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Überwachung von Smart-Home-GerätenAlexa soll Zeugin werden

Innenminister Seehofer will, dass Sprachassistenten abgehört und die Daten als Beweise verwendet werden dürfen. Datenschützer schlagen Alarm.

Polizeiwanze ins spe: Smart-Home-Gerät Amazon Echo mit Alexa Foto: dpa

BERLIN taz | Kommt bald der Lauschangriff auf smarte Kühlschränke oder auf Alexa und Siri? Geht es nach dem Willen von Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) und einigen CDU-Länderkollegen sollen Daten aus Sprachassistenten sowie digital vernetzten Geräten als Beweismittel vor Gericht zugelassen werden. Auf der bevorstehenden Innenministerkonferenz (IMK) soll ein entsprechender Vorstoß beschlossen werden.

Die „zunehmende Digitalisierung aller Lebensbereiche“ sorge dafür, dass die „Spurensicherung in der digitalen Welt eine immer größere Bedeutung“ gewinne, heißt es in einer Beschlussvorlage des IMK-Gastgebers, Schleswig-Holsteins Innenminister Hans-Joachim Grote (CDU), die die taz einsehen konnte. Die Strafverfolgungsbehörden müssten künftig in der Lage sein, „die digitalen Spuren zu erkennen, zu sichern und auch auszuwerten“. Wie dies geschehen könne, solle die IMK, die ab Mitte kommende Woche tagt, bis Herbst prüfen.

Der Vorschlag ist also noch vage. Ein Sprecher Seehofers aber bekräftigte am Mittwoch: „Aus unserer Sicht ist es für eine effektive Kriminalitätsbekämpfung sehr wichtig, dass den Sicherheitsbehörden von Bund und Ländern auch auf diesen Geräten gespeicherte Daten nicht verschlossen bleiben.“ Das Thema werde derzeit geprüft, da die Rechtsgrundlage bisher nicht ausreiche, um Hersteller von Sprachassistenten und vernetzten „Smart Home“-Geräten zur Herausgabe gespeicherter Daten zu verpflichten, wenn ein richterlicher Beschluss vorliegt.

Ein Sprecher Grotes unterstrich den Vorstoß. Auch im Koalitionvertrag von CDU, Grünen und FDP in Schleswig-Holstein sei das Ansinnen festgehalten. Man habe dafür zuletzt sogar eigens ein Kompetenzzentrum Digitale Spuren eingerichtet, das eben solche Spuren sichern und auswerten solle. Dies sei „auf der Basis der geltenden Rechtslage“ geschehen, betont der Sprecher. „Eine Ausweitung polizeilicher Kompetenzen sieht der Antrag Schleswig-Holsteins definitiv nicht vor.“

„Erschreckende Tendenz“

Datenschützer und die Opposition schlagen dennoch Alarm. Der Bundesdatenschutzbeauftragte Ulrich Kelber sieht den Vorstoß kritisch. Es sei ein gravierender Grundrechtseingriff, wenn Sicherheitsbehörden auf Informationen, Gespräche oder sogar Videos aus Wohnungen und anderen privaten Orten zugreifen könnten. Gerade da die Zahl der Straftaten laut Kriminalstatistiken seit Jahren rückläufig sei, könne er solche „verfassungsrechtlich bedenklichen Kompetenzerweiterungen“ nicht nachvollziehen.

Der FDP-Innenexperte Benjamin Strasser sprach von einer „erschreckenden Tendenz“. „Dieser ausufernde Schnüffelstaat gängelt damit nur die Bürgerrechte von Millionen unschuldiger Bürger.“

Dieser ausufernde Schnüffelstaat gängelt damit nur die Bürgerrechte

Benjamin Strasser, FDP

Die SPD schwieg am Mittwoch weitgehend zu dem „Alexa-Vorschlag“. Das von Katarina Barley, SPD, geführt Bundesjustizministerium appellierte allerdings auch an die Eigenverantwortung der Bürger. Wer Geräte wie Alexa nutze, laufe natürlich Gefahr, dass mitgehört werde, sagte ein Sprecher.

Die SPD-Länder hatten in einer Vorkonferenz zur IMK der Beschlussvorlage zugestimmt. Dort allerdings wird betont, dass es bisher lediglich um eine Prüfung gehe. Es dürfte noch Jahre dauern, bis es wirklich zu einer Umsetzung käme.

Offizielle Reaktionen der betroffenen US-Firmen lagen bis Redaktionsschluss nicht vor. Der Sprecher eines Unternehmens beschwichtigte: Die Software reagiere ausschließlich auf das Aktivierungswort, zeichne also keineswegs alles auf, was die NutzerInnen zu Hause sagten.

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13 Kommentare

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  • Alexa hat kein Geschlecht. Weder er, noch sie. Es ist ein Assistentensystem.

    Weder muss, noch kann man es gendern.

    • @Frank Erlangen:

      Alexa hat ein gespieltes Geschlecht und es ist viel einfacher Alexa als weiblich zu empfinden als als männlich. Man muss das nicht, aber wenn man das nicht will, muss man das schon sehr stark wollen.

      • @Mustardman:

        Das sind die Leute, die auch ihren Autos Namen geben.



        Aber das ist eher ein psychisches Problem der Verniedlichung oder Vermenschlichung von Technik.

        Das hat in der Journalistik nichts verloren.

    • 6G
      65572 (Profil gelöscht)
      @Frank Erlangen:

      Was soll dieseR genderInnenfeindliche KommentarIn?

  • Dass das kommen wird, war ja klar wie Kloßbrühe. Aber jetzt schon?! Ich bin doch tatsächlich mal wieder negativ überrascht, wow, und dabei dachte ich, ich wäre schon außreichend desillusioniert...

  • Mir scheint, dass beim Thema staatl. und privater Überwachung und Kontrolle das Ende der Fahnenstange noch lange nicht erreicht ist; auch oder gerade vor dem Hintergrund, dass viele Menschen im Glauben leben: „...der Ehrliche hat nichts zu verbergen.“ – damit lässt sich hervorragend Politik machen, welche bei vielen Bürgerinnen und Bürgern fast schon in eine Art “vorauseilenden Gehorsam“ mündet, wenn es darum geht freiwillig Grundrechte (inklus. Datenschutz) aufzugeben. Ade Volkszählungsurteil '83.

  • Bürgerrechte sind für Sicherheitsdetischisten aller Parteien nur lästig.



    Freiheit posaunen, aber selber alles tun, um möglichst wenig Rechte zuzulassen.

  • Wenn die Dinger von Siemens wären, gäbe es noch Förderung, wenn man sie kauft und Crazy Horst würde sofort einen auf den Deckel kriegen wegen dieser geschäftsschädigenden Äußerungen.

    Sie sind aber nicht von Siemens, die hatten ja schon das Handygeschäft aufgegeben, weil damit ja nix zu verdienen sei, wie sie glaubten. Kurz bevor damit eine US-Firma zur teuersten Firma der Welt wurde.

    Ach Leute, ihr seid alle so armselig. Auf der einen Seite von Datenschutz reden, auf der anderen Seite "selber schuld" zu sagen, macht euch jedenfalls nicht glaubwürdiger. Früher musste die Polizei bei sehr gut begründetem Verdacht schon eine Wohnung verwanzen. Das war teuer und aufwendig und wurde deshalb nur selten gemacht und das war auch gut so. Ich sehe absolut keinen Grund, weshalb man es dabei nicht belassen sollte.

  • 9G
    99140 (Profil gelöscht)

    www.youtube.com/watch?v=Zx2U0q44ObQ

    Deutschland. Gestern und Heute.

  • Seehofer (is) will watching you !



    Der Horst war schon damals begeisterter Leser von "1984" und wollte sich noch persönlich bedanken bei Georg Orwell. Nur konnte er keinen Kontakt mit Georg aufbauen. Vielleicht lag es an der zu langsamen Datenverbindung.



    Beendet die Groko so schnell wie möglich, um die wahren Gefährder in unserem Lande und Zerstörer unserer Verfassung aus dem Amt zu werfen.

    • @Sonnenhaus:

      Genau, so sieht es aus.



      Die geplante Abhörmaßnahme konnte nicht erfolgreich durchgeführt werden, da das zu überwachende Subjekt im ländlichen Raum mit den dort üblichen Verbindungsgeschwindigkeiten, wohnhaft war.

  • 0G
    05654 (Profil gelöscht)

    Ohne Richterliche Anordnung & Kontrolle KOMPLETT VERFASSUNGSWIDRIG !!!

    Artikel 13 , Abs. 3 ; GG : Begründen bestimmte Tatsachen den Verdacht, daß jemand eine durch Gesetz einzeln bestimmte besonders schwere Straftat begangen hat, so dürfen zur Verfolgung der Tat auf Grund RICHTERLICHER ANORDNUNG technische Mittel zur akustischen Überwachung von Wohnungen, in denen der Beschuldigte sich vermutlich aufhält, eingesetzt werden, wenn die Erforschung des Sachverhalts auf andere Weise unverhältnismäßig erschwert oder aussichtslos wäre. Die Maßnahme ist zu befristen. Die Anordnung erfolgt durch einen mit drei Richtern besetzten Spruchkörper. Bei Gefahr im Verzuge kann sie auch durch einen einzelnen Richter getroffen werden.

    Artikel13 , Abs. 4 , GG : Zur Abwehr dringender Gefahren für die öffentliche Sicherheit, insbesondere einer gemeinen Gefahr oder einer Lebensgefahr, dürfen technische Mittel zur Überwachung von Wohnungen nur auf Grund richterlicher Anordnung eingesetzt werden. Bei Gefahr im Verzuge kann die Maßnahme auch durch eine andere gesetzlich bestimmte Stelle angeordnet werden; eine richterliche Entscheidung ist unverzüglich nachzuholen.

    Artikel 13 , Abs. 5 , GG : Sind technische Mittel ausschließlich zum Schutze der bei einem Einsatz in Wohnungen tätigen Personen vorgesehen, kann die Maßnahme durch eine gesetzlich bestimmte Stelle angeordnet werden. Eine anderweitige Verwertung der hierbei erlangten Erkenntnisse ist nur zum Zwecke der Strafverfolgung oder der Gefahrenabwehr und nur zulässig, wenn zuvor die Rechtmäßigkeit der Maßnahme richterlich festgestellt ist; bei Gefahr im Verzuge ist die richterliche Entscheidung unverzüglich nachzuholen.

  • "Die SPD schwieg am Mittwoch weitgehend zu dem „Alexa-Vorschlag“. Das von Katarina Barley, SPD, geführt Bundesjustizministerium appellierte allerdings auch an die Eigenverantwortung der Bürger. Wer Geräte wie Alexa nutze, laufe natürlich Gefahr, dass mitgehört werde, sagte ein Sprecher."



    Das ist soweit richtig und einer der Gründe warum ich mir so ne Scheiß nie in die Bude zerren würde; der Staat wird aber dafür bezahlt, dem vorzubeugen, nicht dafür auch noch in die Offensive zu gehen!