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Ukraine im Konflikt mit dem NachbarnEU prüft neue Russland-Sanktionen

Die Europäer ringen um eine Reaktion auf die neue Krim-Krise. Merkel telefoniert mit Putin und ruft zur Deeskalation auf.

Ein russischer Geheimdienstoffizier begleitet einen ukrainischen Seemann in einen Gerichtssaal auf der Krim Foto: ap

Brüssel taz | Nach der Eskalation im Krim-Konflikt mehren sich die Stimmen in der Europäischen Union, die neue und härtere Sanktionen gegen Russland fordern. Gleichzeitig geraten die „Tauben“, die auf Deeskalation und Vermittlung setzen, in die Defensive. In Brüssel reiht sich eine Krisensitzung an die nächste.

Bereits am Montag hatten sich die EU-Botschafter im für außenpolitische Krisen zuständigen „Politischen und Sicherheitspolitischen Komitee“ (PSK) getroffen, um über die Lage im Schwarzen Meer zu beraten. Am Dienstag gab es ein weiteres, hitziges Krisentreffen – zunächst ohne greifbares Ergebnis.

Während die Botschafter in Brüssel noch prüften, wie die Lage im Schwarzen Meer zu bewerten sei und was die EU zur Entspannung beitragen könnte, preschten die „Falken“ bereits vor. „Sanktionen sind der kraftvollste Weg, um Russland zu zeigen, dass wir es ernst meinen“, sagte der estnische Verteidigungsminister Jüri Luik.

Auch der österreichische EU-Vorsitz schließt neue Sanktionen gegen Russland nicht aus. „Die Frage von weiteren Sanktionen wird sich zeigen, wir haben demnächst einen gemeinsamen Rat“, sagte die österreichische Außenministerin Karin Kneissl bei einem Treffen mit Bundesaußenminister Heiko Maas (SPD) in Berlin.

Heiko Maas will Lage beruhigen

Maas betonte, dass die „Annexion“ der Krim durch Russland „auch ein Problem für die Sicherheit für uns alle in Europa“ sei. „Deshalb sollte Russland die festgesetzten Schiffe und Seeleute schnellstmöglich wieder frei geben.“ Beide Seite müssten jetzt ihren Beitrag zur Deeskalation leisten.

Dies auch die Haltung der EU-Außenbeauftragten Federica Mogherini. „Es muss alles für Deeskalation getan werden“, erklärte ihre Sprecherin in Brüssel. Gleichzeitig betonte sie, dass die EU die Zugehörigkeit der Krim zu Russland nicht anerkenne. Zu Fragen nach dem am Montag verhängten Kriegsrecht in der Ukraine wollte sie sich nicht äußern.

Dabei trägt das Kriegsrecht genauso zur Eskalation bei wie das russische Vorgehen im Schwarzen Meer. Zudem könnte es gegen EU-Auflagen verstoßen, die für die Milliardenhilfen an die Ukraine gelten. Das Kriegsrecht ist schwer mit Meinungsfreiheit und Demokratie vereinbar, wie sie die EU von ihren Partnern fordert.

Putin fordert Druck auf Kiew

Doch von Druck auf die Ukraine ist keine Rede – im Gegenteil. Sowohl Mogherini als auch Bundeskanzlerin Angela Merkel haben Staatschef Pedro Poroschenko in den letzten Stunden wiederholt ihre Solidarität versichert. Merkel sprach auch mit Russlands Präsident Wladimir Putin und rief zu „Deeskalation und Dialog“ auf.

Putin äußerte in dem Telefonat nach Angaben des Kreml „ernste Sorge“ angesichts der Verkündung des Kriegsrechts in der Ukraine. Er hoffe, dass Berlin die ukrainische Regierung „beeinflussen“ könne, um diese von „künftigen unüberlegten Handlungen“ abzuhalten.

Die EU hat wegen der Krim und des Kriegs in der Ostukraine seit 2014 bereits eine ganze Reihe von Sanktionen gegen Russland verhängt – bisher ohne sichtbaren Erfolg. Neue Sanktionen könnten bereits beim nächsten Treffen der EU-Außenminister am 10. Dezember verhängt werden.

Dafür ist allerdings ein einstimmiger Beschluss nötig – und noch sind sich die 28 EU-Staaten nicht einig. Vor allem Italien widersetze sich noch den Falken, hieß es in Brüsseler EU-Kreisen. Den Ausschlag dürfte am Ende aber Deutschland geben – und Berlin hält sich noch alle Optionen offen.

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12 Kommentare

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  • Warum eigentlich immer einseitig Sanktionen gegen Russland?

    Ist überhaupt schon abschließend geklärt wer hier welche Regelungen eingehalten bzw. verletzt hat? Ist die Aussage des ukrainischen Präsidenten automatisch über jeden Zweifel erhaben?

    Seit 4 Jahren kontrollieren russische Sicherheitskräfte die Straße von Kertsch, und ausgerechnet jetzt gibt es dort Streit. Was ist mit der Ukrainischen beschlagnahme von russischen Schiffen.

    Bevor man sich auf eine Seite stellt, und diese in einem Konflikt zur Eskalation ermutigt sollte man die Fakten kennen. Im WK1 war die Untertützung Österreichs durch D auch fehlgeleitet. Hoffentlich wird nicht schon wieder der selbe Feler begangen

  • Nicht nur der um seine Popularität bangende ukrainische Präsident, der hier „Wahlkampf“ betreibt. Vergessen wir nicht das angestrebte „Nordstream- Projekt 2“, mit dem russisches Gas nach Deutschland transportiert werden soll. Das passt ja weder den Ukrainern (und noch weniger denAmerikanern). Da passen doch härtere Sanktionen gegen Russland voll in deren Konzept. Nicht aber eigentlich in Unseres! Ich staue, wie wir doch immer wieder eilfertig unseren Amerikanischen Freunden beispringen, auch wenn es noch so verquast, unsinnig und gegen unsere Intetessen verstösst.



    Ach; und sehen Sie sich doch mal das Original-Video an, mit dem diese „russische Provokation“ aufgezeichnet ist.

  • 7G
    76530 (Profil gelöscht)

    Nicht jeder Beteiligte oder Beobachter ist vom Interesse angetrieben, den aktuellen Konflikt zu entschärfen. Das 'frische' Ultimation der Ukraine an Berlin zeigt deutlich, wo der Hauptkonflikttreiber sitzt. Das muss im Umkehrschluss nicht heißen, dass Putin plötzlich ein Kandidat für den Friedensnobelpreis wäre.

    Berlin tut gut daran, sich nicht vor den Karren ukrainischer Autokraten und Totalitaristen spannen zu lassen. Russland gegenüber besteht diese schon lange Gefahr nicht mehr.

  • Hier eine sachlich rechtliche Kurzeinschätzung

    www.lto.de/recht/h...sse-voelkerrrecht/

  • Gutes Timing. Die NATO will aufrüsten, die EU eine Privatarmee beistellen, Trump 2% vom BIP und Ursula mehr Kohle für die Bundeswehr. Wenn da noch ein abgehalfterter, korrupter und oligarchisch regierender Präsident um seine Wiederwahl bangt, dann, ja dann hat man wieder alles zusammen was man für seine jeweiligen Interessen braucht.



    Mein Mitleid mit den Russen hält sich in Grenzen, die sind auch Dreckspatzen wo ihnen die Haut aufliegt, aber wir sollten uns Ihnen wieder annähern und nicht transatlantischen Scharfmachern wie Herrn Röttgen auf den Leim gehen, die sich damit nur für die Jobnachfolge von Merz bei BlackRock empfehlen wollen.

    • @Weidle Stefan:

      Klar doch. Alles abgesprochen mit Putin.

  • 9G
    96177 (Profil gelöscht)

    Was sehne ich mich nach den Zeiten zurück, als Menschenrechte als nicht verhandelbar galten. Ist noch gar nicht so lange her....



    wann genau war das denn .. und bitte nicht nur auf dem Papier?

  • Wie bekommt man Russland dazu, sich an internationale Vereinbarungen zu halten? Bis dato wurden gebrochen: Die OSZE-Vereinbarung über die Unverletzlichkeit der Grenzen, das Budapester Memorandum, der Vertrag mit der Ukraine über die gemeinsame Nutzung und den ungehinderten Zugang zum Asowschen Meer, in vielfacher Weise die Europäische Menschenrechtskonvention usw.



    Faszinierend ist für mich bei jeder dieser Vertragsverletzungen, dass sofort ein Chor an Stimmen anhebt, der die Schuld nicht beim Aggressor, sondern beim Opfer sucht. Ohne Opfer gab es keinen Täter. Also ist das Opfer selbst schuld. Bei Vergewaltigungen haben wir es uns mittlerweile abgewöhnt dem Opfer Vorhaltungen zu machen nach dem Motto "Hätte sie sich nicht so aufreizend angezogen, wäre sie nicht vergewaltigt worden." Im Völkerrecht scheinen wir noch ein ganzes Stück von dieser Erkenntnis entfernt. Nicht alle, aber doch erstaunlich viele. Was sehne ich mich nach den Zeiten zurück, als Menschenrechte als nicht verhandelbar galten. Ist noch gar nicht so lange her.

    • @Galgenstein:

      "Faszinierend ist für mich bei jeder dieser Vertragsverletzungen, dass sofort ein Chor an Stimmen anhebt, der die Schuld nicht beim Aggressor, sondern beim Opfer sucht."

      Das sind vielleicht Menschen, die sich für die ganze Geschichte interessieren.

      Selbst der größte Teil der deutschen Presse, eigentlich streng pro ukrainisch eingestellt, weißt darauf hin, dass die aktuelle Entwicklung viel mit Poroschenkos klammern am Präsidentensessel zu tun hat. Er muss schließlich befürchten, nach Ende seiner Amtszeit die Gewinne aus dieser wieder einzubüßen...

    • @Galgenstein:

      Es gibt durchaus auch Menschen, die Geschichte etwas komplexer betrachten und aktuelle Konflikte im Kontext diverser sehr unterschiedlicher Interessen analysieren. Schlichte Gemüter wollen lieber die Einteilung in Gute und Böse. So werden vielleicht Konflikte mit Kneipenprügeleien "gelöst".

      • @Rolf B.:

        Solche Relativierungen erinnern mich an Familienstreitereien, in denen der Mann Frau und Kinder schlägt und dieser mit dem Hinweis, man müsse immer beide Seiten sehen, in Schutz genommen wird.

        • 7G
          76530 (Profil gelöscht)
          @Rudolf Fissner:

          Das Beispiel ist wenig passend.

          Ich benutze diese Argumentation gerne, sich bei Konflikten die Anteile aller Seiten anzuschauen und fühle mich deshalb auch angesprochen.

          Ihren Ausführungen liegt ein Denkfehler zugrunde. Sich alle Seiten genau anzuschauen ist das genaue Gegenteil von dem, was Sie erfolglos zu unterstellen versuchen. Nur eine lückenlose Bestandsaufnahme ist die Grundlage dafür, ALLE Fakten zu würdigen und eine abschließende Beurteilung vorzunehmen.

          Ich habe - vermutlich anders als Sie - in Familien gearbeitet, in denen der Vater im Verdacht stand, gewalttätig zu sein oder sich an eigenen Kindern sexuell vergriffen zu haben.

          Wenn ALLE Fakten auf den Tisch kommen, können wirksame Gegenmittel ergriffen werden. Wo sich Anschuldigungen als Luftnummern erweisen (Missbrauch mit dem Missbrauch), sieht das Ergebnis anders aus. Gegenmittel: ja. Aber andere.