US-Sängerin Cassandra Jenkins: So groß wie ein Hochhaus
Ausgefuchsten Spacejazz-Indieambientrock gibt es auf dem Album „My Light, My Destroyer“ von Cassandra Jenkins. Sie vereint diesen mit smarten Texten.
„An Overview On Phenomenal Nature“, das 2021 veröffentlichte zweite Album von Cassandra Jenkins, sollte eigentlich ihr letztes sein. Die New Yorker Musikerin war von ihrem zutiefst persönlichem Songwriting-Prozess ausgebrannt und desillusioniert von den kommerziellen Ergebnissen.
Cassandra Jenkins: „My Light, My Destroyer“ (Dead Oceans/Cargo); zwei Konzerte in Deutschland im November 2024
Doch dann bekam die Welt ihre Musik zu hören. Jekins’ eigenwillige Version von Folkrock, versetzt mit Jazz-Saxofonen, zwitschernden Ambientsounds und genauso surrealen wie tief nachvollziehbaren Textzeilen. Songs wie „Hard Drive“, mit der These, dass der menschliche Geist nicht mehr und nicht weniger als eine Festplatte ist, wurden zu Indiehits. Und Jenkins verstand: Das ist nicht das Ende, sondern erst der richtige Anfang.
Und so veröffentlicht die 40-Jährige nun, drei Jahre später, doch noch eine neue Sammlung von seltsamen und wunderschönen Songs. „My Light, My Destroyer“ ist musikalisch noch vielfältiger als zuvor: War „An Overview …“ in einem konstanten, transzendentalen Fluss, bewegt sich der Nachfolger deutlich mehr im Zickzack.
New Age-Sound als Synthieprovokation
Jenkins eröffnet das Album noch mit dem von ihr bekannten Astral-Folk, nur um in „Clams Casino“ waschechten Heartland Rock à la Bruce Springsteen auszupacken. Es folgt direkt ein weiterer Curveball, in Form von New-Age-Synths bei „Delphinium Blue“. Diese drei Modi bilden den Sound von „My Light, My Destroyer“, stets zwischen verträumten Folk, erdigem Rock und spacigem Synth-Pop oszillierend.
Zusammengehalten werden diese Elemente von Space-Jazz-Interludes, die die thematischen Überhänge von „My Light, My Destroyer“ erhellen – sie bewegen sich ebenfalls zwischen Weltall und Erde. In „Betelgeuse“ hören wir eine Aufzeichnung eines Gesprächs unter Sternenhimmel, zwischen Jenkins und ihrer Mutter.
Sie habe von einem Asteroiden gelesen, so groß wie ein Hochhaus. Der erst vor kurzem zwischen Erde und Mond unterwegs war. „Hat ihn jemand gesehen“, fragt Jenkins. „Bestimmt“, entgegnet die Mutter. Eine potenzielle Apokalypse wird zur beiläufigen Anekdote. Die in „Omakase“ zum Symbol für eine gescheiterte Liebe wird: „My lover / My light / My destroyer / My meteorite“. Der in sie herein crasht, sie zerstört und neu, verändert wieder zusammensetzt.
Oszillierende Songwriterin
Das ist das einende Element all der Songs von „My Light, My Destroyer“: Es ist die Chronik einer endenden Beziehung. Auch hier zeigt sich Jenkins’ als Songwriterin oszillierend. Mal spricht sie in betörend rätselhaften Bildern, wie wenn sie in „Only One“ detailliert einen Streichholz-Sisyphus hinterm Fensterglas eines Massage-Salons beschreibt. Und dann wird sie wieder entwaffnend direkt, wie im Refrain des gleichen Songs: „You’re the only one I ever loved / The only one that I know how to love“. Dieses Lied zeigt Cassandra Jenkins Kunst in Reinform: Gleichzeitig einladend und hochkomplex.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Interner Zwist bei Springer
Musk spaltet die „Welt“
Gastbeitrag in der „Welt am Sonntag“
Bequem gemacht im Pseudoliberalismus