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Überdüngung belastet WasserUmwelthilfe klagt wegen Nitrat

Im Emsgebiet ist das Grundwasser oft zu stark mit potenziell schädlichem Nitrat belastet. Dagegen richtet sich eine Klage gegen Niedersachsen und NRW.

Emsaue im Nebel: In dieser Region werden die Nitrat-Grenzwerte im Grundwasser oft überschritten Foto: imago stock&people

Berlin taz | Die Deutsche Umwelthilfe klagt nach dem Dieselskandal jetzt auch gegen die Belastung des Grundwassers mit Nitrat zum Beispiel aus Gülle. Die Organisation zog am Mittwoch gegen Niedersachsen und Nordrhein-Westfalen vor das Oberverwaltungsgericht Lüneburg, weil sie gegen die Wasserrahmenrichtlinie verstoßen hätten. Diese EU-Vorschrift fordert, dass sich alle Gewässer in einem guten ökologischen und chemischen Zustand befinden.

Doch im Ems-Gebiet der beiden Bundesländer werde der Nitrat-Grenzwert von 50 Milligramm pro Liter im Grundwasser an vielen Messstellen überschritten, teilte die Umwelthilfe mit. Die Organisation will die Behörden nun durch die Klage zu Maßnahmen zwingen, um den Grenzwert einzuhalten. Die Länder könnten zum Beispiel die Regeln gegen Überdüngung konsequenter durchsetzen.

Potenziell gesundheitsschädliches Nitrat aus Stickstoffdüngern belastet Grundwasser, aus dem das meiste Trinkwasser gewonnen wird. In der Umwelt trägt zu viel Dünger zum Aussterben von Pflanzen- und Tierarten sowie zum Klimawandel bei.

„21 der insgesamt 40 Grundwasserkörper beziehungsweise zwei Drittel der Gesamtfläche der Flussgebietseinheit Ems auf deutschem Gebiet befinden sich in einem schlechten chemischen Zustand“, so die Umwelthilfe. Hauptgrund dafür sei, dass die Bauern im Schnitt mehr mit Stickstoff düngten, als die Pflanzen aufnehmen könnten (siehe taz-Faktencheck). So entsorgen sie die Gülle, die etwa in Schweineställen anfällt. Die Umweltschützer kalkulieren, dass Niedersachsen 200.000 Hektar größer sein müsste, um die Massen an Exkrementen und Gärresten aus Bioagasanlagen „bedarfsgerecht auf die Felder auszubringen“.

„Die Gülle steht uns bis zum Hals“

„Die Wurzel allen Übels ist die auf intensive Landwirtschaft ausgerichtete Agrarpolitik“, sagte Sascha Müller-Kraenner, Bundesgeschäftsführer der Umwelthilfe. Den Wasserversorgern falle es immer schwerer, die Trinkwasserqualität zu erhalten, was am Ende die Verbraucher über die Wasserrechnung bezahlten. „Das ist die Folge jahrelangen Versagens der Bundes-, aber auch der Landesregierungen. Die Gülle steht uns bis zum Hals.“

„Wir brauchen einen fairen Umbau der Tierhaltung in Deutschland“, verlangte Olaf Bandt, Vorsitzender des Bunds für Umwelt und Naturschutz (BUND), der die Klage unterstützt. Dabei sollten „gute Einkommen“ der Bauern sichergestellt werden. Dazu müsse der Deutsche Bauernverband seine Blockade gegen eine Umverteilung der EU-Agrarsubventionen aufgeben.

Konkret sprechen sich die beiden Umweltverbände dafür aus, dass nur noch höchstens zwei Großvieheinheiten pro Hektar gehalten werden dürfen. Das entspricht zum Beispiel 2 Milchkühen, 13 Mastschweinen oder 640 Legehennen. Dadurch würde automatisch genügend Fläche zur Verfügung stehen, um die Exkremente umweltgerecht zu entsorgen. Außerdem wollen die Umweltschützer, dass der Staat Biobauern besser fördert, da deren Höfe in der Regel eine bessere Stickstoffbilanz haben.

Die Verbände berufen sich in ihrer Klage unter anderem darauf, dass der Europäische Gerichtshof Deutschland bereits verurteilt hat, weil es seit Jahren die Nitrat-Richtlinie verletze. Weil die EU-Kommission wieder mit einer Strafzahlung gedroht hat, verschärft die Bundesregierung derzeit die Düngeverordnung von 2017. Unter anderem dagegen haben bereits mehrfach tausende Bauern demonstriert, weil sie finanzielle Verluste befürchten. Anfang Oktober entschied der Gerichtshof, dass es ein „Recht auf sauberes Wasser“ gebe, das auch von Privatpersonen eingeklagt werden könne.

Vorbild für die Klage sind die Prozesse der Umwelthilfe wegen der zu hohen Stickoxid-Belastung der Luft in mehreren Städten. Damit erreichte die Organisation zum Beispiel Fahrverbote für besonders dreckige Dieselautos in bestimmten Straßen.

„Die Klage der Umwelthilfe stößt bei mir auf absolutes Unverständnis“, sagte Nordrhein-Westfalens Umweltministerin Ursula Heinen-Esser (CDU). Dadurch könnten Maßnahmen zur Senkung der Nitratwerte sogar ausgebremst werden. Niedersachsens Umweltminister Olaf Lies (SPD) teilte mit: „Wir haben ein Problem mit Nitratbelastung, aber wir handeln längst“. Er werde die Klage „sorgfältig bewerten“.

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20 Kommentare

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  • Es gab bestimmt Regionen in denen zuviel gedüngt wurde. Vor 2 Jahren wurde dies aber verboten und es durfte nur noch der Bedarf der Pflanzen gedüngt werden.

    In meiner Region wurde auch ein rotes Gebiet ausgewiesen. Dafür waren 2 Messtellen verantwortlich. Eine liegt im Wald, die andere neben einer Sickergrube einer Hauskläranlage.

    Die meisten Messtellen in den angrenzenden Regionen liegen unter 1mg/l Wasser. Die Böden und die Bewirtschaftung sind gleich. Warum wurden diese fehlerhaften Messtellen ausgewählt? Ich würde sagen aus rein politischen Gründen.

    Übrigens: warum wird Salat nicht für die menschliche Ernährung verboten wenn Nitrat so giftig ist? Rucola hat ungedüngt mindestens 2000 mg Nitrat pro kg, gedüngt bis fast 4000 mg/ kg.

    Wieviel Wasser trinkt man pro Tag? Einen halben Liter? Das bedeutet bei 100mg/l 50 mg pro Tag. Bei einem Verzehr von 100 Gramm Salat am Tag nimmt man mindestens 200 mg pro Tag auf.

    Es gibt keine Pflanzen ohne Nitrat. Ohne Nitrat gibt es kein Leben auf der Erde.

    • @Martin17:

      Eine erhöhte Gesundheitsgefahr geht von Nitraten immer dann aus, wenn Nitrate im Körper durch Reduktion in Nitrite und Nitrosamine verwandelt werden. Das ist speziell bei Säuglingen, Darmkranken und auch bei Wiederkäuern der Fall, weil diese vermehrt nitritbildende Bakterien im Darm haben. Nitrate im Trinkwasser stellen auch weit unterhalb des erlaubten Grenzwerts der Trinkwasserverordnung (50mg/l) schon ein erhöhtes Darmkrebsrisiko dar.



      Was Rucola betrifft, stimme ich Ihnen zu. „Der gesetzlich erlaubte Höchstgehalt für Rucola liegt laut der Tester im Winter bei sieben Gramm Nitrat pro Kilo.“ Solche gesetzlichen Höchstwerte sind mehr als zweifelhaft. Wenn die mal nicht direkt vom Bauernverband so bestellt wurden.

      www.bild.de/ratgeb...51058732.bild.html

      de.wikipedia.org/w...eitliche_Bedeutung

    • @Martin17:

      Übrigens wurde vor ca. 15 Jahren die Stickstoffdüngung in Dänemark auf 20 % unter Pflanzenbedarf runtergefahren. Dieser Feldversuch ist kläglich gescheitert. Jetzt darf wieder nach Pflanzenbedarf gedüngt werden.

      • @Martin17:

        Was genau und wieso, weshalb, warum ist denn nun dabei gescheitert? Haben Sie dazu auch eine Quellenangabe bzw. einen Link?

        • @Rainer B.:

          Vereinfacht gesagt gab es in Dänemark sehr pauschale strengere Regeln bei der Düngung, die seit einiger Zeit gelockert wurden, weil die Erträge sehr weit zurück gingen.

          www.agrarheute.com...ehr-duengen-517944

          Natürlich möchte Dänemark weiterhin eine Überdüngung verhindern, gibt nun aber sehr viel gezieltere regionale Vorgaben.



          Man möchte sich offenbar wieder selbst mit Getreide versorgen können anstatt auf Importe angewiesen zu sein.

          • @melvd:

            Also wurden die Regelungen nur aus rein finanziellen, marktwirtschaftlichen Gründen zurückgenommen und nicht etwa, weil man damit keine Verbesserung der Nitratwerte erreichen kann. Insofern ist es doch völlig falsch, hier von einem „kläglichen Scheitern“ zu sprechen.

            • @Rainer B.:

              Das "klägliche Scheitern" waren nicht meine Worte.

              Dänemark hat seit den 80er Jahren die Umweltbelastung stark reduziert durch ein striktes Düngerecht, dessen Regelungen im Laufe einiger Jahre in Kraft traten.

              Sie können hier auf S.33 sehen, dass die Proteingehalte von Getreide im Laufe der Jahre sanken:

              www.iva.de/sites/d...ng_2016_lausen.pdf

              Das dürfte eine direkte Ursache der Düngeregeln gewesen sein. Und tatsächlich hatte dies zur Folge, dass Dänemark sich nicht mehr selbst mit Brotgetreide versorgen konnte, sondern importieren musste. Getreide braucht einen gewissen Proteingehalt, sonst kann es nicht als Brotgetreide dienen. Der Gehalt hängt übrigens stark mit der N-Düngung zusammen:

              www.agrarheute.com...arauf-kommt-444932

              • @melvd:

                Danke für die Links. Das ist wirklich sehr aufschlussreich. Dass die Düngung für Qualität und Ertrag beim Getreide ganz entscheidend ist, wussten schon meine Großeltern, die noch Landwirtschaft betrieben haben. Sie wussten aber auch, dass die Böden schon nach 4 - 6 Jahren intensiven Düngens kaputt sind - sprich: da wächst ohne Kunstdünger in den nächsten Jahren dann so gut wie gar nichts mehr drauf. Nitrat im Grundwasser war seinerzeit dabei noch überhaupt kein Thema.



                Die Überschrift des zweiten Links bringt es auf den Punkt: „Ertrag und Qualität sind das Ergebnis von Sortenwahl, Anbaumaßnahmen und Witterung.“ Es fehlt heute an Sortenvielfalt und an Selbstregenerierung der Böden. Beides letztlich ein Ergebnis von extensiver Überdüngung.

                • @Rainer B.:

                  Wie kommen Sie darauf, dass es an Sortenvielfalt und Selbstregenerierung der Böden mangelt? Dazu würden mich nähere Infos sehr interessieren.



                  Erhöhter Mineraldüngereinsatz war ja zumindest in Dänemark nicht der Fall, im Gegenteil, wie Sie meinem o.g. Link auf S.31 entnehmen können.

                  • @melvd:

                    Zu Sortenvielfalt und Selbstregeneration der Böden hier zwei Links:

                    www.proplanta.de/A...cle1502339451.html

                    www.oekosystem-erd...engefaehrdung.html

                    Der Mineraldüngereinsatz ist in den letzten Jahren ja ohnehin deutlich zurückgegangen. (In NRW um 46%)



                    Die natürlichen Vorkommen sind begrenzt und dementsprechend steigen da auch die Preise. Ein Problem ist insbesondere auch die Verunreinigung mit Schwermetallen und anderen Stoffen (Blei, Cadmium, Nickel, Quecksilber, Arsen und Uran), die sich im Boden anreichern. Gleichzeitig fallen durch die intensive Massentierhaltung immense Güllemengen an, die kaum noch zu bewältigen sind. So müssen die Holländer etwa heute schon große Mengen an Gülle.exportieren, weil sie mehr Gülle produzieren, als sie irgendwie noch sinnvoll ausbringen können. Durch den zunehmenden Anbau von Monokulturen können sich die Böden nicht mehr erholen. Die jahrhundertelang bewährten Regeln der Fruchtfolge finden im Wesentlichen keine Anwendung mehr und Böden einfach mal brach liegen zu lassen passt vermeintlich heute nicht mehr in die Ertragsplanung.

                    www.umweltbundesam...emittel#textpart-1

                    • @Rainer B.:

                      Vielen Dank für die Links.



                      Was Fruchtfolgen angeht, bin ich absolut nicht im Thema. Es klingt zunächst kritisch, wenn "jahrhundertelang bewährte Regeln" nicht mehr angewendet werden.



                      Wir leben aber auch nicht mehr wie vor hundert Jahren und sowohl die Technik als auch die Kenntnisse haben sich weiter entwickelt. Ich kann das gar nicht bewerten, frage mich jedoch, warum es schlecht sein soll. Immerhin kommen ja auch immer wieder neue bzw. wiederentdeckte Verfahren zum Einsatz wie z.B. Direktsaat oder Striptill. Z.B. Humusbildung ist wieder ein wichtiges Stichwort geworden.

                      Mir kommt es auf jeden Fall nicht so vor, als würde in der Landwirtschaft (in Deutschland) alles immer schädlicher, ausbeutender und unnachhaltiger werden. Das Gegenteil ist der Fall.

                      • @melvd:

                        Tatsache ist, dass die Intensiv-Landwirtschaft mit Monokulturen und Massentierhaltung zu einer der Hauptursachen für Umweltschäden überhaupt mutiert ist - nicht nur in Deutschland.

                        • @Rainer B.:

                          Eine so pauschale Aussage kann ich weder bestätigen noch entkräften. Die Gesamtlage ist langfristig entstanden mit Beteiligung vieler unterschiedlicher Gruppen, also Bauern, Politik, NGOs, Bürgern, Medien etc.



                          Ich halte wenig davon, wenn sich eine davon hinstellt und Schuldzuweisungen trifft. Es kann nur gemeinsam besser werden.

                          • @melvd:

                            Es geht hierbei doch auch gar nicht um Schuldzuweisungen. Seltsamerweise fühlen sich aber insbesondere jetzt „die Bauern“ angesichts dieser Tatsachen veranlasst, eine Abwehrstellung aufzubauen.

                            • @Rainer B.:

                              Das nehme ich nicht als Abwehrstellung wahr.

                              • @melvd:

                                Sie schrieben ja bereits weiter oben, dass Ihnen manches ganz anders vorkommt. Die Frage ist jetzt nur, warum eigentlich?

  • Die Erfahrungen der vergangenen Jahre zeigen leider, dass beim Abbau von Umweltbelastungen auf Behörden praktisch überhaupt kein Verlass ist. Ohne Druck läuft da gewöhnlich gar nichts. Ich erinnere nur an die „Deponie Münchehagen“, in der viele Jahre lang unter den Augen und mit Wissen der Behörden hochgiftige Abfälle einfach so am Waldrand verbuddelt wurden. Ohne ein energisches Eingreifen der Bürger würden da heute noch Tag und Nacht LKWs hochbrisante Giftstoffe in die Landschaft kippen. Es wurden später Dioxin-Werte dort gemessen, die so hoch wie sonst nirgends auf der Welt sind. Das ist heute der wohl giftigste Ort der Welt. Ein trauriger Weltrekord.







    Die Nitratbelastung des Grundwassers durch Gülle/Dünger etc. ist auch so eine tickende Zeitbombe, die ohne ein beherztes Eingreifen der Bürgerschaft zu explodieren droht. Die Klage ist ein erster, überfälliger Schritt, dem sicher noch viele weitere folgen müssen.

    de.wikipedia.org/w...e_M%C3%BCnchehagen



    umweltgruppewieden...onie-muenchehagen/



    greenfairplanet.ne...onie-muenchehagen/

    • @Rainer B.:

      Der Vergleich von Nitrat mit Dioxin ist ähnlich dem eines Brotmessers mit einer Atombombe.

      • @Bauer :

        Ich vergleiche hier doch gar nicht Nitrat mit Dioxin, sondern weise auf den wenig vertrauenerweckenden Umgang von Behörden mit Umweltbelastungen allgemein hin. Die Langzeitfolgen von Nitrat im Grundwasser lassen sich derzeit noch gar nicht abschließend beurteilen, dürften aber alles andere als harmlos sein. Auch schleichendes Gift tötet - nur langsamer.