Überbelastung im alpinen Rennsport: Müde Matadoren
Der Verlauf des Abfahrtsrennens in Wengen ruft zahlreiche Kritiker auf den Plan. Man ist sich einig: Der Rennkalender ist viel zu voll.
W enn am Berg die Rotoren angeworfen werden und der Hubschrauber zur Rettung eines Rennfahrers heranschwebt, dann ist die Zeit der Reflexion gekommen. Der Skizirkus wird leise und geht in sich, vor allem wenn sich ein Topfahrer wie der Norweger Kilde auf der Traditionsabfahrt von Wengen verletzt und das obendrein an jener Stelle, an der vor etlichen Jahren der Österreicher Gernot Reinstadler verblutet ist.
Die Abfahrt am Lauberhorn schien zum Spektakel zu werden: Kaiserwetter und Rekordkulisse. Doch die Matadoren auf ihren Stahlkanten waren nach zwei kurz aufeinander folgenden Rennen müde. Es hagelte Ausfälle. Nur die derzeitigen Dominatoren, der Schweizer Odermatt und der Franzose Sarrazin, fuhren wie auf Schienen durchs Kernen-S. Der Rest? Quälte sich, gurkte halt irgendwie herunter oder wurde von der Strecke abgeworfen wie ein Rodeoreiter vom störrischen Pferd.
Odermatt, offensichtlich getroffen vom Verlauf des Rennens, sprach vom Thron des Führenden in die Kamera, man möge bitte nie wieder drei so anspruchsvolle Rennen hintereinander in den ohnehin schon vollen Terminkalender quetschen. Auch der Deutsche Thomas Dreßen, weit distanziert, beschwerte sich über das Gebaren von Verband und Veranstalter. Letztere wollen die Show offensichtlich bis zum Letzten ausreizen. Erst wenn Kreuz- und Seitenbänder im Dutzend reißen, werden die wohl kapieren, dass man die Skirennläufer pfleglich behandeln muss.
Schmerzhafter Schwund
Aber das Ausreizen der Möglichkeiten hat nun einmal Konjunktur, man geht an die Grenze und darüber hinaus. Die Protagonisten sagen dann gern: Der alpine Rennsport sei halt so; nicht jeder kommt durch; ein bisschen Schwund ist immer.
Die Organisatoren in Wengen können von Glück sagen, dass Kildes Verletzung – zu Beginn wurde ein offener Beinbruch kolportiert – nicht so schlimm ist, doch man möge sich die Worte des deutschen Cheftrainers Christian Schwaiger zu Herzen nehmen, der da sagte: „Das Programm, das wir derzeit fahren, ist Wahnsinn.“ In Wengen standen dieses Mal zwei Abfahrten und ein Super-G an.
Beim Super-G am Freitag war bereits der ehemalige Gesamtweltcupsieger Pinturault aus Frankreich gestürzt. Er erlitt eine schwere Knieverletzung. „Wenn wir die Wochenenden so mit Rennen überfrachten, fordern wir heraus, dass noch richtig schlimme Dinge passieren“, warnte Schwaiger. Die Mahner dürfen vorerst weiter predigen.
Nächstes Wochenende wird auf der Streif in Kitzbühel gebrettert. Es besteht wieder akute Verletzungsgefahr. Schaurig, nicht?
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Exklusiv: RAF-Verdächtiger Garweg
Meldung aus dem Untergrund
BSW-Chefin im ZDF
Wagenknecht macht BND für Irrtum verantwortlich
Keine Konsequenzen für Rechtsbruch
Vor dem Gesetz sind Vermieter gleicher
Kretschmer als MP von Linkes Gnaden
Neuwahlen hätten der Demokratie weniger geschadet
Fragestunde mit Wladimir Putin
Ein Krieg aus Langeweile?
Elon Musk torpediert Haushaltseinigung
Schützt die Demokratien vor den Superreichen!