UN-Gipfel zu Entwicklungszielen: Armut, Flucht und Hunger
Der erste Gipfel zur Auswertung der nachhaltigen Entwicklungsziele zeigt: Fast nichts ist erreicht. Es gibt sogar Rückschritte.
Auf der Tagesordnung stand eine erste Zwischenbilanz der 2015 beschlossenen „Agenda 2030“ mit insgesamt 17 nachhaltigen Entwicklungszielen (Sustainable Development Goals, SDG), mit denen „extreme Armut und Hunger“ bis zum Jahr 2030 überwunden und „allen BewohnerInnen dieser Erde bis zum Jahr ein Leben in Wohlstand und Würde ermöglicht werden“ soll.
Am Donnerstag und Freitag folgen dann noch zwei Gipfel zur bislang völlig unzureichenden Entwicklungsfinanzierung sowie zum Samoa-Prozess, der besonders gefährdeten Inselstaaten helfen soll, sich an den Klimawandel anzupassen.
Zum Auftakt des SDG-Gipfels machte UNO-Generalsekretär Antonio Guterres deutlich, dass die Diskrepanz zwischen den auf UN-Ebene verbindlich beschlossenen Zielen und dem tatsächlichen Handeln der Mitgliedstaaten mindestens ebenso groß ist wie beim Thema Klimaschutz. „Wir sind bei der Umsetzung der SDG nicht auf Kurs und weit entfernt von dem Zwischenziel, an dem wir heute sein müssten“, erklärte Guterrerres.
Gleichheit zwischen den Geschlechtern? Nicht erreicht
Bei der Verpflichtung, Gleichheit zwischen den Geschlechtern herzustellen, habe „keiner der 193 Mitgliedstaaten das Zwischenziel erreicht“, unterstrich der UNO-Generalsekretär. Und ohne die Umsetzung dieses Zieles würden „auch alle anderen Ziele nicht erreicht werden“. Mit Blick auf einige der 17 SDG habe es seit 2015 „sogar Rückschritte gegeben“, beklagte Guterres.
Laut dem Mitte September veröffentlichten Bericht einer vom UNO-Generalsekretär einberufenen Expertengruppe ist die weltweite Zahl der Hungernden 2018 das dritte Jahr in Folge gestiegen. JedeR Neunte geht mit leerem Magen zu Bett – insgesamt etwa 815 Millionen Menschen. JedeR Dritte weltweit leide an Mangelernährung. Im Ergebnis der Anstrengungen der 2000 von einem UN-Gipfel beschlossenen „Millenniumsziele zur Halbierung der Armut“ – dem Vorläufer der SDG – war die Zahl der weltweit Hungernden bis 2015 ebenso wie der Menschen in extremer Armut zunächst zurückgegangen.
Drastisch angestiegen ist in den letzten 18 Jahren zudem die Zahl der Geflüchteten und Binnenvertriebenen – von rund 23 Millionen im Jahr 2000 über rund 44 Millionen 2015 auf inzwischen knapp 70 Millionen. Laut dem Expertenbericht der Vereinten Nationen hat zudem mindestens die Hälfte der Weltbevölkerung keinen Zugang zu grundlegender Gesundheitsversorgung. Umweltzerstörung, Artensterben und der Ausstoß von klimaschädlichem Kohlendioxyd haben seit 2015 zugenommen.
Auf die Ermahnung des UNO-Generalsekretärs reagierten einige RegierungsvertreterInnen mit mehr oder weniger verbindlichen Zusagen für die verbleibende Zeit bis 2030. Mexiko will bis dahin Internetzugang für seine gesamte Bevölkerung schaffen, ausdrücklich auch in den armen Regionen des Landes. Griechenland sagte „grünes Wachstum“ durch Umstrukturierung seiner Volkswirtschaft zu. Finnland versprach, bis 2035 den CO2-Ausstoß auf null zu bringen. Und Konzerne aus 25 Staaten machten dasselbe Versprechen bis zum Jahr 2050.
Kritik an der Bundesregierung
Deutschland kündigte bei dem Gipfel lediglich gemeinsam mit Ghana und Norwegen einen „Globalen Aktionsplan“ an, mit dem das SDG-Ziel der Gesundheitsversorgung für alle Menschen bis 2030 erreicht werden soll. Die Grünen sowie Oxfam und andere Nichtregierungsorganisationen hatten die Bundesregierung im Vorfeld vergeblich zu deutlich weitergehenden Zusagen und Maßnahmen aufgefordert.
„Eine kohärente, an den Nachhaltigkeitszielen ausgerichtete nationale Gesetzgebung findet nicht statt“, kritisierte der Grünen-Abgeordnete Uwe Kekeritz. Noch immer hätten „nicht alle Ressorts des Kabinetts SDG-Maßnahmenpläne erstellt oder zusätzliche Mittel bereitgestellt“.
Oxfam forderte Maßnahmen der Bundesregierung zur Schließung von Steueroasen und zur gerechten Besteuerung von Großkonzernen. Zudem müsse die Bundesregierung endlich das bereits 1977 von der UN-Generalversammlung vereinbarte Ziel erfüllen, Mittel zur Entwicklungsfinanzierung auf 0,7 Prozent des Bruttoinlandprodukts anzuheben.
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