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US-Jugendliche erschoss VergewaltigerDes Mordes verurteilt, nun begnadigt

Als 16-Jährige erschoss Cyntoia Brown ihren Vergewaltiger und wurde zu lebenslanger Haft verurteilt. Nach 14 Jahren im Gefängnis wurde sie nun begnadigt.

Hat fast die Hälfte ihres Lebens im Gefängnis verbracht: Cyntoia Brown Foto: ap

Chicago afp | Ein Missbrauchsopfer in den USA, die wegen Mordes an einem Vergewaltiger zu lebenslanger Haft verurteilt worden war, ist begnadigt worden. Der Gouverneur des US-Bundesstaats Tennessee, Bill Haslam, begründete seine Entscheidung am Montag damit, dass die Strafe für die inzwischen 30-jährige Cyntoia Brown „zu harsch“ gewesen sei. Er nannte ihren Fall „tragisch und komplex“.

Browns Fall hatte vor einigen Jahren durch einen Dokumentarfilm breite Aufmerksamkeit erlangt. Zahlreiche Prominente – darunter die Schauspielerin Ashley Judd, Reality-Star Kim Kardashian und Popsängerin Rihanna – setzten sich für sie ein.

Ihre Unterstützer beschrieben Brown als traumatisiertes Opfer des Menschenhandels. Sie war von zu Hause weggelaufen und befand sich unter der Kontrolle eines gewalttätigen Zuhälters. Im Alter von 16 Jahren erschoss sie einen ihrer Vergewaltiger, der früher Scharfschütze bei der Armee war und ihr in seiner Wohnung seine Waffen gezeigt und dann brutal zwischen die Beine gegriffen haben soll.

Eine Jury verurteilte die junge Frau wegen Mordes zu einer lebenslangen Haftstrafe mit der Auflage, dass sie frühestens erst nach 51 Jahren aus dem Gefängnis entlassen werden dürfe. Die jetzige Begnadigung Browns begründete Gouverneur Haslam auch damit, dass sie in der Haft große Anstrengungen unternommen habe, um „ihr Leben neu zu gestalten“.

Brown soll nun im August auf Bewährung aus der Haft entlassen werden, nachdem sie noch ein Coaching für die Rückkehr in die Freiheit absolviert hat. Ihre Bewährungszeit setzte der Gouverneur auf zehn Jahre fest.

Brown dankte in einem von der Zeitung The Tennessean veröffentlichten Statement dem Gouverneur und ihren Unterstützern. Sie versprach, „alles zu tun, was ich kann, um Euren Glauben an mich zu rechtfertigen“.

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5 Kommentare

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  • In Amerika darf jeder Waffen haben, mit dem Argument, man könne sich damit im Zweifel verteidigen. Dann benutzt man mal eine Waffe zu ihrem vermeitlich bestimmten Zweck und verteidigt sich, und dann wird man wegen Mord zu 51 Jahren Gefängnis verurteilt. Wie super.

    • @jano:

      GERADE in einem Land mit freiem Zugang zu Waffen ist es grundsätzlich nicht falsch, das Notwehrrecht nicht zu weit zu fassen. Wenn ich eine Waffe habe und damit legal jeden Angreifer umnieten darf, ist es von elementarer Wichtigkeit, dass es mir nicht mehr oder minder selbst überlassen ist, wen ich zum "Angreifer" erkläre.

      Gerade im Bereich der (Zwangs-)Prostitution gibt es da heikle Fälle, da es selten Zeugen gibt und man sich "naturgemäß" körperlich sehr nahe kommt. Der Unterschied zwischen einer echten Notwehr mit anschließendem Diebstahl (Brown hatte wohl unstreitig Auto, Portemonnaie und zwei Waffen des Toten mitgenommen) und einem kaltblütigen Raubmord KANN nicht mehr als Ansichtssache sein. In Browns Fall sprach z. B. wohl Vieles dafür, dass der "Vergewaltiger" untätig auf dem Bauch lag, als er erschossen wurde, und umgekehrt nichts dafür, dass er zu irgendeinem Zeitpunkt wusste, dass er es mit einer minderjährigen Zwangsprostituierten zu tun hatte. Von daher ist bei aller Ungerechtigkeit und allen Misshandlungen, die Brown widerfahren waren, die Notwehrlage durchaus zweifelhaft, da sich die Tat gegen einen Freier und nicht gegen den Zuhälter richtete.

      All das soll natürlich nicht in Abrede stellen, dass in den USA selbst vernünftige Regeln zuweilen haarsträubend ungleich angewandt werden, also z. B. Weißen, vor allem solchen in Uniform, im Zweifel deutlich mehr Freiheiten bei der Auslegung einer Situation als gefährlich für sie zugestanden werden als Nichtweißen. Das ist ein klarer Missstand, an dem vielleicht auch durch Gnadenakte wie diesen hier etwas geändert werden kann.

  • Was für eine menschenverachtende Rechtspraxis - Freiheitsraub und Vergewaltigung auf der einen Seite, und wenn die Frau sich wehrt, wird sie verurteilt.



    Sie hatte ja scheinbar keine andere Möglichkeit - bei Freiheitsraub kann sie nicht mal eben zum Anwalt gehen!?

    Und dann wird in allen Hollywoodfilmen eine solche Selbstjustiz glorifiziert wo es nur geht - die Realität steht dann wieder auf der Seite der Täter, weil sie männlich und ex-Army sind?

    • @Mitch Miller:

      "Was für eine menschenverachtende Rechtspraxis - Freiheitsraub und Vergewaltigung auf der einen Seite, und wenn die Frau sich wehrt, wird sie verurteilt."

      Nur hat sie sich sich halt nicht gewehrt, so wie in "Notwehr", sondern sie begann einen "First degree murder". Dies ist in etwa gleichbedeutend wie der "Mord mit Feststellung der besonderen schwere der Schuld". Darauf steht in Tennessee die Todesstrafe.

      Allein an der Tatsache, daß sie in diesen Fall nicht verhängt wurde, zeigt, daß die zweifellos verzweifelte Situation der Täterin berücksichtigt wurde.

      Wie dem auch sei: nun wird sie also begnadigt und kommt für Mord nach einer Zeitspanne frei, die sie so auch in Deutschland hätte absitzen müssen. Finde: im Angesicht der Umstände geht das auch in Ordnung und irgendwelche Menschenverachtung kann ich hier nicht erkennen.

      Btw: interessant wäre zu wissen, wie es ihren Zuhälter ergangen ist, der spätestens nach der Mordtat auf dem Schirm der Ermittler auftauchen musste. Kann dazu leider nichts finden; aber im allgemeinen: die US Justiz ist beim Thema "Zuhälterei Minderjähriger" wenig gnädig....

      • @Der Mann, der unter einem Stein hervorkroch:

        Um in einer Notwehr Situation zu sein, muss man sich nicht aktiv wehren!



        Diese Tat ist in Deutschland kein Mord, es wurde kein Vorsatz erkannt.



        Das Mittel, die Tatwaffe wurde nicht mit gebracht oder beschafft, sondern im Affekt der vermeintlichen, ausweglosen Situation,die zu ihrem Tode hätte führen können benutzt.



        Im höchsten Fall Totschlag! Die Folgehandlungen sind dem darauffolgenden seelischen Zustand der Frau geschultet.



        Nimmt man dann noch die Gesamtsituation als mildernden Umstand hinzu, liegt das Urteil deutlich unter 10 Jahren.



        Da bislang unbescholten dürfte sie, bei 2/3 spätestens enthaftet werden.



        In den USA, wenn Hautfarbe und sozialer Status nicht passen, kommt es zu solchen Urteilen.



        Und dieses Urteil ist bekannt geworden, 1000 und mehr, gleicher Art nicht.