piwik no script img

Truckerproteste in Ottawa aufgelöstImpfgegner-Trucks sind weg

Kanadas Polizei löst die Protestblockaden in der Hauptstadt Ottawa auf. 170 Personen werden festgenommen, darunter drei der An­füh­re­r*in­nen.

Wollten lange bleiben: Protestierende im Zentrum von Kanadas Hauptstadt Ottawa Foto: dpa

Berlin taz | Drei Wochen nach ihrem Beginn hat die kanadische Polizei die Protestblockaden gegen die Coronamaßnahmen in der Hauptstadt Ottawa beendet. Seit Freitag waren mehrere Hundertschaften aus ganz Kanada zusammengezogener Polizeieinheiten gegen die Demonstrierenden und ihre Lkws vorgegangen, die das Parlamentsviertel blockiert hatten.

170 Demonstrierende wurden am Freitag und Samstag festgenommen, teilte die Polizei mit, darunter bereits am Freitag auch die Anführerin des Protests, Tamara Lich. Sie verhandelte am Wochenende über eine Freilassung gegen Kaution.

Auch Chris Barber, ein weiterer Anführer des sogenannten Freedom Convoys, wurde festgenommen. Er befindet sich inzwischen gegen Kaution wieder auf freiem Fuß unter der Auflage, sich nicht erneut an den Protesten zu beteiligen. Ihm wird Unruhestiftung, Aufruf zur Missachtung gerichtlicher Anordnungen und Behinderung der Polizei vorgeworfen. Die Staatsanwaltschaft dürfte nach Einschätzung kanadischer Medien eine Freiheitsstrafe von bis zu zwei Jahren für ihn beantragen.

Bereits in der vergangenen Woche hatte die Polizei die ­Trucker darauf hingewiesen, dass sie Festnahme und strafrechtliche Konsequenzen riskierten, wenn sie jetzt nicht wegführen. Polizisten verteilten Flugblätter mit dieser Aufforderung an alle Truckerfahrer im Blockadecamp. In wie vielen Fällen die Staatsanwaltschaft tatsächlich Anklage erheben wird, war zunächst nicht bekannt. Sofern der Vorwurf auf Unruhestiftung lauten sollte, drohen bei Verurteilung theoretisch bis zu zehn Jahre Haft.

Konten wurden eingefroren

Nur vereinzelt kam es zu gewaltsamer Gegenwehr der Trucker und ihrer Unterstützer*innen. Die meisten gingen entweder freiwillig oder leisteten passiven Widerstand und ließen sich festnehmen. Wo sich größere Mengen von Menschen der Polizei entgegenstellten, wurden Pfefferspray, Schlagstöcke und berittene Polizei eingesetzt. In einigen Fällen wurden Waffen gefunden. Gegen die betreffenden Personen wird gesondert ermittelt.

Die Polizei riegelte alle Zugänge zum Regierungsviertel ab und ließ nur noch Anwohner*innen, die sich entsprechend ausweisen mussten, in die Zone hinein. Wie es die Regierung von Premierminister Justin Trudeau in der vergangenen Woche angekündigt hatte, als sie die Anwendung der Notstandsgesetze zur Beendigung der Blockade verkündete hatte, ging sie nicht nur auf der Straße gegen die Protestierenden vor. Über 100 Konten wurden eingefroren, Versicherungen für Lkw, die nicht weggefahren wurden, sind beendet worden.

Solidarität von deutschen Querdenkern

Während der Protest in der Hauptstadt mit diesem Wochenende vorüber sein dürfte, wird die Bewegung, die den „Convoy“ getragen hat, vermutlich weiter aktiv bleiben – auch wenn Kanadas Sicherheitskräfte kaum erneut zulassen werden, dass Hunderte Lkw irgendwo eine Innenstadt oder eine Grenzbrücke blockieren.

Solidaritätsbekundungen erhielten die Protestierenden auch von ähnlichen Bewegungen aus anderen Teilen der Welt. Der deutsche Anwalt und „Querdenken“-Organisator Markus Haintz etwa schrieb auf Twitter: „Es gibt Massenverhaftungen in #Ottawa. Wie praktisch, dass man die Öffentlichkeit mit der Ukraine ablenken kann, während die kanadische #Diktatur errichtet wird.“ Auch aus den USA erhielten die Protestierenden Unterstützung per Geldspende, aber auch publizistisch – etwa vom Fernsehmoderator Tucker Carlson auf Fox News.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

6 Kommentare

 / 
  • www.ctvnews.ca/pol...e-expert-1.5776170

    Die kanadische Finanzaufsichtsbehörde hat keine Geldströme aus dem terroristischen Spektrum festgestellt. Zitat:

    “Crowdfunding sites are not a regulated business sector under the act. However, when these sites transit with or through businesses subject to the Proceeds of Crime and Terrorist Financing Act, these financial transactions would be covered,” MacKillop said.

    Worin genau besteht also die legale Grundlage der kanadischen Regierung, ein Gesetz auszurufen, dass für den Fall konzipiert ist, dass Kanada in seinen Grundfesten bedroht ist? Ich denke niemand würde der Ukraine heute vorwerfen können, solch ein Gesetz auszurufen, mit einer hinreichend großen Invasionsarmee an der Landesgrenze. Es ist aber eine vollkommen andere Situation, den zivilen Ungehorsam einer Demonstration zu beenden. Die Blockade der Ambassador Bridge konnte noch vor dem Ausrufen des Notstandes ohne ausschreitungen aufgelöst werden. Warum also werden die Demonstrationen in Ottawa nicht ebenfalls mit den herkömmlichen Mitteln der Staatsgewalt beendet werden? Ist der kanadische Staat etwa zu schwach dafür? Wenn es das nicht ist, was sind dann die wahren Beweggründe?

    Ich halte diese kanadische Situation für ausgesprochen bedenklich und ebenso, dass sie kaum gehör in den hiesigen Medien findet. Der Autor hat die situation recht neutral beschrieben, vor ihm ziehe ich meinen virtuellen Hut, wegen solcher Artikel lese die taz.

    Eine sache noch: Die Proteste haben mehr als zwei wochen gedauert. Während ich mit den Bewohnern Ottawas mitfühle, denen das ganze Hupen am Anfang, bevor es verboten wurde, bestimmt sehr auf die Nerven gehen musste, muss mir jemand eine andere Demonstration der letzten Jahre zeigen, die so groß war, so lange angedauert hat und gleichzeitig beinahe keine aggressiven Ausschreitungen zeigte, sondern voll Kollegialität war.

  • Festgenommen wurden laut Untertitel "drei der An­füh­re­r*in­nen".

    Früher sagte man "Rädelsführer" dazu und das wurde auch nicht gegendert, weil früher bei solchen Aktionen normalerweise keine Frauen dabei waren.



    Zuerst dachte ich, dass wahrscheinlich auch jetzt kaum Frauen dabei sind, denn nach Schätzungen der Women’s Trucking Federation of Canada sind nur drei Prozent der kanadischen Trucker Frauen.



    www.crossroadsbarr...rucking-in-canada/

    Aber Pustekuchen, gleich die erste verhaftete Rädelsführerin war eine Frau (Tamara L.).



    www.bbc.com/news/w...us-canada-60420470

    Gendern ist also angemessener, als ich dachte.

  • 8G
    83191 (Profil gelöscht)

    Nur eine kleine Erinnerung.. Notstandsgesetze hat es in Deutschland zuletzt in der Nazi Ära gegeben. Die gelten für mich als eine Bankrott-Erklärung einer Demokratie und allenfalls in einem Kriegszustand für das geeignete Mittel.

    Trudeau hat offensichtlich Angst vor einem Bürgerkrieg.

    Wenn die Polizei mit solchen Methoden gegen die Gegendemonstranten am 13. Februar vorgegangen wäre, wäre das sicherlich hier anders kommentiert wurden.

    Aber sind ja nur Corona-Maßnahmen-Gegner...

    • @83191 (Profil gelöscht):

      Die querdenkenden Trucker in Kanada wurden mit einer Engelsgeduld gebeten, ihre illegalen Blockaden zu beenden. Die Polizei hat sich sogar die Mühe gemacht, freundlich mit Infozetteln auf die möglichen Folgen hinzuweisen. Keine Reaktion.

      Und Ihrem Holzhirn entspringt der Gedanke an die dunkelste deutsche Geschichte und schon schwingt der Nazihammer - aber nicht etwa in Richtung der von Nazis finanzierten Protestler sondern gegen die kanadische Regierung.

      Hm, ...

      • 8G
        83191 (Profil gelöscht)
        @Sciaridae:

        Das Problem ist, dass Sie scheinbar zwischen Blockaden von Corona-Maßnahmen-Kritikern und denen von z.B. "der Letzten Generation" oder dem Bündnis "Dresden Nazifrei" trennen.

        Das heißt, je nach Übereinstimmung ihrer Meinung mit den Protestierenden bzw. der Zielsetzung der Blockade oder Demonstration, empfinden Sie polizeiliche Maßnahmen als gerechtfertigt oder eben nicht gerechtfertigt.

        Und diese Trennung führe ich nicht durch. Was für eine Antifa-Gegendemo oder die Autobahnblockaden gilt und gefordert wird, gilt auch für die der Maßnahmen-Kritiker.