Türkische Offensive gegen die PKK: Tote Geiseln werden zum Politikum
13 Tote. So viel steht fest. Wie die im Nordirak gefangen gehaltenen Türken starben, ist derweil unklar. Ankara wirft der PKK Hinrichtungen vor.
Die Höhle liegt in dem Gebiet Gara nahe der türkisch-irakischen Grenze, in dem die türkische Armee seit Mittwoch letzter Woche eine grenzüberschreitende Angriffsoperation gegen die PKK durchführt. Hieß es zunächst, die Armee wolle möglichen „Terrorangriffen der PKK“ vorbeugen, ließ Akar jetzt durchblicken, dass die Befreiung der 13 Bürger einer der Hauptgründe für den Angriff war.
Wie nach ihrer Identifikation am Sonntagabend mitgeteilt wurde, handelt es sich bei den Getöteten um Soldaten, Polizisten und Geheimdienstmitarbeiter, die bereits in den Jahren 2015/16 von der PKK entführt und seitdem gefangen gehalten wurden. Man habe Geheimdienstinformationen gehabt, so Akar, nach denen die Gefangenen in Gara festgehalten würden.
Nach Angaben der Armee wurden die Personen getötet, als ein Sonderkommando eine Höhle mit dem Ziel angriff, die Gefangenen zu befreien. Sie seien durch Schüsse in den Kopf hingerichtet worden, keiner überlebte.
HDP wollte vermitteln
Die PKK stellt den Vorgang anders dar. Nach ihren Angaben hat die türkische Luftwaffe ein Camp bombardiert, von dem sie wusste, dass dort auch Gefangene festgehalten würden. Das sei keine „Rettungsaktion“, sondern eine „Zerstörungsaktion“ gewesen, verbreitete die PKK-nahe Nachrichtenagentur Firat News als Antwort auf die Mitteilung Akars.
Interessant ist eine Stellungnahme der kurdischen Parlamentspartei HDP, die diese in der Nacht auf Montag verbreitete. Darin behauptet die HDP, sie habe seit 2015 mehrfach angeboten, zwischen der Regierung und der PKK wegen der Freilassung der Gefangenen zu vermitteln. Auch Familien der Gefangenen seien auf die Partei mit der Bitte zugekommen, sich für die Freilassung einzusetzen.
Die HDP erinnert daran, dass es in früheren Fällen immer gelungen sei, gefangene Soldaten von der PKK lebend zurückzubekommen. Doch die Regierung habe trotz mehrfacher Anläufe der HDP nicht auf das Angebot reagiert.
Der Friedensprozess zwischen der türkischen Regierung und der PKK war 2015 zusammengebrochen. Seitdem halten die Kämpfe an. Es war nicht mehr die Zeit für Verhandlungen, auch weil die Regierungspartei AKP bei einer Neuwahl im November 2015 eine im Frühjahr verloren gegangene Parlamentsmehrheit zurückerobern wollte.
Sorge vor Bidens Kurden-Politik
Jetzt ist die Empörung in den Medien und in Regierungskreisen groß. Eine internationale Untersuchung vor Ort im Nordirak, wie die HDP sie fordert, scheint ausgeschlossen. Stattdessen will die Regierung den Kampf verschärft fortsetzen. Insgesamt 53 PKK-Militante seinen bereits ausgeschaltet, also getötet worden. Statt auf den Vorschlag einer internationalen Untersuchung einzugehen, beschwert sich die türkische Regierung erneut darüber, dass sie im Kampf gegen die PKK nicht unterstützt wird.
Präsident Recep Tayyip Erdoğan verwahrte sich am Montag gegen Kritik an Militäreinsätzen seines Landes. Nach dem „Blutbad“ könne weder ein Land noch eine Person oder Institution „die Operationen der Türkei im Irak und in Syrien hinterfragen, kritisieren und sich gegen sie stellen“, sagte er. Sein Land werde weiter gegen die PKK vorgehen. Die „Terroristen“ seien weder im Nordirak noch in Syrien sicher.
Die regierungsnahe Zeitung Akşam titelte am Montag: „Die von den USA unterstützten PKK-Mörder wurden ausgeschaltet“. Hintergrund ist die Sorge der türkischen Regierung, die neue US-Administration unter Joe Biden könnte die Kurden in Syrien, die mit der PKK verbündet sind, wieder unterstützen, nachdem die Regierung Trump sie fallen gelassen hatte.
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