US-Botschafter über Frauenfußball: „We were the Meisters“
Philip D. Murphy ist US-Botschafter in Berlin. Im Interview erklärt er seine Liebe zum Frauenfußball, spricht über die WM in Deutschland und seine Investitionen in einen Klub in New Jersey.
taz: Herr Murphy, jetzt mal ehrlich, warum legt sich ein ehemaliger Goldman-Sachs-Banker für den Frauenfußball ins Zeug?
Philip D. Murphy: So ungewöhnlich ist das in den USA gar nicht. Bei uns ist der Sport viel größer, als man sich das hierzulande vorstellen kann. Ich habe selbst in der Highschool ein bisschen Fußball gespielt. Allerdings nicht wirklich gut.
Auf welcher Position?
More Stürmer. Also eher im Angriff. Ich spiele immer noch ein bisschen, in unserem Garten haben wir sogar einen kleinen Platz. In den Neunzigern war ich ein paar Jahre in Deutschland und habe hier die besondere Fußballkultur kennen gelernt. In der Familie ist Fußball unsere Nummer-eins-Sportleidenschaft. Ich habe eine Tochter und drei Söhne, und die spielen auch. Ich habe Frauenfußball schon immer gemocht. Es ist ein technisch sehr attraktives Spiel.
Attraktiver als Männerfußball?
Ich finde, dass die Physis bei den Männern eine zu große Rolle im Spiel bekommen hat. Vielleicht nicht beim FC Barcelona, wo der Spielfluss, die Ballzirkulation und die Bewegung abseits des Balles perfekt funktionieren. Aber bei den meisten Männervereinen steht das Körperliche klar im Fokus. Bei den Frauen ist das anders. Und das finde ich gut.
PHILIP D. MURPHY, 1957 in Boston geboren, ist Harvard-Absolvent und seit August 2009 US-Botschafter in Deutschland. Davor war er 23 Jahre lang bei der Investmentbank Goldman Sachs tätig, das Privatvermögen des Obama-Unterstützers wird auf 100 Millionen Dollar geschätzt. Murphy ist Mehrheitseigentümer des Frauenfußballvereins Sky Blue FC, der in Piscataway Township/New Jersey spielt.
Was bringt es für Sie, sich für den Frauenfußball stark zu machen?
Ganz einfach: Ich liebe dieses Spiel. Und bedenken sie, dass Millionen von Mädchen in Amerika, einschließlich unserer Tochter, Fußball spielen. Sie schauen auf zu Heldinnen wie Mia Hamm, die professionell gespielt haben. Das ist ein Big Deal. Es gibt mir ein gutes Gefühl und eine innere Befriedigung, wenn man Spielerinnen ausbildet, die groß herauskommen und bewundert werden. Finanziell ist es im Moment aber eher ein Verlustgeschäft.
Tatsächlich?
Das kann man wohl sagen.
Sie mischen beim Frauenfußballklub Sky Blue FC mit …
… mitmischen ist vielleicht nicht das richtige Wort für mein Engagement. Ich besitze 75 Prozent am Klub.
Okay, wie viele Dollars haben Sie denn reingesteckt?
Ich will keine genaue Summe nennen, aber ich habe mehr gegeben, als mir lieb sein kann. [lacht]
Wie eng ist der Kontakt zum Team in New Jersey? Sie haben ja als US-Botschafter in Deutschland sicherlich andere Prioritäten, oder?
Ich bin zwar der Mehrheitseigentümer, aber weil ich als Botschafter tätig bin, ruht meine Mitgliedschaft im Vorstand des Vereins. Ich bekomme jeden Tag E-Mails und Nachrichten vom Klub. Der wird übrigens von einem Deutschen [Thomas Hofstetter. Die Redaktion] geführt. Er ist ein Freund von mir und auch Miteigentümer. Das ist ziemlich cool.
Derzeit steckt Ihr Klub nur im Mittelfeld der US-Liga fest.
Ja. Seit drei Jahren läuft die Liga. Im ersten Jahr haben wir die Meisterschaft gewonnen. We were the Meisters. Im zweiten Jahr haben wir die Playoffs verpasst. Das war ein schlechtes Jahr. Und heuer sind wir furchtbar in die Saison gestartet, aber zuletzt haben wir gut gespielt. Wir haben uns stabilisiert.
In Deutschland haben sich die Unternehmen lange Zeit gescheut, Frauenfußball zu unterstützen. Haben Sie eine Erklärung, warum?
Das mag in der Vergangenheit so gewesen sein, aber jetzt nicht mehr. Das ist doch ein phänomenaler Sport mit unglaublichen Athletinnen. Im Vorfeld der WM hat das Sponsoring in Deutschland sogar besser geklappt als in den USA. Das ist zumindest mein Empfinden. Die Commerzbank unterstützt zum Beispiel das Frankfurter Frauenfußballteam. Ich fände es großartig, wenn eine amerikanische Bank bei unserem Team in New Jersey Sponsor wäre [lacht]. Vorbehalte gegenüber Frauenfußball zu haben, das ist für mich ein Zeichen von altem Denken.
Glauben Sie, dass man das Sommermärchen von 2006 kopieren kann?
Nicht auf diesem Niveau. Die Unterstützung der Männer geht viel, viel weiter. Aber ein paar Dinge sind vielleicht doch zu kopieren. Viel hängt vom Erfolg der Deutschen und auch der US-Amerikanerinnen ab. Je besser sie spielen, desto höher ist das Interesse. Ich bin da sehr zuversichtlich. Wenn sie sich im Finale träfen, wäre das fantastisch.
Glauben Sie wirklich, dass das US-Team so weit kommt? In der Qualifikation hatte es große Schwierigkeiten, verlor gegen Mexiko und musste sich in umkämpften Relegationsspielen gegen Italien durchsetzen. Als 16. und letztes Team qualifizierten sich die USA für diese WM.
Ja, das war knapp. Ich hatte Befürchtungen, sie schaffen es nicht. Das Team ist insgesamt recht alt. Und die Integration der jungen Spielerinnen scheint nicht so richtig zu klappen. Außerdem versucht die Torfrau seit Monaten vergeblich, in Form zu kommen. Das hat das US-Team geschwächt. Ich hoffe, die Probleme sind jetzt ausgestanden. Aber wenn ich die Statistik anschaue, dann sieht es gut aus für uns: Wir haben seit der letzten WM 68 Spiele gemacht, davon 60 gewonnen, zwei verloren und sechs unentschieden gespielt.
Trotzdem scheint das Team schwächer als noch vor einigen Jahren zu sein?
Ich würde das Team nicht abschreiben. Wir sind sehr gut. Glauben Sie mir!
Sie haben also keine Angst vor einer Niederlage gegen Nordkorea?
Nein. Nordkorea ist zwar eine mysteriöse Mannschaft und keiner weiß so recht, was sie anstellen und draufhaben, aber wir sollten sie packen. Sie machen ein Geheimnis aus ihrer Stärke. Ein bisschen anders ist das bei Schweden und Kolumbien, unseren anderen Gegnern in der Vorrunde. Für alle gilt: Wir müssen raus auf den Platz gehen und eine Ansage machen. Eine klare Ansage!
Ist das Match gegen Nordkorea ein politisches Match?
Wir unterhalten keine diplomatischen Beziehungen zu Nordkorea, aber darüber hinaus hat es keine politische Dimension. Die Auseinandersetzung wird auf dem Fußballplatz ausgetragen und nicht auf den Rängen. Ich denke aber schon, dass man mit Sport Diplomatie betreiben kann, vor allem mit Fußball. Fußball ist ein großer Gleichmacher. Ein großer Vermittler.
Wie groß ist das Interesse in den USA an der WM?
Sehr hoch. Der Sportsender ESPN überträgt alle Spiele live. Die Fans wollen Brasilien sehen, Deutschland und die skandinavischen Teams. Und natürlich unsere US-Girls.
Skeptiker meinen, es könnte auch eine langweilige WM werden, weil Deutschland den Titel sicher hat, Brasilien auf Platz zwei landet und die USA vielleicht auf Rang drei?
Das glauben aber nur Sie! Es wird alles sehr umkämpft und eng werden. Das wage ich zu prognostizieren. Denken Sie nur an das Spiel der Deutschen gegen Kanada.
Bei der letzten WM gings nicht immer eng zu.
Kantersiege werden wir diesmal nicht erleben. Es geht jetzt nur noch aufwärts im Frauenfußball. Eine erfolgreiche WM käme da gerade recht.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
BSW in Koalitionen
Bald an der Macht – aber mit Risiko
Dieter Bohlen als CDU-Berater
Cheri, Cheri Friedrich
Stellungnahme im Bundestag vorgelegt
Rechtsexperten stützen AfD-Verbotsantrag
Selbstzerstörung der FDP
Die Luft wird jetzt auch für Lindner dünn
Kinderbetreuung in der DDR
„Alle haben funktioniert“
Hybride Kriegsführung
Angriff auf die Lebensadern