Türkei mit Gesetz zu sozialen Medien: Kontrolle im Netz
Die türkische Regierung sucht besseren Zugriff auf die Opposition im Netz. Ein neues Gesetz zielt deshalb auf Twitter, Facebook und Youtube.
Das Gesetz legt fest, dass Onlineplattformen, die täglich mehr als eine Million türkische Nutzer haben, eine Niederlassung in der Türkei eröffnen und einen türkischen Repräsentanten beschäftigen müssen, der für die Plattform juristisch und steuerrechtlich verantwortlich ist. Außerdem legt das Gesetz fest, dass alle Daten türkischer Nutzer in der Türkei gespeichert werden müssen, sodass sie jederzeit für die türkische Justiz greifbar sind. Forderungen eines türkischen Gerichts nach beispielsweise Löschung von Posts oder Daten von Nutzern müssen die Plattformen innerhalb von 24 Stunden nachkommen, Beschwerden von Nutzern müssen innerhalb von 48 Stunden beantwortet werden.
Das Gesetz schreibt außerdem vor, dass die betroffenen Onlineplattformen innerhalb von 30 Tagen, nachdem das Gesetz rechtskräftig geworden ist, die Auflagen erfüllen müssen und insbesondere einen türkischen Repräsentanten ernannt haben müssen. Kommen sie dem nicht nach, soll deren Internetbandbreite um 90 Prozent gedrosselt, sodass sie in der Türkei praktisch unbrauchbar werden. Bei Verstößen gegen die anderen Auflagen drohen empfindliche Geldstrafen.
Die AKP-Abgeordnete Özlem Zengin, die die Gesetzesvorlage eingebracht hatte, sagte, man wisse um die Bedeutung der sozialen Medien und wolle sie deshalb nicht beeinträchtigen, aber die Verletzung der Persönlichkeitsrechte müsse aufhören.
Zweiter Versuch
Vor einigen Monaten hatte die Regierung bereits einmal einen Vorstoß gemacht, um die sozialen Medien besser kontrollieren zu können, war dann aber angesichts der großen Empörung unter den meist jüngeren Nutzern doch davor zurückgeschreckt. Erdoğan nutzte für den neuerlichen Versuch einen Vorfall vor drei Wochen, als seine jüngste Tochter, die mit Finanzminister Albayrak verheiratet ist, angesichts der Geburt ihres vierten Kindes im Netz beleidigt wurde, um das Gesetz wieder auf den Plan zu bringen.
Die Opposition und Netzaktivisten gehen davon aus, dass die Beleidigungen, die es im Netz natürlich gibt, nur ein vorgeschobener Grund sind, um die Kontrolle über die sozialen Medien auszuweiten. Schließlich sind diese die letzte Möglichkeit, Kritik und abweichende Meinungen in der Türkei noch zu äußern, ohne gleich verhaftet zu werden. Im Laufe der Jahre hat die Erdoğan-Regierung nahezu sämtliche Fernsehanstalten und Printmedien unter ihre direkte oder indirekte Kontrolle gebracht.
Die wenigen noch existierenden oppositionellen Zeitungen sind zumeist ökonomisch sehr schwach und haben nur eine geringe Reichweite. Ihre Redakteure und Journalisten sind permanent bedroht und stehen alle mit einem Bein im Gefängnis. Deshalb hat sich der oppositionelle Informations- und Meinungsaustausch schon seit Jahren ins Netz verlagert. Bereits jetzt kontrollieren spezialisierte Abteilungen der Polizei Twitter und Facebook, viele Anklagen basieren auf tatsächlichen oder angeblichen Tweets. Allerdings waren Twitter und Facebook für die türkische Justiz bislang schwer greifbar und konnten nicht so leicht zu einer Kooperation mit der Polizei gezwungen werden. Das wird sich jetzt ändern, falls diese Plattformen auf die Forderungen der türkischen Regierung eingehen. Weigern sie sich, werden sie nach und nach aus dem türkischen Netz verschwinden.
Erst jüngst hatte Netflix die Drehabreiten zu einer türkischen Serie abgebrochen, weil die türkische Medienaufsicht gefordert hatte, einen schwulen Charakter aus dem Drehbuch zu streichen. Netflix verzichtete auf das Projekt. So oder so wird die Meinungsfreiheit mit dem Gesetz erneut stark eingeschränkt und die Türkei isoliert sich international weiter.
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