US-Sanktionen gegen Strafgerichtshof: Kampf um das Völkerstrafrecht
Die US-Regierung hat Sanktionen gegen vier Richter*innen des Internationalen Strafgerichtshofs verhängt. Von den UN und der EU kommt Kritik.
„Angriffe auf Richter wegen der Ausübung ihrer richterlichen Funktionen auf nationaler oder internationaler Ebene stehen in direktem Widerspruch zur Achtung der Rechtsstaatlichkeit und zum gleichen Schutz aller vor dem Gesetz – Werte, für die die USA seit langem eintreten“, erklärte Türk weiter.
Derartige Angriffe seien „äußerst schädlich für eine gute Regierungsführung und eine ordnungsgemäße Verwaltung des Rechts“, führte der Menschenrechtskommissar weiter aus.
Die USA hatten am Donnerstag angekündigt, mögliche Vermögenswerte der vier Richterinnen in den USA einzufrieren. US-Außenminister Marco Rubio begründete dies mit dem Schutz der Souveränität der USA, Israels und „aller anderen Verbündeten“. US-Präsident Trump hatte bereits im Februar Sanktionen gegen den IStGH angeordnet.
Europäische Union stellt sich hinter den IStGH
Zwei der Richterinnen – Beti Hohler aus Slowenien und Reine Alapini-Gansou aus Benin – waren an dem Verfahren beteiligt, das zur Ausstellung eines Haftbefehls gegen den israelischen Regierungschef Benjamin Netanjahu führte. Der IStGH hatte im November einen Haftbefehl gegen Netanjahu wegen Kriegsverbrechen im Gazastreifen erlassen, was beim engen Israel-Verbündeten USA auf heftige Kritik stieß. Weder die USA noch Israel gehören dem IStGH an.
Die anderen beiden Richterinnen waren an den Verfahren beteiligt, die zur Genehmigung einer Untersuchung von Vorwürfen führten, wonach US-Streitkräfte während des Krieges in Afghanistan Kriegsverbrechen begangen hätten. Bei ihnen handelt es sich um Luz del Carmen Ibáñez Carranza aus Peru und Solomy Balungi Bossa aus Uganda.
Die EU unterstütze den IStGH als „Eckpfeiler“ der internationalen Justiz „nachdrücklich“, erklärte EU-Ratspräsident António Costa nach der Verhängung der Sanktionen im Onlinedienst Bluesky. Costa schrieb, der IStGH wende sich „nicht gegen Nationen, sondern gegen Straflosigkeit“. „Wir müssen seine Unabhängigkeit und Integrität schützen“, forderte er. Rechtsstaatlichkeit müsse „über Machtherrschaft siegen“, mahnte er.
Streitpunkt Netanjahu-Haftbefehl
Auch EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen schrieb auf Bluesky, die Kommission unterstütze das Gericht „und seine Beamten uneingeschränkt“.
Der IStGH gebe „den Opfern eine Stimme“, erklärte von der Leyen. „Er muss frei und ohne Druck handeln können“, forderte sie. Eine Sprecherin ergänzte, die EU-Kommission bedauere die Entscheidung der USA „zutiefst“. Die Kommission werde den Schutz des Gerichts und seiner Mitarbeiter „uneingeschränkt“ unterstützen.
Der IStGH verfolgt seit 2002 besonders schwerwiegende Vergehen wie Kriegsverbrechen. Er kann Haftbefehle erlassen, die in den mehr als 120 Unterzeichnerstaaten des Römischen Statuts – der vertraglichen Grundlage des Strafgerichtshofs – gültig sind. Die Vertragsstaaten müssten also etwa Netanjahu festnehmen, sobald er ihr Territorium betritt. Im April war Ungarn unter Ministerpräsident Viktor Orbán anlässlich eines Staatsbesuches von Netanjahu in Budapest aus dem Rom-Statut ausgetreten.
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