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Überlebende von FlüchtlingstragödieKlage gegen Belgien

Drei Männer, die 2011 ein Bootsunglück im Mittelmeer überlebten, klagen gegen die belgische Armee wegen unterlassener Hilfeleistung. 63 starben damals.

Amnesty International und Pro Asyl protestieren 2011 auf der Spree gegen die Weigerung Europas, mehr Flüchtlinge aus Afrika aufzunehmen. Bild: dpa

BRÜSSEL afp | Drei Überlebende einer Flüchtlingstragödie im Mittelmeer haben Klage gegen die belgische Armee eingereicht, der sie aufgrund unterlassener Hilfe die Schuld an dem Tod von 63 Menschen geben. Die heute 15, 21 und 25 Jahre alten Äthiopier riefen am Dienstag mit Unterstützung mehrerer Hilfsorganisationen ein Brüsseler Gericht an, um die Verantwortung Belgiens und anderer NATO-Staaten bei dem Unglück aus dem März 2011 zu klären. Die Flüchtlinge hatten während des Kriegs in Libyen das nordafrikanische Land verlassen, um vor den Kämpfen zu fliehen.

In einem kleinen Boot wollten insgesamt 72 Menschen von Libyen aus die italienische Mittelmeerinsel Lampedusa erreichen, gerieten jedoch in Seenot, nachdem ihnen der Treibstoff ausging. Die Gewässer wurden zu dem Zeitpunkt von der NATO überwacht, die ein Waffenembargo gegen das damals noch von Machthaber Muammar al-Gaddafi beherrschte Lybien durchsetzen wollte.

Zwar gelang es den verzweifelten Insassen des zehn Meter langen Bootes, über einen Geistlichen in Italien einen Notruf an die italienische Küstenwache abzusetzen - auf Rettung warteten sie jedoch vergeblich.

Die italienischen Behörden gaben nach Angaben der Internationalen Föderation der Menschenrechtsligen (FIDH) den Notruf zwar an die NATO und mehrere Militärschiffe in der Region inklusive Standort des Flüchtlingsbootes weiter. Daraufhin wurde das Flüchtlingsboot mehrfach von Helikoptern und einem Flugzeug überflogen und ein Kriegsschiff näherte sich bis auf wenige Meter, jedoch ohne die verzweifelten Bootsinsassen zu retten – obwohl die italienische Küstenwache den Notruf zehn Tage lang alle vier Stunden wiederholte.

Nur neun Insassen überlebten

Die Folge: Ein Flüchtling nach dem anderen starb. Als das Boot nach 15 Tagen wieder an der libyschen Küste angespült wurde, waren nur noch elf Insassen am Leben, von denen zwei wenig später ebenfalls starben. Unter den Toten waren 20 Frauen und drei Kleinkinder.

Den Überlebenden zufolge könnte das Kriegsschiff, das sich den in Seenot Geratenen näherte, das dem NATO-Kommando unterstellte belgische Schiff „Narcisse“ gewesen sein. Damit begründen die Klägeranwälte die Anrufung des Gerichts in Belgien. Ähnliche Klagen wurden im vergangenen Jahr bereits in Frankreich, Italien und Spanien eingereicht. Vorwürfe richten sich auch gegen die USA, Kanada und Großbritannien.

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8 Kommentare

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  • N
    Njet!

    Klar, Europa ist Schuld,wenn sich Flüchtlinge in Gefahr begeben. Diesmal ist Belgieen dran, morgen Italien und übermorgen sonst wer.

    Eine Dreistigkeit ohnegleichen.

    Mittlerweile finde ich, dass Frontex mehr Boote abwehren sollte, wenn das so weitergeht.

    Europa hat auch seine Probleme, intern und leider mit den Flüchtlingen, die schon klagen, wenn sie noch nicht mal ein Recht auf Asyl haben.

    Grenzen zu!

    • G
      gast
      @Njet!:

      lasst dieses Kindlein lallen, es weis es wohl nicht anders

    • G
      gast
      @Njet!:

      Ich möchte Sie erleben, wenn Sie verzweifelt sind, weil polit. Verfolgung, weil keine Chance irgendwie Geld zu verdienen um sich od. Familie zu ernähren, Sie eine gefährliche Reise antreten weil es keine andere Möglichkeit gibt. Dann sind Sie kurz vorm Ziel, sehen das Boot ist am absaufen, dann kommen Schiffe die ihnen nicht helfen, oder gar ins offene Meer zurück treiben. Hat auch nur ein Mensch solche Behandlung verdient, so einen Tod ?????

  • KS
    Kritische Stimme

    Menschenschmugler profitierend v FluechtlingElend muessen knallhart bekaempft+bestraft werden.

    Ursache der Odyssee v Fluechtlingen nach Europa=zum Teil die verwerfliche NatoPolitik.Es sind nicht nur WirtschaftsFluechtlinge welche nach Europa kommen.Wenn man betrachtet dass Natolaender m ihren Kriegen+schmutzige Politik schon ueber 15 mio Opfer verursacht haben im NahOst an Toten,Verwundeten,Fluechtlingen+viele Laender+Regionen verwuestet haben,dann=es ein Wunder das sowenige Fluechtlinge EUGrenzen stuermen.Auch Hunger=ein wichtiger Grund,BioOel+landwirtschaftliche EUPolitik haben fast eine Milliarde v Menschen inden Hunger getrieben,davon viele unweit v Europa.Das EU sich so abschottet v dem Elend das v ihr verursacht wurde=sehr heuchlerisch+wurde auch v PapstFranziskus als sehr niedriger Moral angemahnt.Fuer diese Politik bekam EU 2012 NobelFriedensPreis.Hoechste Zeit die Nato in eine EUOrganisation zu aendern um von Kriegstreibern wie USA loszukommen

  • "Flüchtlingstragödie" klingt für mich ja nach einem unverschuldetem Unglück (wie beispielsweise einer Naturkatastrophe oder dem Untergang der Costa Concordia. Dort ist zwar auch menschliches Versagen im Spiel, aber nach dem Zusammenstoss hat man ja sofort Hilfsmaßnahmen koordiniert). Wenn man hier 15 Tage (!) ein Boot im offenen Meer treiben lässt, obwohl man jederzeit hätte helfen können, so ist das für mich keine Tragödie, sondern schlicht und einfach Mord. Was haben sich die Soldaten an Bord des kriegsschiffes und alle in den Koordinierungsstellen denn gedacht? In dem Moment, wo sie selbst nach Tagen noch nicht helfen, muss den Leuten doch klar gewesen sein, dass sie hier Menschen sterben lassen. Hatte da denn gar keiner ein Gewissen?

    Ich finde, hier sollten alle Beteiligten wegen Mord durch Unterlassen verklagt werden. Und es ist ein Skandal, das solche EU-Außengrenzen-Realitäten nie den Weg in die breite Öffentlichkeit finden werden. 63 tote Nicht-Europäer scheinen für die Presse nur eine Randbemerkung zu sein.

  • SZ
    schwer zu fassen

    Die traurige Realität der europäischen Flüchtlingspolitik sowie der Militäreinsätze mit Verbündeten. Menschenrechte?

    • G
      gast
      @schwer zu fassen:

      Menschenrechte sicher nicht, man zeigt Menschenverachtung.

       

      Wir wollen das Land der Afrikaner, ihre Erdschätze, ihre Früchte, ihr Holz, ihre Pflanzen, ihr Öl, aber bitte haltet uns die Menschen aus diesem Land fern.

       

      Allein dafür, wie wir alle sie ausplündern, sodass ihnen selbst nichts mehr bleibt, das darum dort grausame Kriege herrschen, haben sie jedes Recht hier zu sein. Man hat viel, sehr viel gut zu machen, sprich Ausplünderung der Kolonialisten bis heute.

      • @gast:

        Unsinn. Der Grund fuer das Elend dieser Leute sind deren eigene korrupte und unfähige Politiker, die sie teilweise sogar selbst gewählt haben.