Trotz Corona-Ausbruch: Ischgl bleibt authentisch
Vom Tiroler Skiparadies aus eroberte Corona halb Europa. Vor Ort hielt man dicht – auf dass die Party niemals ende.
W ährend des Winters ist die Gaudi in Ischgl zu Hause. Im Norden Tirols ist man lustig und fidel. Oder man wird es schnell, denn weit muss man nicht fahren im riesigen Skigebiet der Silvretta Arena, will man der Laune mit Alkohol auf die Sprünge helfen. Die hohen Gipfel grüßen aus dem Engadin und machen sich gut als Hintergrund auf Instagram. Es muss ja keiner wissen, dass man seinen Skipass nicht so richtig ausfährt. Mit dem Jagatee in der Hand kann man von der Terrasse der Bergraststätte Höllboden aus die Könner sehen, die sich die schwarze Piste von der Greitspitze in das Höllkar hinunterstürzen, als gäbe es kein Morgen.
Allein ist man nie in Ischgl. Mehr als 10.000 Übernachtungsbetten hat der Ort – mit Lounge, Bar, Spa und allem Drum und Dran. Einen sozialeren Ort wird man sich kaum denken können. Ganz nah kann man sich kommen in den großen Lokalen, wo abends nach dem Skifahren das Stehvermögen ein weiteres Mal auf die Probe gestellt wird. Am Ballermann der Alpen bekommt Respekt, wer nicht mehr grade gehen kann, weil er zu viel gesoffen hat. Hier ist noch Held, wer viel verträgt. Und der Mann, der zur Partymusik irgendeiner Frau so nahe kommt, dass man es anderswo, und das zu Recht, wohl als Verbrechen bezeichnen würde, muss keine Angst haben, belangt zu werden in dieser Perle der Alpen.
Und wer jetzt sagt, das sei doch alles nicht mehr schön, das seien nicht die echten Aplen und Ischgl sei alles andere als original tirolerisch, der wird gerade eines Besseren belehrt. Von Ischgl aus erobert dieses Virus halb Europa. Ischgl wird zum Hotspot von Corona. Und eine Woche lang passiert rein gar nichts in dem Ort. Die Lifte laufen und die Partys sowieso. Keiner meldet oder tut gar was. Alle halten dicht im Ort, auf dass die Feier niemals ende.
Ischgl ist geblieben, was es immer war – ein aplenländisches Bergbauernkaff. Dort halten die Menschen noch zusammen gegen den Rest der Welt. Und wenn die Welt verreckt, Ischgl ist authentisch.
Und jetzt, nachdem der Ort geschlossen hat, sagt der Bürgermeister, er glaube nicht, dass Corona dem Image von Ischgl geschadet hat. Recht hat er. Diesem Image konnte schon lange nichts mehr schaden. Darauf einen Jagatee!
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Exklusiv: RAF-Verdächtiger Garweg
Meldung aus dem Untergrund
Keine Konsequenzen für Rechtsbruch
Vor dem Gesetz sind Vermieter gleicher
Kretschmer als MP von Linkes Gnaden
Neuwahlen hätten der Demokratie weniger geschadet
Fragestunde mit Wladimir Putin
Ein Krieg aus Langeweile?
Wahlprogramm von CDU und CSU
Der Zeitgeist als Wählerklient
Anschlag in Magdeburg
Auto rast in eine Menschenmenge auf dem Weihnachtsmarkt