Türkei-Besuch der Innenministerin: Faeser in heikler Mission
Die Bundesinnenministerin ist zu Besuch in der Türkei. Wird sie klare Worte zu den türkischen Luftangriffen in Syrien und Irak finden?
Die Regierung von Recep Tayyip Erdoğan hat nämlich ihr eigenes Verständnis von Terrorbekämpfung und lässt derzeit Stellungen kurdischer Milizen in Nordsyrien und im Irak bombardieren. Dort kämpfen Kurdenmilizen gegen den islamischen Staat, unterstützt von den USA. Die türkischen Angriffe sind eine direkte Reaktion auf das Bombenattentat in der Instanbuler Einkaufsstraße. Die Türkei macht dafür die kurdische Arbeiterpartei PKK und die Kurdenmiliz YPG verantwortlich und beruft sich auf ihr Recht zur Selbstverteidigung. Beide, PKK und YPG, streiten eine Beteiligung allerdings ab und werfen Erdoğan vor, einen Vorwand für die lange geplante Offensive gesucht und gefunden zu haben.
In Deutschland steigt der Druck auf Faeser sich in dieser heiklen Gemengelage zu positionieren. Die Linksfraktion im Bundestag erwartet von der Bundesregierung den türkischen „Angriffskrieg“ entschieden zu verurteilen. „Nancy Faeser muss bei ihrem Türkei-Besuch auf ein umgehendes Ende der völkerrechtswidrigen Angriffe drängen“, so Sevim Dağdelen, Linken-Obfrau im Auswärtigen Ausschuss.
Druck von Linken und Grünen-Politiker*innen
Khaled Davrisch, Vertreter der Selbstverwaltung von Nord- und Ostsyrien in Deutschland fordert Faeser dagegen auf, ihren Staatsbesuch in der Türkei sofort abzubrechen. Nach Angaben der Selbstverwaltung hätten Kampfflugzeuge und Drohnen Städte und Dörfer in der Region angegriffen und Krankenhäuser, Elektrizitäts- und Wasserwerke getroffen. Mindestens 12 Zivilisten seien bis jetzt getötet worden, darunter ein Journalist.
Das Auswärtige Amt mahnte die türksische Regierung am Montag immerhin zur Zurückhaltung „Wir fordern die Türkei auf, verhältnismäßig zu agieren und dabei das Völkerrecht zu achten“, sagte der Sprecher des Auswärtigen Amts in der Bundespressekonferenz. Dazu gehöre insbesondere, „dass Zivilistinnen und Zivilisten zu jeder Zeit geschützt werden müssen“. Berichte über mögliche zivile Opfer der türkischen Luftschläge seien extrem besorgniserregend.
Weniger diplomatisch äußerten sich die Grünen Außenpolitiker Jürgen Trittin und Max Lucks. „Wir weisen die aggressive Außenpolitik der türkischen Regierung entschieden zurück“, so die beiden Bundestagsabgeordneten in einer gemeinsamen Erklärung. Die Angriffe der türkischen Luftwaffe seien völkerrechtswidrig. „Der Verweis auf den verheerenden Bombenanschlag in Istanbul und das Recht zur Selbstverteidigung trägt nicht.“ Dass die Ergebnisse der Ermittlungen nicht abgewartet und transparent gemacht würden, lasse Zweifel an der Begründung für die Angriffe aufkommen, schreiben Trittin und Lucks.
Auch die Linken-Abgeordnete Gökay Akbulut verweist auf ein Gutachten des Wissenschaftlichen Dienstes des Bundestags vom April, in dem erhebliche Zweifel am Rechtfertigungsnarrativ der türkischen Regierung geäußert werden. Das sei völkerrechtlich nicht haltbar. Im April war das türkische Militär ebenfalls mit der Behauptung der Selbstverteidigung gegen Stellungen der Kurden in Syrien und im Irak vorgegangen.
Faeser will sich laut ihrem Ministerium am Dienstag äußern. Ein Sprecher sagte am Montag, die Innenministerin werde bei ihrem Türkei-Besuch über alle aktuellen Themen sprechen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nach dem Anschlag in Magdeburg
Rechtsextreme instrumentalisieren Gedenken
Anschlag in Magdeburg
„Eine Schockstarre, die bis jetzt anhält“
Bundestagswahl am 23. Februar
An der Wählerschaft vorbei
Erderwärmung und Donald Trump
Kipppunkt für unseren Klimaschutz
Wirbel um KI von Apple
BBC kritisiert „Apple Intelligence“
EU-Gipfel zur Ukraine-Frage
Am Horizont droht Trump – und die EU ist leider planlos