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UN-Initiative für PalästinaMerkel hätte zustimmen sollen

Kommentar von René Wildangel

Deutschland und die EU hätten die Aufwertung des UN-Status von Palästina unterstützen können. Nun wird Präsident Abbas weiter isoliert.

Selbst wenn Palästina einen neuen UN-Status erhält: Am Alltag in Gaza würde das wenig ändern. Bild: dapd

H eute will der palästinensische Präsident Mahmud Abbas vor die Generalversammlung der Vereinten Nationen treten und eine Aufwertung des Status von Palästina erbitten. Eine breite Mehrheit ist sicher. Palästina würde zwar nicht als UN-Mitglied aufgenommen, weil dazu ein einstimmiges Votum des Sicherheitsrates nötig wäre.

Aber die Aufwertung würde immerhin den Status eines „beobachtenden Nichtmitgliedstaats“ mit sich bringen, ähnlich dem des Vatikans oder früher der Schweiz. Die Palästinenser hoffen, dadurch auch die Mitgliedschaft beim Internationalen Strafgerichtshof und anderen internationalen Institutionen beantragen zu können.

Die Abstimmung kommt nun zu einem schwierigen Zeitpunkt, nämlich gut eine Woche nach dem Ende des Gazakrieges. Israel und die USA hatten Abbas schon seit geraumer Zeit davon zu überzeugen versucht, den Antrag vor den UN ein weiteres Mal zu verschieben. Noch in letzter Minute bemühten sie sich, zumindest die Möglichkeit einer zukünftigen Anklage Israels vor dem Internationalen Strafgerichtshof auszuschließen.

René Wildnagel

, 41, ist Büroleiter der Heinrich-Böll-Stiftung in Ramallah. Von 2004 bis 2006 arbeitete er als Referent im Auswärtigem Amt, danach als außenpoltischer Referent in der Bundestagsfraktion von Bündnis90/Die Grünen.

Drohung mit Sanktionen

Israel hatte für den Fall eines Antrags harte Gegenmaßnahmen angekündigt, darunter die Einbehaltung von Steuereinnahmen, die der palästinensischen Regierung zustehen, und den Entzug von Arbeitsgenehmigungen für Palästinenser in Israel. Die USA drohen nicht nur sämtliche Finanzhilfen an die Palästinenser einzustellen, sondern auch Beiträge an die Vereinten Nationen einzubehalten.

Ob dies wirklich geschieht, ist unklar. Mittlerweile ist offensichtlich, wie schwach die Palästinensische Autonomiebehörde und Abbas wirklich sind. Ein endgültiger Zusammenbruch der Verwaltung im Westjordanland scheint nicht ausgeschlossen, wenn die Unterstützung eingestellt würde.

Die USA begründen ihre Drohungen mit dem Verweis auf das „unilaterale“ Handeln der Palästinenser. Aber über Monate gab es keine Verhandlungen, Abbas wartete vergeblich auf ein Entgegenkommen Israels in der Frage des Siedlungsstopps. Stattdessen bekam er Schmähungen zu hören wie jene von Außenminister Avigdor Lieberman, der ihn – wie einst Ariel Scharon Arafat – das „Haupthindernis zum Frieden“ nannte.

Dabei ist Abbas innerpalästinensisch gerade aufgrund seiner konzilianten Haltung gegenüber Israel unter Druck. Er kann seinen Landsleuten nur wenige Erfolge vorweisen, obwohl er stets seine Verhandlungsbereitschaft deutlich machte. In einem Fernsehinterview mit einem israelischen Sender verzichtete er jüngst sogar auf das vielen Palästinensern heilige „Rückkehrrecht“. Die meisten Palästinenser haben die Hoffnung auf die Errichtung eines eigenen Staates in den nächsten Jahren laut Umfragen längst verloren.

Der einsame Präsident

Durch den jüngsten Krieg, in dem die Hamas ihren bewaffneten „Widerstand“ gegen Israel feierte, ist Abbas zusätzlich marginalisiert. Trotz zahlreicher Aufforderungen, etwa seitens des in Israel inhaftierten Fatah-Führers Marwan Barghuti, verweigerte er einen Solidaritätsbesuch in Gaza.

Während der ägyptische Präsident Mohammed Mursi im Zentrum der Verhandlungen mit der Hamas, Israel und den Außenministern der gesamten arabischen Welt stand, wirkten die Besuche von Hillary Clinton und UN-Chef Ban Ki Moon bei Abbas wie Gnadenakte für einen einsamen Palästinenserpräsidenten.

Die UN-Initiative, letztes Jahr von den Palästinensern noch in Massenkundgebungen gefeiert, droht nun fast unterzugehen. Aber für Abbas gibt es kein Zurück. Zu oft hat er bereits US-Druck nachgegeben, zu klar hatte er sich auf die Initiative festgelegt. Dies nicht zu tun käme nun politischem Selbstmord gleich.

Fraglich bleibt, warum in erster Linie die USA und auch Israel den UN-Antrag so bitterlich bekämpften, als schlüge er die Abschaffung des Staates Israel vor. Dabei handelt es sich bei der Resolution um einen konstruktiven, überaus moderaten Text. Abbas und andere führende palästinensische Politiker haben deutlich gemacht, dass sie am Tag nach der Abstimmung zu Friedensgesprächen bereit sind – obwohl Premier Benjamin Netanjahu sogar den Ausbau neuer Wohneinheiten in den israelischen Siedlungen angekündigt hat.

Statt die UN-Initiative zu verteufeln, wäre es sinnvoll, sie als positiven Schritt der palästinensischen Regierung zu würdigen. Denn schließlich ist es der Versuch, trotz der verfahrenen Lage politisch und friedlich zu agieren.

Nun droht die Gefahr, dass Abbas mit einer diplomatischen Initiative vor den Vereinten Nationen weniger erreicht als die Hamas mit ihrem Raketenbeschuss auf Zivilisten. Die Hamas konnte die Bedingungen des Waffenstillstands diktieren, sie präsentiert sich als Sieger im Konflikt mit Israel.

Merkel mauert

Niemand kann von den Palästinenserinnen und Palästinensern erwarten, dass sie bis in alle Ewigkeit auf einen eigenen Staat hoffen, während Israels Rechtsregierung Fakten durch den Siedlungsausbau schafft. Die von Netanjahu dieses Jahr eingesetzte Levy-Kommission kam gar zu dem Ergebnis, man könne weder Israels Präsenz im Westjordanland als Besatzung bezeichnen, noch seien die dort errichteten Siedlungen völkerrechtswidrig.

Deutschland und die gesamte EU sollten geschlossen und entschieden Ja zu der palästinensischen Initiative sagen. Die EU kritisiert den israelischen Siedlungsbau und fördert den Staatsaufbau Palästinas mit Milliardenbeträgen. Internationale Institutionen wie die Weltbank haben in der Vergangenheit längst bestätigt, dass Palästina die wesentlichen Voraussetzungen für Staatlichkeit erfüllt.

Abbas stärken zu wollen ist eigentlich Konsens. Frankreich hat daher noch vor der Abstimmung erklärt, den palästinensischen Antrag zu unterstützen. Kanzlerin Angela Merkel und Außenminister Guido Westerwelle haben hingegen versucht, Abbas noch in letzter Minute von einer Verschiebung des Antrags zu überzeugen.

Das wäre ein katastrophales Signal gewesen. Die deutsche Enthaltung bei der Zustimmung in der Generalversammlung ist kontraproduktiv – für die politische Zukunft von Abbas, die Staatlichkeit Palästinas und für den Frieden im Nahen Osten.

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7 Kommentare

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  • G
    Gonzi

    Merkel hätte zustimmen sollen ?

     

    Wie ach immer, es ist zu spät dafür,

    bzw. es sähe doch komisch aus, wenn sich in den letzten Stunden noch was ändern soll.

     

    Hach, Schweden und Italien sollen auch noch die Kurve gekriegt haben und zustimmen wollen.

     

    Da war man wohl ein wenig vorlaut in der Bundesregierung....

  • H
    Harald

    " ... die Möglichkeit einer zukünftigen Anklage Israels vor dem Internationalen Strafgerichtshof ... " wäre in der Tat wünschenswert. Eine solche Klärung ist lange überfällig.

     

    Würden sich Abbas Erwartungen einer dortigen Klage erfüllen und festgestellt, daß Juden nicht in Judäa und Samaria leben dürfen, umgekehrt aber Palästinenser sehr wohl in Israel, wäre das ein einzigartiger Vorgang in der modernen Staatsgeschichte. Mit der Folge einer weltweiten Legitimierung von ethnischen Bereinigungen nach diesem Vorbild.

     

    Abbas weiß nur zu gut, er kann den Weg zum eigenen Staat nur über New York nehmen. Seine Verhandlungspositionen sind für Israel unannehmbar, da diese das faktische Ende Israels bedeuteten:

     

    - Die Annektierung des Ostteils der 1948 überfallenen israelischen Hauptstadt

    - Das 'Rückkehrecht' von vielen Millionen Nachkommen der Kriegsflüchtlinge

    - Die ethnische Säuberung Judäas und Samarias von Juden

     

    Da diese Positionen kein Junktim des Beobachterstatus sind, ist eine Aufnahme der richtige Schritt, Abbas in die volle Verantwortung für alles zu stellen, was seine Landsleute meinen als 'rechtmäßig' veranstalten zu können.

     

    Den Haag lässt grüßen ...

  • I
    I.Q

    Was die Merkel da nur wieder angestellt hat?

     

    „Germany backtracks on Palestinian bid; Israeli official: 'We lost Europe' “

     

    ist z.Z. in der Ha´aretz zu lesen.

     

    http://www.haaretz.com/news/diplomacy-defense/germany-backtracks-on-palestinian-bid-israeli-official-we-lost-europe.premium-1.481392

     

    und es ist ja auch nicht gering zu achten, wenn man einen ganzen Kontinent verloren geben muss.

     

    Ganz so schlimm kann es nicht sein, denn zuvor hatte Netanjahus Vorgänger Olmert erklärt, der UN-Gang der Palästinenser stehe in Übereinstimmung mit einer Zwei-Staaten Lösung

     

     

    „Olmert: PA's UN bid congruent with two-state solution“

    http://www.jpost.com/DiplomacyAndPolitics/Article.aspx?id=293856

     

    Vielleicht findet Frau Merkel Trost, wenn sie die inzwischen 216 „ Kommentare“ in der JP liest, die Olmert nicht selten als einen Verräter brandmarken, und sich an dieser Meldung angehängten.

    Ihr „Umfallen“ vom Nein zur Enthaltung mag da ja noch Gnade finden.

     

    Das entlarvende aber auch komische Ansinnen, etwa Großbritanniens, die Palästinenser sollten auf das Recht verzichten, den Internationalen Strafgerichtshof anzurufen schlägt auch in der BRD seltsame Wellen.

     

    Hätten die Briten bloß vorher den Rechtskomiker der Grünen, Jerzy Montag, gefragt.

    Er hätte ihnen mitgeteilt, es wäre gar nicht möglich, dass da jemand vor den Internationalen Strafgerichtshof gezerrt werden könne, denn es gäbe keinen Israeli, der Kriegsverbrechen begangen haben könnte, so Herr Montag heute im DLF.

     

    Die Schlagzeile,

    "Court: Extradite Serb-Israeli wanted for genocide"

    http://www.jpost.com/NationalNews/Article.aspx?id=293925

    hätte ihn vielleicht nachdenklicher machen können.

  • S
    spiritofbee

    .."Die deutsche Enthaltung bei der Zustimmung in der Generalversammlung ist kontraproduktiv....."

     

    Die Enthaltung entspricht dem Status von Deutschland. Unser Land ist ebenfalls nicht souverän. Von höchster Stelle, Herrn Schäubele, persönlich bestätigt:

     

    http://www.youtube.com/watch?v=3TV2OpCmlJc

  • J
    J.Matoni

    Zwei Fragen habe ich direkt zu dem Artikel. Wenn die Weltbank sagt, die Araber in der Westbank hätten die Voraussetzungen zur Staatlichkeit, warum müssen sie dann mit Millardenbeträgen alimentiert werden? Und, welchen Sieg hat die Hamas errungen und welche Bedingungen haben sie den Israelis "diktiert"?

  • BG
    Bernd G.

    Was ist denn das für ein Signal?

    Wir terrorisieren Israel mit Raketen, also bekommen wir eine Aufwertung unseres Status? Wie absurd ist das denn... eher hätte man in ruhigen Zeiten, wenn lange keine Anschläge mehr waren, quasi als Belohnung, diesen Status verleihen sollen.

  • M
    martin

    Durch die bloße Anerkennung als Staat, würde es doch in dieser Region trotzdem kein bisschen friedlicher werden. Abgesehen davon müsste ja sowieso die gesamte UN-Vollversammlung zustimmen. Es macht Sinn, sich aus dem Konflikt herauszuhalten, daher halte ich die Enthaltung für sinnvoll.

    An anderer Stelle ist Deutschland aber weit weniger zimperlich, z.B. beim Waffenhandel. Hier sollte man endlich einen Schlusspunkt setzen und auf den Waffenhandel am besten gleich ganz verzichten.