Tunnelbau im Gaza-Streifen: Auf geheimen Wegen nach Israel
Die Palästinenser sind Experten im Bau von Schächten. Die millionenteuren Gänge dienen Angriffen auf Israel und sind schwer zu finden.
JERUSALEM taz | Etwa 3 Kilometer lang, 80 Zentimeter breit und hoch genug, um mit eingezogenem Kopf aufrecht darin zu gehen – so sieht ein durchschnittlicher Hamas-Tunnel aus. 4 bis 35 Meter tief unter der Erde reichen sie mal nur einen, mal fünf Kilometer bis in israelisches Gebiet.
Das unterirdische Labyrinth aufzufinden und zu zerstören ist das zentrale Ziel von Israels Militäroffensive im Gazastreifen. Über 30 der Tunnel haben die Soldaten schon gefunden. Fast alle sollen zerstört sein, sagt ein Armeevertreter. Allerdings räumt er ein, dass es doch noch Tunnel gibt, die unentdeckt blieben.
Die Palästinenser im Gazastreifen sind Experten im Tunnelbau. Der syrische Rebellenführer Abu Assad, Chef der auf den unterirdischen Kampf spezialisierten Rebellen in Aleppo, soll eigens in den Gazastreifen gereist sein, um die Geheimnisse der unterirdischen Gänge zu erlernen. Unmengen von Beton fließen dort zur Verstärkung der Gänge in die Tunnel, die zudem Strom- und Belüftungsanlagen brauchen.
Der Bau ist kompliziert und gefährlich. Die Löhne für die Arbeiter und Experten einbegriffen, können die Kosten für einen einzigen Tunnel mehr als eine Million Dollar betragen. Mit dem heiligen Ziel, die Zionisten zu schlagen, rechtfertigt die Hamas, die seit sieben Jahren die Kontrolle über den Gazastreifen hat, die hohen Ausgaben.
Die grenzüberscheitenden Tunnel sind nichts Neues im Gazastreifen. Hunderte unterirdische Verbindungen in Richtung Ägypten dienten den palästinensischen Extremisten jahrelang für den Schmuggel von Waffen und den Zivilisten für die Versorgung mit günstiger Ware. Die neue Regierung in Kairo ließ die meisten davon aber zerstören – aus Sorge vor den palästinensischen Islamisten, die mit den Muslimbrüdern in Ägypten gemeinsame Sache machen könnten.
„Megaterrorangriff“ der Hamas
Dass auch in Richtung Israel Tunnel gegraben werden, war ebenfalls spätestens seit Sommer 2006 bekannt. Damals wurde der israelische Soldat Gilad Schalit durch einen solchen Tunnel in den Gazastreifen entführt. Er kam erst fünf Jahre später im Zuge eines Gefangenenaustauschs wieder frei.
Die jetzt erst entdeckte große Menge der Tunnel überraschte dennoch die israelische Bevölkerung und den Sicherheitsapparat. Die israelische Armee geht davon aus, dass die Hamas einen „Megaterrorangriff“ plante, bei dem zeitgleich durch Dutzende Tunnel jeweils mehrere Kommandos eingeschleust werden sollten.
Die Ausgänge der Tunnel in Israel sind nicht sichtbar. Denn die letzten Meter werden von den Palästinensern erst unmittelbar vor einer Operation durchgestoßen. Die israelischen Soldaten suchen deshalb nun die Eingänge auf palästinensischer Seite.
Mit technischen Messgeräten sind die unterirdischen Gänge kaum ausfindig zu machen. „Es ist wie die Suche einer Stecknadel im Heuhaufen“, meint einer der in der Grenzregion eingesetzten Soldaten. Die meisten Eingänge liegen in privaten Wohnhäusern. Die Suche verlaufe oft nach dem Zufallsprinzip, „man schiebt einen Kühlschrank zur Seite und findet wieder einen Schachteingang“. Problematisch ist, dass die Tunnel sich verzweigen. Hat man erst einen gefunden, ist noch längst nicht klar, wo er endet.
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