US-Medien wehren sich gegen Trump: „Journalisten sind nicht der Feind“
US-Präsident Donald Trump greift gern und oft die Medien an. Über 300 US-Zeitungen wenden sich nun in einer gemeinsamen Aktion dagegen.
Der US-Präsident spricht gar von einem „Trump-Gestörtheitssyndrom“ der Medien. Zur Pressefreiheit gehöre die Verantwortung, Nachrichten akkurat wiederzugeben. 90 Prozent der Berichterstattung über seine Regierung sei aber negativ, obwohl sie äußerst positive Ergebnisse erzielt habe. So zumindest die Meinung von Donald Trump.
Nun wenden sich landesweit Zeitungen gegen Trumps Schimpftiraden auf die freie Presse. Die Tageszeitung Boston Globe hatte vor einer Woche alle Zeitungen im Land dazu aufgefordert, am 16. August einen Leitartikel zu Trumps „Krieg gegen die Presse“ zu drucken. „Die Auswirkungen von Trumps Angriffen auf den Journalismus sehen in Boise anders aus als in Boston“, hieß es in der Presseerklärung des Boston Globe. „Unsere Worte werden verschieden sein. Aber wir können uns zumindest darauf einigen, dass solche Angriffe beunruhigend sind.“ Der Aufforderung folgen mehr als 350 US-Zeitungen. Unter dem Hashtag #FreePress verbreiten sie die Stücke auch auf Twitter.
„Freie Medien mit Staatsmedien zu ersetzen war schon immer der erste Schritt korrupter Regierungen“, so der Boston Globe in seinem Leitartikel am Mittwoch. Anhand von Zahlen und Fakten zeigt die Bostoner Zeitung, welchen Einfluss die Aussagen des US-Präsidenten auf die Bevölkerung hat – insbesondere auf seine Wählerschaft. Demnach glauben 48 Prozent der republikanischen Wähler*innen, dass Nachrichtenmedien der „Feind des amerikanischen Volks“ seien. Der Boston Globe hält mit dem Titel seines Artikels dagegen: „Journalist*innen sind nicht der Feind“.
The Berkshire Eagle
Auch die New York Times schloss sich der Aktion an und veröffentlichte am Mittwoch einen Leitartikel. Medienkritik sei richtig und wichtig, schreibt sie, denn „Reporter*innen und Redakteur*innen sind Menschen und machen Fehler“. Deshalb gehöre das Korrigieren von Fehlern zum Journalismus dazu. „Aber darauf zu bestehen, dass Wahrheiten, die man nicht mag, ‚Fake News‘ sind, ist gefährlich für die Demokratie“, heißt es weiter in dem Artikel. Die New York Times fordert die US-Amerikaner*innen dazu auf, lokale Zeitungen zu unterstützen und ihnen Anerkennung entgegenzubringen, aber sie auch zu kritisieren, wenn es angebracht ist.
Viele regionale Tages- und Wochenzeitungen beteiligten sich ebenfalls an der #FreePress-Aktion. „Ein Krieg gegen die Presse ist ein Krieg gegen die Demokratie“, schreibt etwa die Tageszeitung The Inquirier aus Philadelphia, Pennsylvania. „Der Präsident versteht ganz eindeutig die Macht einer freien Presse, sonst wäre er nicht so wild entschlossen, sie zu schwächen“, so der Berkshire Eagle aus Pittsfield, Massachussetts. „Wir können nicht hier sitzen und still sein. Die Idee, dass wir der Feind sind, der zu Hause und in der Welt die Spaltung vorantreibt, ist absurd“, schreibt die East Bay Times in Kalifornien.
Empfohlener externer Inhalt
Es gab aber auch kritische Stimmen innerhalb der Medienbranche. Im New Yorker Wall Street Journal schrieb James Freeman schon am Montag, große Koalitionen zur Verbreitung einer bestimmten Botschaft zu organisieren sei normalerweise die Arbeit von Politiker*innen und PR-Berater*innen – und nicht von Journalist*innen. Die Aufforderung des Boston Globe stelle viele Meinungsredaktionen außerdem vor ein großes Problem, selbst wenn sie Donald Trump nicht ausstehen könnten. Denn diese seien oft sehr auf ihre Unabhängigkeit von der Nachrichtenredaktion der eigenen Zeitung bedacht. „Nun sind sie aber bereit, sich mit anderen Journalist*innen außerhalb der eigenen Redaktion abzustimmen und eine gemeinsame Botschaft zu verbreiten?“, so Freeman.
Journalist*innen der Baltimore Sun aus dem US-Bundesstaat Maryland erklärten indessen, sie stimmten zwar grundsätzlich zu, dass die Bezeichnung von Journalist*innen als „Feinde des amerikanischen Volkes“ und des Journalismus als „Fake News“ nicht nur der Branche schade, sondern die Demokratie zerstöre. Die gemeinsame Aktion würde aber eher die These einiger Republikaner*innen stärken, die Medien hätten sich gegen den US-Präsidenten verbündet.
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