US-Deserteur sucht Asyl in Deutschland: Noch offene Fragen
Ein in Bayern stationierter US-Soldat wollte nicht wieder in den Irak. Er setzte sich ab. Sein Asylantrag scheiterte. Jetzt muss der Europäische Gerichtshof entscheiden.
LUXEMBURG dpa | Ein desertierter US-Soldat kann nach einem Gutachten am Europäischen Gerichtshof (EuGH) in Luxemburg weiter auf Asyl in Deutschland hoffen. Eine einflussreiche Gutachterin des Gerichtshofs argumentierte (pdf-File) am Dienstag, Soldaten könnten Asyl beantragen, falls sie durch den Militärdienst in Kriegsverbrechen verwickelt zu werden drohten (Rechtssache C-472/13). Sie wies aber auf eine Reihe von offenen Fragen hin.
Andre Lawrence Shepherd wollte durch die Flucht von seinem Standort in Bayern 2007 einem zweiten Einsatz im Irak-Krieg entgehen. Dabei berief er sich auf Gewissensgründe, weil er den Krieg der USA im Irak für völkerrechtswidrig hielt.
Sein Asylantrag scheiterte aber bei den deutschen Behörden. Dagegen klagte der Mann. Er meint, ihm hätten wegen Fahnenflucht eine 18 Monate lange Haftstrafe und die unehrenhafte Entlassung aus der Armee gedroht.
Shepherd beruft sich auf die sogenannte Qualifizierungsrichtlinie der Europäischen Union von 2004, die die Voraussetzung für den Schutz von Flüchtlingen festlegt. Demnach sind Deserteure zu schützen, wenn sie sich einem völkerrechtswidrigen Krieg entziehen und sie deswegen mit Verfolgung rechnen müssen.
Nach Auffassung von Gutachterin Eleanor Sharpston ist ein Antrag auf Asyl für Militärangehörige grundsätzlich möglich – und zwar auch, wenn sie – wie Shepherd – nicht zur kämpfenden Truppe gehören. Als Soldat war er für die Wartung von Apache-Kampfhubschraubern zuständig. Er argumentierte, damit hätte er zur Begehung von Völkerrechtsverletzungen beigetragen.
Asylgrund: Kriegsverbrechen
Der Gutachterin zufolge müssen die Behörden prüfen, ob ein Asylsuchender Gefahr läuft, Kriegsverbrechen zu verüben. Ein Nachweis, dass mit solchen Verbrechen zu rechnen ist, sei nicht nötig. Ob die internationale Gemeinschaft oder insbesondere die Vereinten Nationen den Einsatz genehmigt habe, spiele dabei keine Rolle.
Allerdings weist Sharpston darauf hin, dass eine Reihe von Fragen noch zu beantworten sei. So müssten die deutschen Behörden klären, ob es in den USA ein Verfahren für Kriegsdienstverweigerer gebe. Wenn Shepherd dadurch dem Irak-Einsatz hätte entgehen können, gebe es keinen Grund ihn als verfolgten Flüchtling anzuerkennen. Zudem müsse untersucht werden, ob jemand durch Strafverfahren oder unehrenhafte Entlassung aus dem Militär seines Heimatlandes diskriminiert würde.
Ein Urteil dürfte erst in einigen Monaten fallen. In den meisten Fällen halten sich die Richter an den Rat ihrer Gutachter. Wenn der EuGH einige grundlegende Fragen zum EU-Recht beantwortet hat, geht der Fall zurück an das Bayerische Verwaltungsgericht in München, das ihn endgültig entscheiden muss.
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