US-Republikaner zu Urheberrecht: Vorwärts mit Rolle rückwärts

Die Republikaner im US-Repräsentantenhaus veröffentlichen ein liberales Papier zum Urheberrecht. Keine 24 Stunden später wird es zurückgezogen.

Nicht so leicht zu knacken: Die Mediengiganten Nordamerikas. Bild: dapd

BERLIN taz | Die Präsidentschaftswahl in den USA brachte es den Republikanern schmerzhaft in Erinnerung: Immer größer ist die ideologische Distanz zwischen der Partei und ganzen Wählergruppen – den jungen Wählern, den nicht weißen Wählern, den Wählerinnen. Nun haben die Republikaner zwei Jahre die Mehrheit im Repräsentantenhaus. Sie könnten sie dafür zu nutzen, mit progressiveren Gesetzesinitiativen einer jüngeren und offeneren Gesellschaft zu signalisieren, dass sie sich noch nicht komplett vom Puls der Zeit verabschiedet haben.

Die Debatte um das Urheberrecht, die unbestritten neuer Impulse bedarf, ist dabei ein guter Ansatzpunkt. Spätestens als eine breite zivilgesellschaftliche Bewegung die Verabschiedung des SOPA-Abkommens nicht nur in den USA verhindern konnte, war für Politiker aller Seiten klar, dass mit Internetaktivisten ein politischer Player auf den Plan getreten ist, der ein zumindest punktuell hohes Mobilisierungspotential hat und somit kaum auf Dauer ignoriert werden kann.

Ausgerechnet das Republican Study Committee (RSC) nun wollte am Wochenende in die avantgardistische Offensive gehen. Das RSC ist der Zusammenschluss konservativer Abgeordneter, der sonst mit alternativen Haushaltsentwürfen („weniger Staatsausgaben“), strategischen Papieren zu Abtreibungsrecht („weg damit“) und Waffenbesitz („mehr davon“) von sich reden macht.

In einem Strategiepapier (PDF) zum bestehenden Urheberrecht fasst das RSC Thesen zusammen, die, ganz im Sinne der Datenpiraten, eine volle Breitseite auf die rückwärtsgewandte, repressive Copyright-Politik darstellt – eine wirtschaftsliberale Breitseite zwar, aber immerhin.

Profitmaximierung statt Fortschritt

Das Papier machte zügig die Runde durchs Netz und fand erstaunte und anerkennende Reaktionen. Die Argumentationslinien sind nicht neu, der Absender schon: So stellen die Republikaner fest, dass das bestehende Urheberrecht eben nicht den maximalen Fortschritt in Künsten und Technik befördere, sondern im Gegenteil mit seiner Konzentration auf die Profitmaximierung für die Rechteinhaber eher gegen den Fortschritt stünde.

Insbesondere die Tatsache, dass das Verwertungsmonopol ein regierungsgestütztes sei und Strafzahlungen bei Rechteverletzungen erkennbar jeden Bezug zum real angerichteten Schaden vermissen lassen, wird vom RSC angeprangert. Die immer wieder rückwirkende Verlängerung von Schutzfristen sei außerdem in den USA nicht verfassungsgemäß, da dort nicht zufällig von einem zeitlich beschränkten Schutz die Rede sei, nicht von einer „ewigen“ Verlängerung.

Die Folgen der verfehlten Urheberrechtspolitik seien schwere wirtschaftliche Schäden und eine massive Innovationsbremse im kulturellen und wissenschaftlichen Bereich. Als Beispiel wird unter anderem die halblegale Remix-Kultur in der Musik angeführt, die nach Ansicht der Republikaner wegen der juristischen Lage weit hinter ihren (wirtschaftlichen) Möglichkeiten zurück bliebe.

Als Lösungsvorschläge werden Ideen aufgegriffen, die zum Beispiel in Deutschland nur an den Rändern professioneller Politik ernsthaft debattiert werden. Eine starke Ausdehnung des Fair-Use-Konzeptes ist darunter, eine realitätsnähere Höhe von Strafzahlungen bei eindeutigen Urheberrechtsverletzungen, aber auch die harte Bestrafung falscher Anschuldigungen von Rechteverletzungen und nicht zuletzt die starke Verkürzung der Schutzfristen.

Keine 24 Stunden nach der Veröffentlichung dieses überraschend liberalen Thesenpapiers erhielten die Medienunternehmen die darüber berichteten, eine freundliche E-Mail des Geschäftsführers des RSC, Paul S. Teller. Darin entschuldigt er sich höflich für die voreilige Veröffentlichung der Stellungnahme. Die Argumente seien nicht hinreichend geprüft und das ganze entspreche deshalb nicht den Qualitätsstandards des RSC.

Eine ironische Fußnote hierbei ist die Tatsache, dass vor genau zwei Jahren ein Papier die Qualitätskontrolle des Komitee passierte, in dem Kürzungen in Höhe von 25 Milliarden Dollar für ein Programm gefordert wurde, das längst ausgelaufen war.

Wütende Mails der Verwertungsindustrie?

Die Vermutung, dass die nachträgliche Qualitätskontrolle im Falle des Urheberrechts wohl eher ein paar wütende Mails von Vertretern der Verwertungsindustrie waren, liegt nahe. Kämpfen die doch gerade mit den Ergebnissen zweier Studien, die ihre Positionen in eher ungünstigem Licht erscheinen lassen. Das Dumme dabei: Eine der Studien ist von der Musikindustrie selber in Auftrag gegeben worden.

Nein, einen weiteren Kampfschauplatz will sich jener Zweig der kreativen Kette, der wesentlich von langen Schutzfristen und hohen Strafen für Rechteverletzungen profitiert, nicht leisten, gerade nicht bei den eigentlich verbündeten Republikanern.

Nichtsdestotrotz: Das Papier ist draußen in der weiten Netzwelt und dürfte unabhängig davon, ob es noch zur parteiamtlichen Verlautbarung der Republikaner wird, ein kleiner Puzzlestein auf dem Weg zur liberaleren und in breiteren Bevölkerungsschichten wählbareren Alternative zu den Demokraten sein. Das Publikum darf sich als nächstes vielleicht auf "nicht authorisierte" Stellungnahmen zu Homoehe, Waffenrecht und Einwanderung freuen, die als Testballons neue Wähleransprache ausprobieren.

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