piwik no script img

Türkische Militärs in NorwegenAsyl beim Partner

Das Nato-Mitgliedsland Norwegen gewährt türkischen Offizieren Asyl. Ankara fordert die Auslieferung der „Banditen“.

Men in Black (fast): Chef Erdoğan, General Akar und Ministerpräsident Kurtulmuş (v.l.n.r.) Foto: reuters

Stockholm taz | Norwegen hat vier türkischen Offizieren und einem Militärattaché Asyl gewährt. Sie müssten politische Verfolgung in ihrem Heimatland fürchten, so die Begründung. Es bestehe das Risiko von Folter und langen Freiheitsstrafen, sollten sie gezwungen werden, in die Türkei zurückzukehren. Rechtsanwalt Kjell M. Brygfjeld, der die Offiziere vertreten hatte, begrüßte gegenüber der Tageszeitung Klassekampen die Entscheidung. Er bezeichnete es gleichzeitig als bemerkenswert, dass Norwegen Militärangehörigen eines militärischen Alliierten politisches Asyl gewähre.

Die fünf Männer hatten sich während des Putschversuchs in der Türkei in der Nacht zum 16. Juli letzten Jahres in Norwegen aufgehalten und kurze Zeit danach aus Ankara den Befehl erhalten, nach Hause zurückzukehren. Aus Furcht vor einer Verhaftung, beantragten sie in Norwegen Asyl. Mit dem Putschversuch hatten sie laut eigenen Angaben nichts zu tun. „Ich kann unmöglich zurück“, hatte einer der Offiziere im Januar in einem Interview der Tageszeitung VG erklärt: „Mein Auftrag hier ist beendet, ich habe mich geweigert zurückzureisen, mein Pass wurde für ungültig erklärt.“ Man werde ihn inhaftieren „und in den Gefängnissen dort sterben immer wieder Menschen aus unerklärlichen Gründen“.

Ülkü Kocaefe, Botschaftsrätin an der türkischen Botschaft in Oslo hatte damals gegenüber VG solche Befürchtungen für abwegig erklärt. Die Türkei sei ein Rechtsstaat, aber natürlich hätten die Militärs wegen ihrer Befehlsverweigerung mit „Konsequenzen zu rechnen“. Würden sie nicht zurückkkehren, hätten sie womöglich doch etwas mit dem Putsch zu tun. In einer ersten Stellungnahme nach Bekanntwerden der Asylentscheidung sprach der stellvertretende türkische Ministerpräsident Numan Kurtulmuş am Mittwoch gegenüber der Nachrichtenagentur Anadolu von einem falschen Entschluss, der „unmöglich zu akzeptieren“ sei. Die „Banditen“ müssten umgehend ausgeliefert werden.

Laut Klassekampen-Informationen leben die Ex-Offiziere und der ehemalige Diplomat in Norwegen nun unter geheimer Adresse. Ihre Familien seien zwischenzeitlich ebenfalls ins Land gekommen und hätten auch norwegisches Asyl erhalten.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

4 Kommentare

 / 
  • Gibt es da einen Zusammenhang?

     

    Was können wir von den Skandinaviern lernen?

    http://www.spiegel.de/wirtschaft/soziales/norwegen-ist-das-gluecklichste-land-der-welt-a-1139522.html

  • Mit Norwegen zeigt natürlich eines der wenigen europäischen Nicht-EU-Länder zeigt mal wieder, wie Menschenrechtspolitik auszusehen hat.

     

    Ich hoffe, dass nicht nur türkische Militärs das Asylrecht genießen können, sondern jeder, der in der Türkei nunmehr verfolgt wird.

  • Das ist offenbar typisch für türkische Offizielle: Verurteilung vor der Verhandlung, ohne Beweisführung, ohne konkrete Hinweise. So wurde es mit den Tausenden von Juristen, Professoren, dem Militär, dem Medienbereich, den Journalisten gemacht. Genau diese Masche wird auch bei Deniz Yücel abgezogen. Und keiner stellt sich mehr irgendwelche Fragen - keiner kann sich offenbar mehr ein freies Leben ohne Lügen, haltlose Verdächtigungen, Denunziation und Bespitzelung vorstellen. Alle (noch) nicht Verdächtigten haben Angst und zensieren sich selbst. Und selbst hier dürfen sich kritische Geister nicht sicher sein, von durch Diyanet unterwanderten Schnüfflern ihrer freien Meinung beraubt zu werden mit Blick auf Angehörige in der Türkei oder Angriffe hier durch Fanatisierte. Hier gibt es immer noch die Unschuldsvermutung bis zum Beweis einer Schuld. In der AKP-Rhetorik ist sie nicht zu vernehmen.

     

    DAS gab es hier ab 1933!

    Das gibt es hier seit 1945 nicht mehr!

     

    Verdachtsmomenten geht ein Rechtsstaat nach, aber die Anklage kommt nach der Feststellung der Beweiskraft und das Urteil oder der Freispruch folgt der Anklage.

  • Solange die verlogene EU-Politik gegenüber der Türkei weiter geht, kann man nur hoffen daß die EU-Länder da einigermaßen ungeschoren davon kommen.

    Es wäre an der Zeit, der Türkei auf allen Ebenen den Laufpaß zu geben, denn alles andere ist VERLOGEN seitens der EU und noch dazu offener Verrat sämtlicher "Werte", auf die sich je ein EU-Politiker berufen hat. Es reicht!