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UN-Flüchtlingspolitik 2019Ein schlechtes Jahr

Andreas Zumach
Kommentar von Andreas Zumach

Das UN-Hochkommissariat hat sich den verbesserten Schutz der Flüchtlinge weltweit auf die Fahnen geschrieben. Die Realität hingegen ist deprimierend.

Flüchtlingskinder hinter einem Zaun im Nizip-Flüchtlingslager in Gaziantep (Türkei) Foto: dpa

D er Schutz von Flüchtlingen und ihr Zugang zu Arbeit, Ausbildung und Gesundheitsversorgung sollen verbessert, die Verantwortung und Kosten für ihre Aufnahme und Versorgung gerechter verteilt werden zwischen reichen und armen Ländern und Weltregionen. So steht es im „Global Flüchtlingspakt“, den 181 der 193 UN-Staaten Mitte Dezember 2018 beschlossen hatten. Doch die realen Entwicklungen im Jahr 2019 verliefen in die Gegenrichtung.

Die weltweite Zahl der vom UN-Hochkommissariat (UNHCR) in Genf registrierten Auslandsflüchtlinge und Binnenvertriebenen stieg bis Ende November auf die Rekordzahl von fast 71 Millionen. Zu dem Anstieg hat wesentlich der Vertreibungs- und Vernichtungskrieg der Türkei gegen die Kurden in Nordsyrien beigetragen. Das UNHCR erhielt 2019 von den reichen Ländern des Nordens (Nordamerika, Europa, Australien) lediglich 55.000 statt der dringend benötigten 1,4 Millionen Aufnahmeplätze zur Umsiedlung von Flüchtlingen aus unsicheren Erstaufnahmeländern im Süden (darunter Libanon, Jordanien, Pakistan). 2016 waren es noch 126.000 Plätze.

Statt der für die Versorgung der Geflüchteten im Jahr 2019 erforderlichen 10 Milliarden US-Dollar bekam das UNHCR von den UN-Staaten bis Ende November nur 4 Milliarden. 2020 soll nun alles besser werden. Diese frohe Botschaft kurz vor Weihnachten verkündete das UNHCR nach dem ersten „Globalen Forum“ zur Umsetzung des Flüchtlingspakts, zu dem 3.000 VertreterInnen von Regierungen, Unternehmen und humanitären Organisationen vergangene Woche in Genf zusammenkamen.

Das Forum habe „eine entscheidende Wende in der internationalen Flüchtlingshilfe gebracht“, jubelte das UNHCR, mit „verbindlichen Finanzzusagen über 7,7 Milliarden US Dollar – darunter allein 4,7 Milliarden von der Weltbank – sowie 770 weitere Verpflichtungserklärungen für eine verstärkte Aufnahme von Flüchtlingen und für ihre vereinfachte Integration durch verbesserte Zugangsmöglichkeiten zu Beschäftigung und Ausbildung.“

Handelt es sich um frisches Geld?

Doch zunächst bleiben Skepsis und Fragen, insbesondere mit Blick auf das versprochene Geld. Handelt es sich bei den zugesagten 7,7 Milliarden US-Dollar um frisches Geld? Also um Geld, das nicht zuvor anderweitig zugesagt wurde? Oder um Mittel, die jetzt aus anderen Haushaltsetats – zum Beispiel aus der Entwicklungszusammenarbeit – in das Budget für Flüchtlingshilfe umgeschichtet werden?

Dieser auch durch die Erfahrungen mit früheren Geberkonferenzen begründete Verdacht wird bestätigt durch eine „Meldung zur Klarstellung“, die das UNHCR inzwischen verbreitete. Danach sollen 2,5 Milliarden Dollar der insgesamt 4,7 Milliarden US-Dollar, die die Weltbank zugesagt hat, verwendet werden „zur Förderung der Privatwirtschaft und zur Schaffung von Arbeitsplätzen sowohl für Flüchtlinge wie für die einheimische Bevölkerung“. Die weiteren 2 Milliarden sollen „in den nächsten drei Jahren zur Verfügung stehen für Flüchtlinge und Einheimische in Ländern mit geringem Einkommen“.

Das klingt zumindest zum Teil eher nach traditioneller Entwicklungshilfe der Weltbank. Ob die auf dem Forum gemachten Versprechen reicher Staaten zur verstärkten Übernahme von Flüchtlingen aus unsicheren Erstaufnahmeländern auch umgesetzt werden, bleibt abzuwarten. Die EU hat laut der Erfolgsmeldung des UNHCR die zusätzliche Aufnahme von 30.000 Menschen zugesagt. Diese Zusage steht allerdings unter dem Vorbehalt, dass sich die 28 EU-Mitglieder zuvor auf die Verteilung dieser Flüchtlinge einigen. Entsprechende Vereinbarungen oder ihre Umsetzung werden aber nach wie vor von den osteuropäischen Staaten Polen, Ungarn, der Slowakei und Tschechien blockiert.

Zu den 770 verbindlichen Zusagen, die laut der Erfolgsmeldung des UNHCR auf dem Forum gemacht wurden, gehören auch zahlreiche Versprechen von Wirtschaftsunternehmen, kurzfristig Ausbildungs- und Arbeitsplätze für Flüchtlinge anzubieten. Diese Versprechen wären relativ leicht zu überprüfen. In zwei Jahren will die UNO eine Zwischenbilanz ziehen. Sollte sich dann herausstellen, dass auch nur die Hälfte der über 770 verbindlichen Zusagen aus der Erfolgsmeldung des UNHCR umgesetzt wurden, wäre das bereits ein großer Fortschritt.

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Andreas Zumach
Autor
Journalist und Buchautor, Experte für internationale Beziehungen und Konflikte. Von 1988-2020 UNO- und Schweizkorrespondent der taz mit Sitz in Genf und freier Korrespondent für andere Printmedien, Rundfunk-und Fernsehanstalten in Deutschland, Schweiz,Österreich, USA und Großbritannien; zudem tätig als Vortragsreferent, Diskutant und Moderator zu zahlreichen Themen der internationalen Politik, insbesondere:UNO, Menschenrechte, Rüstung und Abrüstung, Kriege, Nahost, Ressourcenkonflikte (Energie, Wasser, Nahrung), Afghanistan... BÜCHER: Reform oder Blockade-welche Zukunft hat die UNO? (2021); Globales Chaos-Machtlose UNO-ist die Weltorganisation überflüssig geworden? (2015), Die kommenden Kriege (2005), Irak-Chronik eines gewollten Krieges (2003); Vereinte Nationen (1995) AUSZEICHNUNGEN: 2009: Göttinger Friedenspreis 2004:Kant-Weltbürgerpreis, Freiburg 1997:Goldpreis "Excellenz im Journalismus" des Verbandes der UNO-KorrespondentInnen in New York (UNCA) für DLF-Radiofeature "UNO: Reform oder Kollaps" geb. 1954 in Köln, nach zweijährigem Zivildienst in den USA 1975-1979 Studium der Sozialarbeit, Volkswirtschaft und Journalismus in Köln; 1979-81 Redakteur bei der 1978 parallel zur taz gegründeten Westberliner Zeitung "Die Neue"; 1981-87 Referent bei der Aktion Sühnezeichen/Friedensdienste, verantwortlich für die Organisation der Bonner Friedensdemonstrationen 1981 ff.; Sprecher des Bonner Koordinationsausschuss der bundesweiten Friedensbewegung.
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