US-Wahlkampf und Medien: Chaos und Comedy
Im US-Wahlkampf geht es um sehr viel – auch um Entertainment. Und das wird von Jahr zu Jahr bedeutender. Und trivialer.
D er US-Wahlkampf dauert quälend lang, es steht wirklich viel auf dem Spiel, die Themen sind sehr ernst und die Ängste sehr groß. Vielleicht präsentiert sich der Wahlkampf auch genau deshalb immer wieder auch als pures Entertainment, als große Mischung zwischen Comedy-Show, Sitcom und Rapper-Beef.
■ „Childless Cat Lady“ Taylor Swift gegen „I hate Taylor Swift“ Donald Trump.
■ Elon Musk, der Taylor Swift ein Kind machen will, um sie ruhigzustellen.
■ J.D. Vance, der sich dabei blamiert, Donuts auszusuchen.
■ Tim Walz, der Trump und Vance „weird“ findet und seit letzter Woche bei jeder Gelegenheit darauf hinweist, dass auch er eine Katze besitzt, genau wie Taylor Swift.
■ Kamala Harris, deren Lachen auf dem Split Screen genauso viral geht wie Donald Trumps „They’re eating the cats“.
■ Joe Biden, der vergessen von der Welt noch ein paar Monate im Weißen Haus hockt.
■ Dutzende von parteilichen Expert*innen in allen TV-Sendern und auf den Meinungsseiten der Leitmedien, die als Lautsprecher und Spin-Doktor*innen beider Seiten fungieren und die Talking Points vorgeben.
Und dazu Kohorten von Late-Night-Hosts, die Abend für Abend die Absurditäten des Tages noch überspitzen, um ihr Publikum trotz aller Verzweiflung zum Lachen zu bringen. Kein Wunder, dass es gar nicht mal wenige US-Amerikaner*innen gibt, die ihre Informationen fast nur noch von dieser letzten Gruppe beziehen.
Ja, Wahlkampf in den USA war immer schon personenbezogen. Das bringt das Wahlsystem mit sich, nicht nur beim Kampf ums Weiße Haus, und so wurde und wird in den USA schon immer viel mehr über die Persönlichkeiten und Charaktere gesprochen, geschimpft, sich be- und entgeistert und gelacht als hierzulande. Trotzdem bleibt der Eindruck, als ob es alle vier Jahre immer noch ein bisschen dümmer würde und ein bisschen trivialer.
Preisfrage: Was hilft Kamala Harris mehr: die Unterstützung von Pop-Ikone Taylor Swift oder jene von inzwischen rund 230 ehemaligen republikanischen Regierungsmitarbeitern, die Trump als Riesengefahr ansehen?
An denen ist interessant: Sie sind quasi die einzigen, die in einer in Lagern fest verschanzten politischen Öffentlichkeit und Gesellschaft noch die Seiten wechseln und das sogar öffentlich machen. Dabei haben Trump und seine MAGA-Republikaner*innen schon vor Jahren begonnen, ihre Anhänger*innen gegen derlei Kritik zu immunisieren: Wer Widerworte gibt und gar die „linksradikale“ Kamala Harris unterstützt, ist für sie ein RINO, ein*e Republikaner*in nur dem Namen nach.
Derartige Immunität gegen Fremdeinflüsse oder Gegenargumente ist auch das Hauptmerkmal der politischen Comedy, die fest in liberaler Hand ist. Einzig Jon Stewart, der für diesen Wahlzyklus für ein paar Monate zur „Daily Show“ zurückgekehrt ist, scherte vor Monaten aus dem allgemeinen Spin aus, als er auf das massive Altersproblem des damaligen Kandidaten Joe Biden hinwies – was ihm seinerzeit einen veritablen Shitstorm einbrachte.
In Wirklichkeit aber wird fast niemand die Meinung ändern, weil Taylor Swift etwas sagt. Oder Elon Musk. Allerdings: Beide verbreiten ideologiebildende Botschaften: Musk eine mysogyne, Swift eine feministische. In der eigenen Community festigen sie damit den Standpunkt. Genau wie Sean Hannity bei Fox News oder – ungleich intellektueller und witziger – Stephen Colbert in der „Late Show“ auf CBS. Come together, America? Nö, mit den Blöden da drüben bestimmt nicht.
Mit Regierungs-Verantwortung, um die eigentlich gekämpft wird, hat das alles nicht viel zu tun. Mit Politikdarstellung im 21. Jahrhundert hingegen alles. Wenn aber die Demokratie zum leidlich ehrlichen Austarieren verschiedener Interessen nicht mehr in der Lage ist, dann wird sie vulnerabel. Und das ist dann nicht mehr lustig.
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