Ugander über Landgrabbing: „Vertreibung war eine Katastrophe“
Der Ugander Peter Baleke Kayiira berichtet über die Vertreibung seines Dorfs zugunsten der Hamburger Kaffeefirma Neumann – und fordert Entschädigung.
taz: Herr Baleke Kayiira, Sie vertreten 400 Familien, die 2001 in Uganda vertrieben wurden, um der Kaweri Coffee Plantation der Neumann Kaffee Gruppe Platz zu machen. Welche Bedeutung hat es, dass der Film über die Vertreibung heute im Rathaus läuft – also im Zentrum der Hamburger Politik?
Peter Baleke Kayiira: Das hat Symbolcharakter und ist für uns im Kontext des immer noch laufenden Prozesses sehr wichtig. Für uns war die brutale Vertreibung von unserem Land damals eine Katastrophe. Dafür ist sowohl die ugandische Regierung als auch die Hamburger Neumann Kaffee Gruppe verantwortlich.
Die Linkspartei zeigt den Film, um auf die Rolle Hamburgs in der Kolonialzeit hinzuweisen und auf ein Hamburger Unternehmen aufmerksam zu machen, dass von Landgrabbing profitiert. Sind die Menschen, deren Sprecher Sie sind, Opfer von Landraub geworden?
Ja, das ist unstrittig und das haben die Gerichte in Uganda auch bestätigt. Für mich ist die Filmvorführung im Rathaus auch eine Erinnerung für die Neumann Kaffee Gruppe, dass es uns gibt und dass wir auch 20 Jahre nach unserer Vertreibung am 18. August 2001 für unsere Rechte kämpfen.
Hatten Sie und die Familien, die Sie vertreten, Landtitel? Wie ist die Rechtslage?
Die vertriebenen Familien haben nur teilweise Landtitel, aber sie sind durch den Uganda Land Act geschützt. Das Gesetz gewährt jenen, die mehr als zwölf Jahre auf freiem Land leben, ein Gewohnheitsrecht. Das Gros der Familien lebte dort schon deutlich länger als zwölf Jahre – sie hätten also nicht vertrieben werden dürfen. Das ist unstrittig und vom Gericht mittlerweile auch so bestätigt worden.
59, ist der ehemalige Lehrer im Dorf Kitemba im Distrikt Mubende, und Sprecher der Menschen, die 2001 vertrieben wurden, um einer Kaffeeplantage der Neumann Kaffee Gruppe Platz zu machen. Er wurde mehrfach verhaftet.
Trägt die Neumann Kaffee Gruppe direkte Verantwortung für die Vertreibung von 4.000 Menschen, die auf den 2.500 Hektar lebten, auf dem heute die Plantage steht?
Ja, denn sie wusste, dass diese Familien auf dem Areal lebten, und hat ihre Vertreibung in Kauf genommen. Sie wird sicherlich zukünftig zweimal darüber nachdenken, ob sie sich noch mal so verhält, denn zwanzig Jahre später ist der Prozess immer noch nicht zu Ende. Das und unsere langjährige Unterstützung durch die Menschenrechtsorganisation „Fian“ sorgt dafür, dass die Neumann Kaffee Gruppe ein Imageproblem hat.
Haben die Vertriebenen Entschädigungen bekommen?
Die ugandische Regierung hat nach einem Verhandlungsprozess ein Entschädigungsangebot an die Familien vorgelegt. Dieses Angebot hat dazu geführt, dass seitdem ein Riss durch die Gruppe der 401 Familien geht, die ich vertrete. 252 Familien sind bereit, auf das Angebot einzugehen. Aber 149 Familien wollen den Prozess zu Ende führen und fordern auch eine Entschädigung für den Verlust ihrer Häuser und Zinsen. Dazu gehöre ich auch selbst.
Sie waren in den vergangenen Jahren mehrfach in Hamburg. Gab es direkte Gespräche zwischen den Betroffenen und den Verantwortlichen der Neumann Kaffee Gruppe?
Es gab nur ein einziges Gespräch im Mai 2004. Das ist aber ergebnislos geblieben. Alle weiteren Gesprächsversuche von uns und von Fian wurden von Seiten der Neumann Kaffee Gruppe leider abgelehnt.
In Deutschland ist mittlerweile ein Gesetz, das Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz, verabschiedet worden. Es verpflichtet Unternehmen, Menschenrechte entlang der Lieferkette zu schützen – von der Ernte bis zum gemahlenen Kaffee im Supermarkt. Hätte das die Vertreibung der Familien damals verhindern können, wenn es schon in Kraft gewesen wäre?
„Bitterer Kaffee: Uganda – Bauern kämpfen um ihr Land“ von Michael Enger, 18 Uhr, Hamburger Rathaus, Kaisersaal
Ich kenne das Gesetz nicht, aber zumindest klingt es so, als ob es uns hätte helfen können. Vielleicht kann es den Menschen helfen, die heute auf der Kaweri Plantage arbeiten, denn ihre Arbeitsbedingungen sind alles andere als gut.
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