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US-Ausstieg aus Klimaabkommen6 Gründe, warum wir jetzt auf Klimaschutz setzen müssen

Donald Trump steigt wieder aus dem Pariser Klimaabkommen aus. Gerade deshalb sollte Europa auf Transformation und Klimaschutz setzen.

Autos stapeln sich in den Straßen von Valencia nach der Flutkatastrophe im November 2024 Foto: Manu Fernandez/ap

1. Klimaschutz ist billiger als Klimaanpassung

„Alles, was man verhindert, muss man nicht reparieren“, sagt Rüdiger Glaser, Klima-Geograf der Universität Freiburg. „Je weniger wir für Klimaschutz bezahlen, desto mehr müssen wir später für Klimaanpassung ausgeben, das fällt uns auf die Füße.“ Außerdem sei weiterhin nicht hinreichend erforscht, wie alle Teile des Erdsystems auf die Erderhitzung reagieren, deswegen sei Anpassung mit großen Unsicherheiten verbunden – oder extrem teuer, wenn man sich gegen alle Szenarien wappnen will.

Zum Beispiel sei die Heftigkeit der Überschwemmungen im spanischen Valencia überraschend gewesen. Im Herbst 2024 starben dort mehr als 200 Menschen. „Klimaschutz verhindert solche extremen Spitzen“, sagt Glaser. „Wir tun einfach gut daran, unseren Teil beizutragen, schließlich kommen die Klimafolgen auch bei uns an.“

Die Fluten im Ahrtal 2021 richteten Schäden in Höhe von 33 Milliarden Euro an. „Bei zwei oder drei Ahrtal-Ereignissen im Jahr ist die Frage, ob wir das bezahlen können. Da kommt man schnell an die Grenzen dessen, was eine Gesellschaft leisten kann“, sagt Glaser.

2. Die deutsche Industrie kann nicht mehr umdrehen

„Für die Unternehmen geht es um Stabilität und Planungssicherheit“, sagt Malte Küper, Klima-Ökonom beim arbeitgebernahen Institut der deutschen Wirtschaft (IW). Ein Drittel der Unternehmen setze bereits auf die Klimatransformation als Geschäftsmodell. „Die Unternehmen sehen den Wandel der Exportgüter: Sie wollen vom Wachstum grüner Produkte profitieren, während der Markt für fossile Produkte schrumpfen wird.“ Unternehmer*innen, sagt Küper, investierten weniger wegen der Demos von Fridays for Future, „sondern weil sie mit klimafreundlichen Produkten Geld verdienen können“.

Die Firma Salzgitter-AG steckt zum Beispiel sehr viel Geld in die Dekarbonisierung der Stahlherstellung. Diesen grünen Stahl wird sie aber nur los, wenn die europäische und die deutsche Politik dafür sorgen, dass er billiger wird oder dreckiger Stahl teurer. Denn sonst kann der grüne Stahl im Preiswettbewerb nicht mithalten – und Salzgitter hat Geld in den Sand gesetzt.

„Wir wollen der Standort sein für den ersten grünen Zement, den ersten grünen Stahl“, sagt Küper. Dafür müsse massiv in die Infrastruktur investiert werden. Das sei aber nur möglich, wenn durch staatliche Unterstützung die Wirtschaftlichkeitslücke zwischen fossiler und erneuerbarer Energie geschlossen werde, und zwar noch bis in die 2030er-Jahre hinein. Ein Beispiel dafür seien die Klimaschutzverträge, die Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) eingeführt hat.

Ralph Obermauer, Autoindustrie-Experte der IG Metall, hält zudem den Umstieg auf E-Autos für unausweichlich. „Die meisten Konzerne haben mittlerweile so viel Geld investiert und die Technologie ist so weit gediehen, dass es kein Zurück mehr gibt“, sagt er.

3. Europa verspielt sonst Wettbewerbsvorteile

Die Europäische Union habe eine Vorbildfunktion beim Ausbau der erneuerbaren Energien, sagt Sebastian Dullien, Direktor des gewerkschaftsnahen Instituts für Makroökonomie und Konjunkturforschung (IMK). Vor allem aber werde der Punkt kommen, an dem sie billiger sein werden als Öl und Gas. „Das ist absehbar. Wenn wir uns von der Transformation jetzt verabschieden, ist Europa mittel- und langfristig nicht mehr wettbewerbsfähig.“

Auch Mario Draghi, der frühere Präsident der Europäischen Zentralbank, plädiert für Geduld: Die Vorteile der Energiewende würden sichtbar, wenn die billigen Erneuerbaren die teuren fossilen Brennstoffe verdrängt hätten – diese Zeit zu überbrücken sei die große Herausforderung, wenn Europa wettbewerbsfähig bleiben will. Schon jetzt bezahlt Europa 416 Milliarden US-Dollar jährlich, um fossile Brennstoffe zu importieren, das sind fast drei Prozent der Wirtschaftsleistung. Umso mehr Klimaschutz wir betreiben, desto weniger Öl, Gas und Kohle müssen wir importieren.

4. Der Globale Süden ist darauf angewiesen

Als Donald Trump den Ausstieg der USA aus dem Pariser Klimaabkommen ankündigte, stoppte er gleichzeitig die gesamte Klimafinanzierung des Landes. Darunter werden Kredite und Zuschüsse zusammengefasst, die Industriestaaten an Entwicklungsländer vergeben, damit jene sich an die Erderhitzung anpassen und Klimaschutz betreiben können. Die USA steuerten etwa 10 Milliarden US-Dollar bei, rund doppelt so viel wie Deutschland. Das reißt eine Lücke, die sich in unterfinanzierten Klimaschutz- und Anpassungsprojekten niederschlägt.

Wegen der vom Klimawandel mitverursachten Dürren müssen zum Beispiel viele Menschen auf den Philippinen, vor allem Frauen, über immer längere Strecken Wasser schleppen, berichtet Cheng Pagulayan, der bei Oxfam zu Klimagerechtigkeit arbeitet. Für die Menschen dort sei Klimaanpassung keine Option mehr, sondern ein Bedürfnis. „In den letzten Wochen“, erzählte er im November, „hatten wir sechs Stürme und zwei Super-Typhoons. Das ist nicht normal.

Pagulayan hebt Deutschlands Vorbildrolle in der Klimafinanzierung hervor: „Deutschland ist einer der größten Geldgeber in Asien und eine große Hilfe bei der Anpassung.“ Jetzt, nach dem Austritt der USA aus dem Pariser Abkommen, müsse die Bundesregierung noch mehr Führung übernehmen. „Wenn Deutschland in den Globalen Süden investiert, geben vielleicht auch andere Länder mehr Geld“, hofft Pagulayan. „Das Geld, das aktuell kommt, ist wie ein einzelner Tropfen Regen für einen Verdurstenden.“

5. China lässt uns ohnehin keine Wahl

„In China verkauft man einfach keine Verbrenner mehr“, sagt Ökonom Sebastian Dullien, „und Europa verkauft sehr viele Autos nach China.“ Auch IG-Metall-Experte Obermauer sagt, auf den wichtigsten Märkten wächst der Anteil elektrifizierter Fahrzeuge stetig. Laut zahlreicher Prognosen werde das auch so weitergehen. „Der Weltmarkt erlaubt es nicht, sich in alter Technologie einzumauern.“

Dullien zufolge ist China nicht in allen Zukunftsbranchen davongezogen, aber Europa dürfe keine Zeit verlieren: „Noch gibt es die Chance, dass wir Marktführer in CO₂-neutralen Technologien werden. Das wollen wir schaffen.“

6. Trumps Wahlsieg macht keinen gigantischen Unterschied

Carsten Rolle, Klimaexperte des Bundesverbands der deutschen Industrie, warnt davor, Trumps Einfluss auf die US-Wirtschaft zu überschätzen. Auch unter Biden habe es keinen Preis auf CO₂ gegeben, der Preis von Flüssiggas werde sich unter Trump ebenfalls kaum ändern. Das Klimaportal „Carbon Brief“ hat ausgerechnet, dass die USA bis 2030 unter Trump etwa eine Milliarde Tonnen CO₂ mehr pro Jahr ausstoßen als bei einer Fortsetzung von Bidens Klimapolitik. Aber auch jene hätte die USA nicht bis 2050 klimaneutral werden lassen.

IMK-Direktor Dullien sagt außerdem: „Mit dem amerikanischen Gaspreis können wir in Europa sowieso nicht konkurrieren.“ Die europäischen Gasvorkommen seien schließlich viel, viel kleiner.

Dass die USA überhaupt nicht mehr in Klimaschutz investieren oder ihn in allen Bereichen zurückdrehen, ist nicht zu erwarten. Auch dort hängen heute viel mehr Jobs an grünen Technologien als zu Trumps erster Amtszeit, gerade in republikanischen Staaten, sagt Küper vom IW. Ein riesiger Rückschritt würde deshalb auf größeren Widerstand stoßen. Zudem werde in den USA viel Klimapolitik von den Bundesstaaten gemacht, von denen viele weiterhin von den Demokraten regiert werden, sagt BDI-Experte Rolle. Unter anderem Kalifornien, ein US-Staat mit der Wirtschaftskraft Japans.

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11 Kommentare

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  • Das meiste an dieser Argumentation trifft nicht zu.



    Eine wesentliche Schwachstelle ist die mangelnde Differenzierung zwischen verschiedenen Handlungssträngen, -geschwindigkeiten und Zielen. Zum Beispiel heißt, nur noch E-Autos nach China verkaufen zu können, nicht, dass auch die Chemie-Industrie morgen klimaneutral sein muss, geschweige denn die Produktion eben jener E-Autos.

    Viel wichtiger ist jedoch ein anderer Aspekt:



    Die Welt macht nicht mit.



    Das hat mit Trump zu tun, jedoch nicht nur.

    Es ist komplett klar, dass Klimaschutz nur dann funktioniert, wenn im Wesentlichen die ganz Welt mitzieht.



    Wenn kleinere Emittenten sich quer stellen, wenn zusätzlich eine große Industrieregion ausschert: Geschenkt.

    Doch so ist es nicht mehr. Die Einigungen waren stets wackelig, und Trump ist sowohl Ausdruck als auch Verfestigung der globalen Verweigerung.

    Sehen wir den Tatsachen ins Auge:



    Die Welt wird auch in 20 Jahren nicht klimaneutral sein.

    Und D hat darauf keinen Einfluss. Was wir zusätzlich einsparen, werden andere zusätzlich verbrennen.

    Wir können die Richtung halten, nur sollten wir uns nicht weiter vom Feld entfernen, sonst verarmen wir in einer sich erhitzenden Welt.

  • Hab ich nicht gerade im DLF gehört, dass Porsche wieder mehr Verbrenner baut?

  • So traurig es ist, dass die USA aus dem Pariser Abkommen ausgestiegen sind, man muss er zur Kenntnis nehmen und sehen, dass nun nur noch die Länder der EU, Großbritannien, Australien, Japan und Kanada laut diesem Abkommen übrig sind, die sich verpflichtet haben ihre Emissionen zu reduzieren während alle anderen Länder, einschließlich China und Indien, als Entwicklungsländer gelten und diese Verpflichtung nicht haben.



    Der gesamte Anteil der genannten Länder liegt bei 12,5% der globalen Emissionen und wird von Jahr zu Jahr im Verhältnis weniger, da die Entwicklungsländer ihre Emissionen steigern und nun auch wohl wieder die USA dies tun werden.



    Mit diesen 12,5% ist es nicht möglich so viel zu tun, dass das 1,5- oder besser 2-Grad-Ziel gehalten werden kann. Wir müssen also uns gegen die angekündigten Wetterextreme rüsten, uns bleibt keine Wahl.

  • Zitat: „Als Donald Trump den Ausstieg der USA aus dem Pariser Klimaabkommen ankündigte, stoppte er gleichzeitig die gesamte Klimafinanzierung des Landes.“

    Seit wann bedarf das Klima einer Finanzierung?

  • Was, wenn Trump der EU Klimapolitik verbietet unter Androhung von Zöllen oder wer weiß was? Bis jetzt sind alle eingeknickt, denen er ein Angebot vorgelegt hat, das nicht abgelehnt werden kann.

  • So muss man Klimaschutz vermitteln: Er lohnt sich!

  • Na ja, das Peiffen im Walde? Autobauer gehen wieder vermehrt auf Verbrenner. Viele, auch wichtige, innovative Unternehmen leiden verstärkt unter dem bürokratischen und teuren Standort Deutschland und überlegen Auswanderung. Und ist denn Klimaschutz noch ein Gesellschaftsthema? Wird nicht eher abgewunken, wenn man damit kommt ? Hat nicht die Wahl der nächsten Urlaubsflugreise und der Wunsch nach Abschiebung illergaler Migranten deutlich mehr Aufmerksamkeit? Klimaschutz ist KEIN Wahlkampftheme, trotz der Katastophen in 2024 und der Nachricht, dass der zurückliegende Januar mit 1,75% viel zu warm war - weltweit gesehen ! Da habe ich mir ne Wärmepumpe und nen PlugIn-Hybriden Wagen gekauft um auch einen Beitrag zu leisten. Hätte ich mir sparen können ....

  • Warum hat sich die Kohle gegenüber Wasserkraft durchgesetzt in der industriellen Revolution?

    Energie aus Kohlekraft war teurer als Wasserkraft.



    Bei der fossilen Energie kann der Energieträger zum Produktionsstandort transportiert werden, also dorthin wo mehr billige Arbeitskraft verfügbar ist.

    Genau das wird bei den Erneuerbaren wieder zum Problem.

    H2 ist nur sehr umständlich und teuer zu transportieren und die Erzeugung von EE von lokalen Bedingungen abhängig.

    Meinen wir es ernst mit dem Umbau zu einer klimaneutralen Wirtschaft, muss dieser Prozess also wieder umgekehrt werden.

    Die Produktion muss dort stattfinden, wo es günstige erneuerbare Energie im Überfluss gibt: Sonne, Wind, Geothermie.

    Was das für den Industriestandort Deutschland bedeutet kann sich jede:r selbst ausmalen.

  • Ich schlage vor, Technokraten, Beamte, Journalisten unterlassen es, Unternehmern zu klären, was sie bauen und worin sie investieren sollen. Wenn die chinesischen Kunden keine Verbrenner mehr kaufen möchten, sollen die Vorstände von VW, BMW oder Mercedes halt Auto bauen, die die Leute dort haben möchten. Das ist deren Job. Es kann übrigens sein, dass die Kundschaft in Afrika oder den USA es ganz anders sieht.

    Wie man politisch eine Sache so richtig in den Sand setzen kann, sah man an Habeck und seinem Heizungsgesetz. Im Grunde ist eine Wärmepumpe eine super Sache, die lohnt sich für fast jeden, da muss man gar nichts gesetzlich festlegen, genauso wenig wie man ein Gesetz zur Förderung von Smartphones brauchte, damit sich die Dinger durchgesetzt haben. Aber durch blödsinnige Regelungswut, Zwangsfantasien und absoluter Ahnungslosigkeit gepaart mit Ideologie hat man die Mehrheit der Heizungsbesitzer in Angst und Schrecken versetzt. Dazu durch irrsinnige Förderungen die Preise durch die Decke gehen lassen.

  • Es ist sehr simpel. Die Menschheit braucht Mutter Natur ABER Mutter Natur die Menschheit nicht. Defakto würde Mutter Erde sehr schnell komplett heilen, wenn die Menschheit über Nacht verschwinden würde! Ergo muss die Menschheit mit Mutter Natur zusammen arbeiten und heilen, wenn sie überleben will.



    Nicht einfach.Sehr simpel, aber nicht einfach.

  • Wir werden weiterhin Klimaschutz betreiben müssen, aber gleichzeitig uns darauf einstellen müssen das der Klimawandel kommen wird. D.h. höhere Dämme bauen, Wasserspeicher anlegen für trockene Jahre, die Bahn mehr auf Extremwetter einstellen (Schneepflüge für Schienen) und auch bestimmte Siedlungen aufgeben ob Passau und das Ahrtal eine Zukunft haben da würde ich ein Fragezeichen drunter setzen.