Trumps Kulturkampf gegen die Linke: Hier spricht die Antifa
Per Dekret will der US-Präsident nun gegen seine Gegner vorgehen. Eine Einordnung und Stimmen aus US-amerikanischen Antifa-Gruppen.
Die Woche nach der christlich-nationlistischen Trauerfeier für den ermordeten rechten Agitator Charlie Kirk markiert den wohl größten autoritären Generalangriff auf die politische Linke in den USA seit der McCarthy-Ära. Am Montag erklärte Präsident Donald Trump „die Antifa“ zur terroristischen Organisation, und am Donnerstag veröffentlichte das Weiße Haus ein Memorandum, in dem Justizministerium, Heimatschutzministerium und Finanzministerium angewiesen werden, gegen alle Organisationsformen vorzugehen, die politische Gewalt von links fördern oder finanzieren – und das sind nach dem Duktus des Memorandums praktisch alle, die gegen den laufenden autoritär-faschistischen Staatsumbau aufbegehren.
„Die Antifa“ zum Hauptfeind zu erklären, geht weit in Trumps erste Amtszeit zurück. Schon am Tag seiner Amtseinführung am 20. Januar 2017 hatte es in Washington DC am Rande friedlicher Proteste auch gewaltsame Ausschreitungen eines Schwarzen Blocks gegeben. Und als es nach der Ermordung George Floyds durch Polizisten im Mai 2020 zu landesweiten Protesten kam, die in einigen Städten in handfest Riots mündeten, kündigte Trump erstmals an, „die Antifa“ zur terroristischen Organisation erklären zu wollen. Im Unterschied zu heute hatte er damals ein Justizministerium, das ihm erklärte, dass „Antifa“ keine Organisation ist, sondern eine Idee, unter der sich selbstorganisierte lose Gruppen zusammenfinden – und das eine solche Einstufung ohnehin nicht einfach per Dekret getroffen werden kann.
Antifa-Gruppen gibt es, genau wie in Europa, tatsächlich auch in den USA. Als sich im August 2017 in Charlottesville im Bundesstaat Virginia unter dem Motto „Unite The Right“ rassistische, antisemitische und Neo-Nazi-Gruppen, Militias, KuKluxClan und Alt-Right aus den gesamten USA zu einer Demonstration versammelten, wurde der Grad der Vernetzung und des Aufschwungs der Rechtsextremen durch den Wahlsieg Donald Trumps deutlich. Als dann noch ein Rechtsextremer mit seinem Auto in eine Gruppe Gegendemonstrat*innen fuhr und die 32-jährige Heather Heyer tötete und Trump anschließend davon sprach „auf beiden Seiten“ in Charlottesville gebe es „very fine people“, war das für viele junge Leute ein direkter Aufruf zur antifaschistischen Organisation.
Die war in den Jahren zuvor etwas zurückgegangen. Zwar war nach dem Wahlsieg des ersten schwarzen US-Präsidenten Barack Obama 2008 laut den Beobachtungen des Southern Poverty Law Centers die Anzahl der sogenannten Hate Groups sprunghaft angestiegen. Aber zumindest die organisierte Nazi-Szene schien 2002 mit dem Tod von William Pierce, dem Begründer der größten Nazi-Vereinigung National Alliance und Autor des als Roman geschriebenen Terroraufrufs „The Turner Diaries“ an Bedeutung verloren zu haben. Pierce' „Roman“ hatte den bis heute folgenschwersten inländischen Terrorakt in den USA inspiriert, den Bombenanschlag auf das Bundesgebäude in Oklahoma City im April 1995, bei dem 168 Menschen getötet wurden. Aber das schien Geschichte.
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Spätestens mit der „Unite the Right“-Demo von Charlottesville und der impliziten Unterstützung, die rechte Gruppierungen wie „Proud Boys“ oder „Oath Keepers“ durch Trump erhielten, änderte sich der Fokus. Praktischer Antifaschismus, der Strukturen und Akteure identifiziert und ihnen das Leben schwer macht, wurde wieder wichtiger, neue Antifa-Gruppen entstanden.
Aber wie in Europa auch ist es konservativer Medienberichterstattung gelungen, ein Bild von „Antifa“ zu zeichnen, das mit Schutz bedrohter Menschen nichts, mit Straßengewalt hingegen alles zu tun hat. Die losen Strukturen, in denen Antifagruppen organisiert sind, will Trump jetzt zum Generalangriff auf alle nutzen, die eben vielleicht auch „Antifa“ sein könnten. Es wird an der Gesellschaft bis weit in politische Mitte liegen, jetzt solidarisch zusammenzustehen.
Colorado Springs Anti-Fascists, Colorado
Trumps Einstufung der Antifa als terroristische Organisation ist vor allem Propaganda für seine Anhängerschaft. Denn die hat einiges an Vertrauen in ihn verloren, nachdem er sich öffentlich von vielen distanzierte, die mit seinem alten Freund Jeffrey Epstein verbandelt sind.
Rechtlich erlaubt Trumps Dekret keine neuen Befugnisse für die Polizei. Sie soll die Antifa einfach noch stärker ins Visier nehmen. Was das in der Praxis heißt, ist schwer zu sagen. Aber die Absicht ist, die amerikanische Linke insgesamt immer weiter zu unterdrücken. Für die amerikanische Rechte ist jeder, der auch nur ansatzweise links oder progressiv ist, Antifa. Deshalb wissen wir nicht, liegt der Fokus auf sogenannten Antifa-Gruppen wie unserer? Oder eher auf bekannteren Gruppen und Netzwerken der Linken, die sich öffentlichkeitswirksam gegen ICE-Razzien oder für die Beendigung des Völkermords in Gaza einsetzen? Das wird nur die Zeit zeigen.
Ich bin aktiv geworden, nachdem Heather Heyer 2017 in Charlottesville, bei einer großen Mobilisierung von White Supremacists namens „Unite The Right“ ermordet wurde. Viele der Gruppen, die damals dabei waren, haben in Colorado gestickert und Veranstaltungen organisiert. Ich habe ihre Aufkleber entfernt und die Mitglieder identifiziert. Darüber bin mit anderen lokalen Antifaschist*innen in Kontakt gekommen und habe mich den Colorado Springs Anti-Fascists angeschlossen. Wir setzen alles daran, anonym zu bleiben. Nur so können wir uns trotz der Repressionen sicher genug fühlen, um weiterzumachen.
Wir haben eine Reihe Nazis zu enttarnen, und Trumps Dekret wird uns dabei nicht stoppen. Aber wir sind dabei unsere Taktik anzupassen. Das Land bewegt sich immer weiter nach rechts. Wenn wir in der Vergangenheit einen White Supremacist als Mitglied einer Neonaziorganisation entlarvt haben, dann hat das zu sozialen Konsequenzen wie dem Verlust des Arbeitsplatzes, dem Rausschmiss aus Vereinen und vielem mehr geführt. Heute sind solche negativen Konsequenzen seltener. Es erfordert mehr Aufwand, um sie zu erreichen. Deshalb arbeiten wir daran, effektivere Druckkampagnen aufzubauen. Sam, 27 Jahre
Antifascists 615, Nashville, Tennessee
Antifascists 615 wurde ursprünglich als Reaktion auf die erste Trump-Regierung im Jahr 2016 gegründet und um sich gegen den Aufstieg der damaligen „Alt-Right“-Bewegung in den Vereinigten Staaten zu wehren.
Wir sind jetzt seit fast einem Jahrzehnt aktiv, haben hier und da unser Image geändert, aber nie aufgehört, auf die Straße zu gehen. Erst 2024 geriet die Lage hier in Nashville außer Kontrolle. Mehrere neofaschistische Gruppen organisierten Demos und griffen unsere Leute an, manchmal im Abstand von nur wenigen Wochen.
Rechtlich gesehen haben wir einen Beistand und auch juristische Hilfe in Bereitschaft, für den Fall, dass es zu schwereren Repressionen kommt. Trump hat schon im Laufe der Jahre, gerade nach dem Tod von George Floyd 2020, harte repressive Maßnahmen gegen Demonstrierende ergriffen. Für uns ist es also einfach die zweite Runde.
Wir müssen bei Protesten auf der Straße sehr aufmerksam sein und kritisch darüber nachdenken, wie wir unsere Arbeit fortsetzen, jetzt nach der Ermordung von Charlie Kirk, die die Faschisten für ihre Rekrutierung und Mobilisierung instrumentalisieren.
Screwston Anti-fascist Committee, Houston, Texas
Dieses Dekret kommt zwar jetzt zu einem Zeitpunkt, an dem die politischen Spannungen in unserem Land zugenommen haben. Es ist aber wichtig zu wissen, dass es nicht das erste Mal ist, dass Trump die „Antifa“ als „terroristische Vereinigung“ bezeichnet hat. Schon im Mai 2020 hat er eine solche Erklärung abgegeben, wenn auch über Twitter.
Die Verordnung an sich hat nicht unbedingt eine Bedeutung. Es ist eher ein Zugeständnis an Trumps Anhänger*innenschaft. Wir müssen uns jedoch auf eine verstärkte Überwachung von Antifaschist*innen einstellen.
Die vage Formulierung des Dekrets sowie die allgemeine Bezeichnung der Opposition als „Antifa“ sind besorgniserregend. Sie dienen Trump und seinen Beamt*innen als Vorwand, jede Opposition gegen sein Regime strafrechtlich zu verfolgen.
Wir beobachten eine zunehmende Unterdrückung von Protestbewegungen in diesem Land. Vor einigen Monaten wurden Radikale Linke im Norden von Texas, nach einer Lärmdemonstration vor einer ICE-Einrichtung, also einer Migrationsbehörde, mit einer Reihe von Anklagen konfrontiert. In den darauf folgenden Wochen wurden Familienangehörige und Freund*innen der Demonstrierenden von Strafverfolgungsbehörden und dem FBI schikaniert. Einige wurden wegen „Behinderung der Justiz“ angeklagt.
All das und die Verurteilung von Casey Goonan zu 20 Jahren Haft sind Beispiele dafür, wie die Regierung versucht, Befreiungsbewegungen zu unterdrücken. Wir haben unterschiedliche Beweggründe, Antifaschist*innen zu sein. Einige von uns gehören zu marginalisierten Gruppen, die Ziel von Gewalt durch White Supremacists sind. Andere sind selbst weiße Menschen, die sich gegen die White Supremacy (dt. weiße Vorherrschaft), die sie erlebt haben, auflehnen. Wir alle teilen die ernsthafte Sorge über eine zunehmende Organisierung von Faschist*innen in diesem Land und wollen dagegen mobilisieren.
Faschist*innen werden unermüdlich eine Bewegung organisieren, die Millionen von Menschen schaden wird. Wir müssen vorbereitet sein, um dieser Bedrohung entgegentreten zu können, wo immer sie auftritt. Wie bisher werden wir uns gegen White Supremacy und für die Verteidigung unserer Gemeinschaften organisieren. Wir lassen uns von den Erklärungen eines narzisstischen Autoritären nicht einschüchtern. Wir werden weiterhin gegen die wachsende Bedrohung durch den Faschismus kämpfen. Unser Leben und unser Wohlergehen sind in Gefahr. Unabhängig davon, ob wir uns organisieren oder nicht.
„Nichts ist wichtiger, als den Faschismus zu stoppen, denn der Faschismus wird uns alle stoppen.“ (Fred Hampton)
Late Night Anti-Fascists
Für uns ist Trumps Verbot von „Antifa“ ein pauschaler Vorwand, der als Waffe eingesetzt werden kann, um Menschen ihre Rechte zu entziehen. Antifa, kurz für Antifaschismus, ist keine Organisation, sondern eine dezentrale Bewegung. Sie hat keine Anführer und keine Struktur und ist eher eine Ideologie. In den letzten Jahren ist es der extremen Rechten gelungen, das Narrativ von „Antifa“ als Feindbild zu etablieren – denn für Faschisten ist sie ein Feind. Und auch wenn es gelegentlich militante Proteste gegen rechtsextreme Akteure gab, besteht die Arbeit der Aktivist*innen meist aus friedlicher Gemeinschaftsorganisation/Mobilisierung, Aufklärung oder Forschung.
Dass Trump die „Antifa“ als „inländische Terrororganisation“ bezeichnet, wirft zahlreiche rechtliche Fragen auf. Am besorgniserregendsten ist, dass dieses Label pauschal für alle Proteste gegen die Einwanderungsbehörde ICE oder die Regierung Trump verwendet werden könnte. Die Menschen haben das Recht, sich zu versammeln. Die Menschen haben das Recht, ihre Meinung zu sagen. Aber diese Regierung respektiert weder das Gesetz noch die Rechte der Menschen.
Nachdem wir immer wieder beobachtet hatten, wie Hass sich vom Internet auf die reale Welt ausbreitet, haben wir uns an Recherchen beteiligt, die rechtsextreme Personen im Internet enttarnen. Wir wollten etwas dagegen unternehmen, weil die Radikalisierung der Rechtsextremen immer wieder zu Massenerschießungen führte. Wie bei der großen Mobilisierung „Unite the Right“. Wir halten es für wichtig, unsere Gemeinschaften vor den Menschen zu warnen, die diesen Schaden anrichten. All die Neonazi-Propaganda-Accounts werden von Menschen mit Namen und Gesichtern betrieben. Worte sind wichtig, denn Ideen manifestieren sich in Taten. Wenn diese Ideen darin bestehen, „Minderheiten loszuwerden“, wird das in der realen Welt so passieren. Es geschieht bereits. Die Lage eskaliert schnell.
Zum jetzigen Zeitpunkt ist nicht klar, wie effektiv es überhaupt noch ist, kleinere Akteure zu entlarven. Die Social-Media-Landschaft ist so sehr mit Hass übersät, dass das Anprangern eines Einzelnen nur ein Tropfen auf den heißen Stein ist. Wir planen, uns weiterhin friedlich zu engagieren, aber wir sind noch dabei, uns neu zu orientieren und den sichersten Weg dafür zu finden. Wir geben nicht auf. Wir brauchen Menschen, die sich dem Kampf anschließen, bevor sie als nächstes dran sind. Denn hier wird es nicht aufhören.
Conejo Valley Antifaschists, Conejo Valley, Kalifornien
Trumps Antifa-Verbot ist bedeutungslos. Man kann Menschen nicht verbieten, gegen Faschismus zu sein. MAGA-Faschisten werden versuchen, das Dekret zu nutzen, um die Regierung als Waffe gegen Gedanken- und Meinungsfreiheit einzusetzen. Doch das wird den Antifaschismus nicht stoppen.
Literatur und Punkrock haben meinen persönlichen Aktivismus in meinen frühen Teenagerjahren inspiriert. Aber wir alle haben unterschiedliche Geschichten darüber, warum wir diese Arbeit machen.
Und wie geht es jetzt weiter? Wir werden den Faschismus weiter bekämpfen, weil wir keine Wahl haben. Wir wählen Faschismus und Leid oder Freiheit und Gerechtigkeit. Es ist eine ziemlich einfache Entscheidung. Leon
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