US-Wahl 2024: Bernie und Taylor sind entscheidend
Die Uni-Proteste sind für US-Präsident Joe Biden nicht gefährlich. Will er die Wahlen gewinnen, braucht er Influencer – und die Börse, an der für viele die Altersvorsorge hängt.
D ie Vorzeichen sind, nun ja, nicht gut. Vor der Wahl im November ist US-Präsident Joe Biden gleich mehrfach eingeklemmt: zwischen Israel-Ultras und Palästinaprotesten, zwischen Partei-Establishment und jungen Progressiven, zwischen Donald Trump und einem irrlichternden Kennedy-Sproß. In Umfragen liegt Biden zurück, wenn auch knapp. Und dann feiert er am 20. November noch seinen 82. Geburtstag. Wie düster also sind die Aussichten für die amerikanische Demokratie?
Sie sind jedenfalls besser als die derzeitige Stimmung. Joe Biden kann diese Wahl gewinnen. Es müssen nur ein paar Dinge zusammenkommen. Insbesondere braucht er die Zentralbank und zwei Influencer:innen, einen alten und eine junge. Die Uniproteste dagegen sind, was die Wahl betrifft, überbewertet. Selbstverständlich sollte Biden für einen Wahlsieg nicht mehr allzu oft stolpern oder Staatsoberhäupter verwechseln (nein, in Paris regiert nicht mehr François Mitterrand).
Seit der Sonderermittler Robert Hur über Biden in einem Bericht das vernichtende Urteil vom „sympathischen, wohlmeinenden älteren Herrn mit schlechtem Gedächtnis“ fällte, kämpft Biden gegen ein gerontokratisches Image. Der Albtraum wäre ein Sturz von der Treppe zur Air Force One. Was ihm hilft, ist dagegen der Streit über Abtreibungen, der aus europäischer Perspektive so 1980er wirkt, aber in den USA Teil des großen Kulturkampfes geworden ist. Das Selbstbestimmungsrecht der Frauen mobilisiert das demokratische Milieu.
Über die Rolle, die Robert Kennedy Junior bei der Wahl spielen könnte, sind sich die Expert:innen nicht einig. Manche warnen, RKJ, immerhin ein Kennedy, könne aus Bidens Milieu junge Wähler:innen und Latinos gewinnen. Andere sehen hier Trumps Kandidatur unter Druck. Im Duell führt Trump leicht vor Biden. Werden aber alle unabhängigen Kandidat:innen inklusive Kennedy abgefragt, hatte Biden letztens einen leichten Vorsprung. All das zählt jedoch wenig, solange die Börse nicht stimmt.
Eine junge Frau – und ein alter weißer Mann als Erfolgsrezept
Ein Großteil der US-Amerikaner:innen setzt für die Altersvorsorge auf die steuerbefreiten, aktienbasierten Pensionspläne, 401(k) genannt. Läuft die Börse gut, sehen US-Amerikaner:innen der Zukunft mit mehr Sicherheit entgegen. Diese wird in der Regel dem amtierenden Präsidenten angerechnet. Wenn nun die US-Zentralbank Fed vor der Wahl die Zinsen doch noch einmal senken sollte und die Börsen damit anzögen, könnte das das Vertrauen in Biden entscheidend stützen.
Der Dow-Jones steht mit rund 38.300 Punkten nur wenig unter seinem historischen Höchststand. Was Joe Biden dann noch fehlt, sind glaubwürdige Botschafter:innen. Der alte Präsident wird sich auf eine ganze Armee von jungen Social-Media-Influencer:innen stützen. Er wird sich mit jungen Demokrat:innen umgeben, mit Frauen und People of Colour. Die vielleicht wertvollsten Aktivposten Joe Bidens aber sind eine junge Frau – und ein alter weißer Mann aus Vermont.
Der unabhängige US-Senator Bernie Sanders, ein langjähriger Wegbegleiter im Senat, verkörpert nicht nur alles, was junge Progressive (an den Küsten) wertschätzen: Entschiedenheit im Kampf gegen die Klimakrise, einen Hauch von Sozialismus und Kritik an Bidens Israelpolitik. Sanders ist glaubwürdig in seiner Nähe zur Arbeiterschaft, seinem Einsatz für Gerechtigkeit und mutige Sozialstaatsgedanken (im Kernland). 2016 war Sanders als parteiinterner Gegenkandidat zu Hillary Clinton angetreten.
Michigan, Wisconsin und Nevada
Das „Bernie“-Milieu hatte sich dann von Elite-Clinton abgewandt. Trump gewann die Wahl. Und Bernie Sanders hat seine Lektion gelernt. Nun reist er als Botschafter für Biden durchs Land, lobt die sozialen Errungenschaften des Präsidenten und kritisiert dessen unzureichend progressives Profil. Klar, eine Waffenruhe in Gaza und ein Ende des Sterbens würde die kochende Stimmung unter US-Linken und Bürger:innen mit arabischem Migrationshintergrund beruhigen.
Speziell Michigan mit seiner großen arabischen Community gilt als Problem, dem die Demokrat:innen bereits große Aufmerksamkeit schenken. Weniger relevant ist für Biden, ob in L. A. oder New York Unigelände besetzt werden. Die Wahlen werden in den Swing States gewonnen, in Michigan, Wisconsin oder Nevada – nicht an den Küsten.
Der X-Faktor könnte eine zweite Influencerin werden: Taylor Swift, weltgrößter Popstar, das neue Album auf Platz eins, ihr Freund gewinnt den Super Bowl. Mehr Glanz geht kaum. Swift hat sich schon einmal pro Biden positioniert. Tut sie’s noch mal, sieht Old Joe plötzlich aus, als sei er nicht 81, sondern ein paar Jahre jünger. Vielleicht wären es die entscheidenden Jahre.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Haftbefehl gegen Netanjahu
Sollte die deutsche Polizei Netanjahu verhaften?
Buchpremiere von Angela Merkel
Nur nicht rumjammern
Deutscher Arbeitsmarkt
Zuwanderung ist unausweichlich
Deutschland braucht Zuwanderung
Bitte kommt alle!
#womeninmalefields Social-Media-Trend
„Ne sorry babe mit Pille spür ich nix“
Sourani über das Recht der Palästinenser
„Die deutsche Position ist so hässlich und schockierend“