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Tierversuche trotz VerbotKaninchen leiden für Kosmetika

In der EU dürfen für die Schönheit keine Tierversuche mehr durchgeführt werden. Über Experimente wurden mehr als 60 Substanzen dennoch so zugelassen.

Kaninchen im Stall, noch nichts ahnend Foto: Frank Sorge/imago

Berlin taz | Obwohl die EU Tierversuche für Kosmetika verboten hat, finden solche Experimente etwa an Kaninchen oder Mäusen immer noch statt. Ende Dezember waren bei der EU-Chemikalienbehörde (ECHA) 63 Substanzen ausschließlich für Mittel zur Schönheitspflege registriert auf der Grundlage von Tierversuchen, und zwar aus der Zeit, nachdem das Verbot in Kraft getreten war.

Das geht aus einer neuen Studie des Center for Alternatives to Animal Testing hervor, eines Instituts der Johns Hopkins School of Hygiene and Public Health in den USA. VerbraucherInnen „könnten nicht mehr darauf vertrauen, dass die von ihnen gekauften Kosmetikprodukte nicht an Tieren getestet wurden“, schreiben die WissenschaftlerInnen, darunter ein Mitarbeiter des Chemiekonzerns Clariant.

Tieren Schmerzen auszusetzen oder sie zu töten, um die Verträglichkeit und Sicherheit von Kosmetika zu testen, ist viel umstrittener als Experimente etwa für Medikamente. Denn Letztere dienen der Gesundheit, auf Schönheitspflegemittel dagegen lässt sich viel leichter verzichten.

Deshalb untersagte die EU in ihrer Verordnung über kosmetische Mittel, ab 2009 mithilfe von Tierversuchen zu testen, ob solche Produkte Haut und Augen reizen. Seit 2013 sind die Tests auch verboten, um mögliche Langzeitschäden zu ermitteln.

Zahl der Tierversuche nach 2009 gesunken

Deshalb sei die Zahl der Tierversuche für Kosmetika nach 2009 „steil gefallen“, so die ForscherInnen. Trotzdem fanden sie in der ECHA-Datenbank 104 Tierversuche etwa für Hautpflegecremes, Haarfärbemittel und Parfüms. Die Ursache sei in den meisten Fällen ein anderes EU-Gesetz: die Verordnung zur Registrierung, Bewertung, Zulassung und Beschränkung chemischer Stoffe (REACH).

In der Datenbank fanden sich 104 Tierversuche etwa für Haarfärbemittel und Parfüms

Sie verpflichtet HerstellerInnen oder HändlerInnen dazu, die Sicherheit aller in nennenswerten Mengen verkauften Chemikalien nachzuweisen – zuweilen eben auch durch Tierversuche. „Und das wird wahrscheinlich weitergehen, weil die ECHA weiterhin REACH-Registrierungsanträge bearbeitet“, prognostizieren die WissenschaftlerInnen.

Die EU-Kommission teilte der taz mit, das Verbot aus der Kosmetikaverordnung betreffe nicht die Tests, die REACH für die Auswirkungen auf die Umwelt und die Sicherheit von ArbeiterInnen der Hersteller verlange. Deshalb sehe die Kommission auch keinen Widerspruch zwischen den beiden Regelungen.

Chemiekonzern zu Tierversuchen verpflichtet

Zudem würden nur in „sehr wenigen Fällen“ Tests an Wirbeltieren verlangt. Die ersten seit 2013 seien die beiden Fälle, in denen die ECHA den deutschen Chemiekonzern Symrise zu Tierversuchen verpflichtete. Dagegen klagt er derzeit vor dem Gericht der Europäischen Union.

Der Industrieverband Cosmetics Europe schrieb der taz in einer Stellungnahme zu der Studie, die „Schnittstelle“ der Verordnung zu Kosmetik mit der über Chemikalien stelle „Herausforderungen dar“. Man fordere die ECHA auf, „immer den Einsatz von Methoden ohne Tierversuche zu erwägen“.

„Es ist ein Unding, dass uns Verbrauchern seit 2013 suggeriert wird, in der EU erhältliche Kosmetika seien frei von Tierversuchen. Dies ist nicht der Fall“, sagte Sabrina Engel, Biotechnologin der Tierrechtsorganisation Peta. „Das massive Tierleid, das mit der EU-Kosmetikverordnung eigentlich schon seit 2013 der Vergangenheit angehören müsste, muss endlich gestoppt werden.“

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