dt. „Unsrige“) mit 4 Prozent Zustimmung nur schlecht ab.

Mit dem Putin-Vertrauten Wiktor Medwed­tschuk, dem ukrainischen Oligarchen, der stets als „Vermittler“ russischer Positionen auftritt und in der Ukraine unter Hausarrest steht, hat sich Murajew längst überworfen. In Kiew halten Be­ob­ach­te­r*in­nen das für den Grund, warum Moskau Murajew mit Sanktionen belegt hat. Murajew selbst führt diese Sanktionen nun an, warum Russland wohl doch nichts Größeres mit ihm vorhaben könne.

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