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Türkische BesatzungIn Syrien herrscht noch Krieg

Der Konflikt im Nordwesten des Landes spitzt sich zu: Die türkisch unterstützte SNA-Miliz kämpft gegen die kurdische YPG-Miliz. Auch US-Truppen sind involviert.

Manbidsch, Syrien, 7. Dezember: Kämpfer der Syrian National Army (SNA) feiern ihren Sieg Foto: Ugur Yildirim/dia images/getty images

Istanbul taz | Die Kurden in Syrien befürchten, dass eine neue Angriffswelle durch die Türkei und die von der Türkei unterstützte islamistische „Syrische Nationale Armee“ (SNA) unmittelbar bevorsteht. Ein Waffenstillstand, den die US-Truppen am Mittwoch letzter Woche zwischen den SNA und der kurdischen YPG-Miliz vermittelt hatten, ist nicht verlängert worden. Zuvor war es der SNA mit türkischer Luftunterstützung gelungen, die YPG aus der Stadt Manbidsch zu vertreiben. „Die Türkei hat die Verhandlungen über eine Feuerpause nicht ernst genommen“, sagte ein Sprecher der kurdischen Selbstverwaltung in Syrien.

Nach kurdischen Angaben, die in türkischen Medien bislang nicht bestätigt wurden, zieht die Türkei derzeit Truppen an der Grenze gegenüber der kurdisch dominierten Stadt Kobane zusammen. Und auch die SNA bereite sich darauf vor, den Euphrat in Richtung des kurdischen Autonomiegebietes zu überqueren. So könnte sie von der syrischen Seite auf Kobane zu marschieren.

Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdoğan spricht seit Jahren davon, dass die Türkei entlang der Grenze auf syrischer Seite eine 30 Kilometer tiefe Pufferzone einrichten wolle, in der sich keine kurdischen Kämpfer der YPG aufhalten dürften. Für die türkische Regierung ist die syrische YPG-Miliz ein Ableger der als „Terrororganisation“ eingestuften PKK. Die Bildung eines „PKK-Staates“ an der Grenze wolle man verhindern.

Erst am Sonntag hatte der türkische Verteidigungsminister Yaşarler in einer langen Pressekonferenz zu Syrien ausgeführt, dass in einem zukünftigen neuen Syrien für die bewaffnete YPG kein Platz mehr sei – und erst recht nicht für die PKK.

Jolani und der türkische Geheimdienstchef beten zusammen

Die Aussagen von Güler sind insofern ernst zu nehmen, als Ankara wohl einen erheblichen Einfluss auf die neuen Machthaber in Syrien hat. Die jetzt ­siegreiche HTS-Miliz unter Abu Muhammad al-Jolani wurde von der Türkei jahrelang unterstützt.

Ende letzter Woche besuchte als einer der ersten hochrangigen ausländischen Ent­scheidungsträger der Chef des türkischen Geheimdienstes MIT, İbrahim Kalın, Damaskus. Jolani und er wurden bei einer gemeinsamen Fahrt im Jeep gefilmt, anschließend beteten sie zusammen in der Umayyaden-Moschee in der Altstadt von Damaskus.

Kalın war jahrelang Erdoğans wichtigster außenpolitischer Berater, bevor er mit dem ­jetzigen türkischen Außenminister Hakan Fidan den Job tauschte. Der war zuvor Chef des MIT. Sowohl Kalın als auch Fidan sind mit al-Jolani eng vertraut.

Nach kurdischen Angaben zieht die Türkei Truppen an der Grenze zusammen

Welche Rolle werden die US-Truppen unter Trump spielen?

Bislang schützen noch US-Truppen die syrischen Kurden, die ab 2015 gemeinsam mit der US-Armee die Terrormiliz „Islamischer Staat“ bekämpften. Rund 900 US-Soldaten sind noch im kurdischen Autonomiegebiet im Nordosten Syriens stationiert. Zur Verhinderung eines Angriffs sollen US-Soldaten nun nach Berichten in den sozialen Medien in Kobane einen Stützpunkt eingerichtet haben.

Die Zukunft der US-Truppen in Syrien ist allerdings unklar. Schon zum Ende seiner ersten Amtszeit wollte Donald Trump, bald wieder US-Präsident, die US-Truppen aus Syrien komplett abziehen. Das Pentagon überredet ihn, einen Restbestand dort zu lassen.

Auf einer Pressekonferenz äußerte sich Trump am Montag auch zu Syrien und seinem Verhältnis zu Erdoğan. Er bewundert offenbar, wie geschickt Erdoğan mit Hilfe der HTS Syrien übernommen habe. Trump ließ keinen Zweifel daran, dass er davon ausgehe, dass Erdoğan nun de facto in Syrien das Sagen hat. Und betonte, wie gut er sich mit dem türkischen Machthaber verstehe.

Hinweis: Wir haben eine Karte von Syrien ergänzt.

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3 Kommentare

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  • Zwar mögen sie kriegsmüde sein, aber sie befolgen "ihre" Interessen und die teilen nicht alle in Syrien. Und die Kurden werden jetzt nicht enfach ihre Erfolge ablegen und sich jetzt brav unterordnen.



    Meine Befürchtung: Es geht weiter. Wie es in Irak weiter ging, wie es in Libyen weiter ging und wie es in Afghanistan vorerst endete.

  • Demokratische Verhältnisse scheinen so gar nicht mehr en vogue zu sein. US-Amerikaner wählen den irrlichternden Opa ins Weiße Haus, der vor jedem Diktator buckelt, weil er selbst gerne einer wäre und europäische Politiker denken reflexartig ans nach-Hause-schicken aller Syrer... Ergebnis: Die Chancen auf Demokratie, Freiheit und bessere Verhältnisse in Syrien sind klein. Wohl eher: Willkommen im nächsten Gottesstaat...

  • Das dürfte wohl das erste Mal sein, dass ich Trumps Analyse zustimme. Würde mich nicht wundern, wenn Erdogan auch ein paar PR-Berater zur Verfügung gestellt hat. Wie man als Islamist Kreide frisst um als Demokrat zu wirken hat er ja selber vorgemacht. Und danke, dass ihr auch informative Artikel zum Thema veröffentlicht und nicht nur Herrn Johnsons HTS-Jubelarien.