Überwachung bei Olympischen Spielen: App jetzt nicht mehr frei
Unter deutschen Olympiakadern wächst die Angst, sich Chinas Apparat zu sehr auszuliefern. Sie bleiben in ihrer Kritik aber indifferent.
O kay, es sind die Olympischen Spiele. Aber es sind eben auch die Olympischen Spiele in China. Immer mehr Athleten beschleicht ein mulmiges Gefühl, wenn sie an die Reise nach Peking denken. Sie begeben sich dort in ein geschlossenes System der Gesundheits- und Bewegungsüberwachung. All jene, die sich den Usancen der Olympiamacher unterwerfen, Sportlerinnen, Berichterstatter, Dienstleister, sind angeschlossen an ein digitales System, das sich „My2022“ nennt.
Laut Untersuchungen des Citizen Lab, eines Instituts an der Munk School of Global Affairs der Uni Toronto, hat My2022 einen „einfachen, aber gravierenden Fehler“, der sensible Informationen der Benutzer dem Risiko eines Hackerangriffs aussetzt. Außerdem ist der App eine noch inaktive Schlagwortliste beigefügt, die unbotmäßige Kommunikation über Tibeter, Uiguren oder das Massaker am Tiananmen-Platz herausfiltern könnte.
Yang Shu, Mitglied des Pekinger Organisationskomitees, hat die anreisenden Athleten schon einmal vorgewarnt, dass China bei diesen Dingen nicht spaßen werde: „Ich bin mir sicher, dass jede Äußerung, die dem olympischen Geist entspricht, geschützt wird“, sagte er auf einer Pressekonferenz, „jedes Verhalten oder jede Rede, die gegen den olympischen Geist gerichtet ist, insbesondere gegen die chinesischen Gesetze und Vorschriften, unterliegt ebenfalls bestimmten Strafen.“ Das darf man als unverhohlene Drohung verstehen.
Universale Vernetzung
Athleten Deutschland hat allen Olympioniken geraten, eigene technische Geräte – nicht aber ihren kritischen Verstand – zuhause zu lassen, das Equipment könnte ausspioniert werden; sichere Smartphones sollen verteilt werden. Aber wer lässt schon sein Smartphone in Deutschland? Es ist ohnehin das Mittel der Wahl, um schnell Zugang zu Sporthallen oder dem Olympischen Dorf zu bekommen. My2022 als Tool der universalen Vernetzung ist gekoppelt ans Internet.
Wer mitmachen will, muss sich nicht nur dem Regime der Ringe unterwerfen, sondern auch dem des Xi Jinping, Chinas allmächtigem KP-Chef. Sportlerinnen wie zuletzt die Snowboarderin Ramona Hofmeister fühlen zunehmend, wie sehr sie sich in eine Schraubzwinge des Autoritären begeben – wenngleich sie in den vergangenen zwei Jahren in Deutschland auch ein wenig desensibilisiert wurden. Die Mitfavoritin befürchtet nicht politische Willkür, sondern medizinische.
Die Corona-Tests könnten von den Chinesen in beliebiger Weise manipuliert werden. „Wir können einfach aus dem Wettkampf genommen werden“, sagt die Wintersportlerin, die 2018 in Pyeongchang die olympische Bronzemedaille im Parallel-Riesenslalom gewonnen hat: „Wenn wir durch einen vermeintlich positiven Test rausgezogen werden, sind wir aufgeschmissen und können nichts mehr machen.“
Die PCR-Tests gelten zwar als „Goldstandard“ der Viruserkennung, doch wenn die ursprünglich durch Rachenabstrich gewonnenen RNA-Fragmente zu oft vermehrt werden, also exponentiell etwa bis zu 40-mal, dann kommt es gehäuft zu Fehlern, falsch-positiven Ergebnissen. Die gleiche Befürchtung äußerte neulich der Alpin-Sportdirektor Wolfgang Maier. Wenn die CT-Werte (englisch: Cycle Threshold) so hoch seien, müsse man erwarten, dass Athleten, die eigentlich gesund sind, in eine unnötige Quarantäne gezwungen werden (Grüße an die deutschen Handballer!).
Maier und Hofmeister haben Recht. Ihre Kritik trifft einen wunden Punkt das Virus-Monitoring. Ihre Einwände kommen aber reichlich spät. Denn auch hierzulande war lange Zeit unklar und intransparent, nach welchen Kriterien Labore vorgehen. Manche teilten Corona-Positiven die CT-Werte mit, andere nicht. China mit großer Skepsis zu betrachten, ist wichtiger denn je. Aber die Kritik darf nicht wohlfeil und unidirektional sein.
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