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Trotz Angst vor Übergriffen auf ViehNaturschützer stoppen Wolfabschuss

Weil die Grüne Liga Widerspruch eingelegt hat, verzichtet Sachsen vorläufig darauf, eines der Raubtiere aus wirtschaftlichen Gründen zu töten.

Frisst auch gern Schafsfleisch: junger Wolf Foto: dpa

Berlin taz | Das Landratsamt Bautzen hat die deutschlandweit erste Erlaubnis außer Vollzug gesetzt, einen Wolf aus Angst vor Übergriffen auf Vieh zu töten. Das schreibt die Behörde dem Verwaltungsgericht Dresden in einem Fax vom Freitag, das der taz vorliegt. Eine Sprecherin des Gerichts bestätigte die Angaben.

Das Amt wolle nun warten, bis das Gericht über einen Eilantrag der Umweltorganisation Grüne Liga gegen seine Abschussgenehmigung entscheidet. Damit sei in einigen Wochen zu rechnen, sagte Andreas Lukas, Anwalt des Verbands. Das Landratsamt war zunächst nicht für eine Stellungnahme zu erreichen.

Die Wölfe sind im Jahr 2000 dauerhaft nach Deutschland zurückgekehrt. Seitdem wächst der Bestand der nun streng geschützten Art. Auch die Zahl der von Wölfen gerissenen Nutztiere steigt. Viele Bauern sehen dadurch die vergleichsweise tier- und naturfreundliche Viehhaltung auf der Weide gefährdet. Zudem nehmen Sorgen zu, dass Wölfe Menschen gefährden könnten.

Das sächsische Umweltministerium stimmte der Bautzener Abschuss-Genehmigung am 27. Oktober zu, weil das „Rosenthaler Rudel“ seit 2013 rund 200 Schafe und Ziegen getötet habe. In den meisten Fällen habe nicht nachgewiesen werden können, dass die betroffenen Herden wie empfohlen durch einen Elektrozaun mit Flatterband oder durch speziell ausgebildete Hunde geschützt waren. Bei zwei Übergriffen am 22. Oktober sei dies aber anders gewesen. In dieser Nacht kamen mehr als ein Dutzend Schafe ums Leben.

Wölfe im Gebiet des Rudels hätten gelernt, die Schutzmaßnahmen zu umgehen. Möglicherweise versetzen die Raubtiere die Schafe auf einer Koppel so stark in Panik, dass diese die Zäune von innen niedertreten. Oder die Wölfe überwinden den Schutz selbst.

„Wirtschaftlicher Schaden“

„Infolgedessen droht ein durch zumutbare Maßnahmen nicht mehr verlässlich eingrenzbarer wirtschaftlicher Schaden“, argumentiert das Umweltministerium. Zudem gefährde die Tötung eines Wolfes nicht die Population der Art. Allein in Sachsen seien 14 Rudel und vier territoriale Wolfspaare sicher bestätigt.

Nach der Ausnahmegenehmigung des Landkreises sollte bis 30. November in der Gemeinde Ralbitz-Rosenthal ein Wolf geschossen werden dürfen, wenn er eine Herde angreift oder sich in deren Nähe außerhalb des Waldes befindet. „Sollten nach dem Abschuss eines Wolfes weitere Angriffe auf entsprechend gesicherte Weidetiere erfolgen, können weitere Entnahmen genehmigt werden“, so das Ministerium.

Die Grüne Liga hält den Plan aber für unvereinbar mit dem europäischen Naturschutzrecht. Schließlich gebe es Alternativen. Der Wolf könne vergrämt oder der Schutz verbessert werden. Die Anwälte des Verbands sprechen von einem Präzedenzfall. Frühere Abschussgenehmigungen seien immer mit einer Gefahr für Menschen begründet worden.

Das Umweltministerium kontert, man könne einem Wolf das Töten von Nutztieren nicht abgewöhnen, indem man ihn etwa mit Gummikugeln beschießt oder durch Knallkörper abschreckt. „Es ist unrealistisch, den Wolf bei jedem Versuch, ein Nutztier zu töten, zu bestrafen und zu erreichen, dass dieser den negativen Reiz nicht mit der Anwesenheit von Menschen, sondern mit dem Akt des Tötens von Nutztieren verbindet“, schreibt die Behörde.

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13 Kommentare

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  • Pocken- und Polio- und andere Krankheitserreger dürfen ausgerottet werden, ohne dass ihnen jemand nachtrauert, ebenso Filzläuse, Kakerlaken, Mäuse, Ratten.

     

    Aber beim Wolf machen irgendwelche Naturromantiker ein Riesentheater, wobei gerissene Nutztiere und die mögliche Gefährdung auch von Menschen nicht die geringste Rolle spielen. Warum eigentlich?

     

    Dieser Speziesismus, d.h. die Diskrimierung (oder, im Fall des Wolfs, Bevorzugung) aufgrund der Artzugehörigkeit ist problematisch. Wölfe haben außerhalb von Tierschutzgebieten, ebenso wie Pockenerreger außerhalb von Labors, nichts zu suchen. Schießt sie ab!

  • Als Zyniker kommt mir der Gedanke das die Wiederansiedlung des Wolfs in Berliner Grünanlagen auch eine gute Idee wäre...

  • Die ganze Misere liegt hier offen zu Tage. Den Wolf erziehen? Das ist es ja genau was man nicht will. Der Wolf wird sich aber selbst erziehen (sprich anpassen) müssen, weil er hier keine „natürliche“ Umgebung mehr vorfindet, in der er wolfsgerecht Leben kann. Wir können hier schlicht keine „natürlichen“ Wölfe mehr haben, sondern nur verhaltensangepasste, sprich verhaltensgestörte. Verhaltensgestörte Wölfe sind solche mit nicht mehr naturgemäßen Instinkten. Sie werden partielle Kulturfolger, aber zahm werden sie nicht. Wenn der Populationsdruck weiter steigt, die Ansiedelung also „erfolgreich“ ist, dann wird es zwangsweise auch zu Angriffen auf Menschen kommen. Nicht weil der Wolf böse ist, sondern weil wir dumm sind. Wir sind dumm weil wir in eine von uns inzwischen völlig kontrollierte Kulturlandschaft einen „natürlichen“ Faktor mit einem Raubtier einbringen wollen. So wenig die USA wieder great gemacht werden können mit einer (geistigen) Rückkehr in die idealisierten und romantisierten 50er Jahre, so wenig kann man bei uns wieder „natürlichkeit“ herstellen mit dem idealisierten und romantisierten Wolfs-Bioengineering mit dem man die Zustände von 1850 wieder herstellen will. Das bringt den Wölfen nichts, das bringt uns nichts. Was soll denn das Endgame hier sein? 10x Soviele Wölfe? 100x? Und dann? Wieder abschießen? Auf Freilandhaltung von Nutztieren verzichten? Das ist doch alles komplett idealisierter Humbug von Tierschützern die selbst verhaltensgestört sind, weil sie politische menschliche Konzepte an Tieren verwirklicht sehen wollen. Das ist kein Tierschutz, das ist Tierschützerschutz. Geistige Onanie um verdrängen zu können, dass „natürlichkeit“ in Industrieländern weg ist und nicht wiederkommen kann. Was wir haben sind kontrollierte Kulturlandschaften, und daran wird sich nichts mehr ändern. Und in diese passt kein Wolf, der sich verhalten kann wie ein Wolf. Das wird nichts als ein Dauerkonflikt, in dem dann auch immer mehr Menschen gefährdet werden.

    • @hup:

      Es geht doch weiter bei Bäumen, die nicht mehr gefällt werden und dann bei jeder Gelegenheit auf Straßen, Bahngleise, Häuser und Menschen fallen. Obwohl Deutschland extrem Baum-und waldreich ist, ist das Fällen und Auslichten von Baumwuchs extrem reglementiert. Dieser extreme Naturschutz wird irgendwann abgeschafft werden... von Menschen die es leid sind.

    • @hup:

      Das anpassen des wildes an die umgebungsbedingen ist gerade die Stärke sozialer Tiere. Daher ist gerade die Anpassung das natürlichste Verhalten überhaupt.

      • @Demokrat:

        Ein aus der Mülltonne fressender, Menschen angreifender Wolf, der nachts durch die Förfer streunt und keine Scheu mehr kennt ist für Sie der natürlichst mögliche Wolf? Vermutlich noch von Deppen angefüttert im Winter, wegen "Mitleid mit dem armen Tier".

        Das ist genau das was ich mit naivem Gutwolfstum und falsch verstandener Tierliebe meine. Was daraus wird wenn Kulturfolger sich "anpassen" kann man sich in den USA ansehen: Waschbärenplage, Hyenen die sich AHustiere aus dem Vorgarten schnappen und ab und an kommt der Bär vorbei um nach der Müll-Mahlzeit im swimming Pool hinter dem Haus zu schwimmen. Lustig? Nur wenn man dem Tier nicht life begegenet, sondern das in der Zeitung liest.

        Was wir den Wölfen mit der falschen Schonung antun ist absolut zynisch. Dort wo es geht (in großen Natuerschutzgebieten, vor allem in Osteuropa) soll man das Tier sich entwickeln lassen. In Deutschland ist das nur dumm und grausam gegenüber den Wölfen (von den gerissenen wehrlosen Nutz- und Haustieren ganz abgesehen).

  • Warum aufregen wenn ein Wolf ein paar Tiere der "Massentierhalter" von ihrem Leiden auf den Höfen erlöst.

    Diskussion kommt erst auf wenn so ein Wolf mal (ausversehen) Hunde und Katzen fängt.

    Bisher wurde in Deutschland ein Natürlich geborener Wolf erschossen, er hatte einen Hund gebissen

    • @Günter Witte:

      !. Es geht hier nicht um Massentierhaltungen sondern um Weidetiere. 2. Wenn Sie schäfer wären würden Sie sich auch ''Aufregen''. Ziemlich Fakt frei und überheblich.

      • @Berrichon:

        Schäfer regen sich mehrheitlich gar nicht auf, denn die haben das Problem ganz gut im Griff- Probleme machen Hobby-Pferdehalter und Öko-Rinderhalter

      • @Berrichon:

        Entschuldigung, der erste Teil meines Beitrages war ironisch gemeint, war in dem Stil gehalten wie die Mehrheit in diesen Forum über Landwirtschafts schreibt.

        Deutschland ist zu stark besiedelt, um ohne Probleme den Wolf wiederanzusiedeln. Warum wollen Tier/Naturschützer den Wolf wieder ansiedeln ? Im großen rahmen des gewollten Umbaus der Landwirtschaft, wo durch die Medien ein Bild der LW gezeichnet wird, die horrende Subventionen kassieren, Tiere und Boden mißhandeln und fast keiner eine weiß was er tut, muss man den unbelehrbaren Landwirten durch immer mehr Veränderungen auf den richtigen Weg bringen.

      • @Berrichon:

        Wenn Sie einen der empfohlenen Zäune und die trainierten Schäferhunde haben, und Sie verlieren trotzdem Schafe, dann dürfen Sie sich aufregen, ja. In den meisten Fällen fehlen die Zäune usw. aber. Man macht es den Wölfen also leicht.

         

        Am Ende wird man Wachen aufstellen müssen, wie es in früheren Zeiten auch normal war. Eine Wache mit Schreckschuß - oder echter Waffe. Das ist natürlich alles ungewohnt, aber die Wolfssituation ist ja auch noch relativ neu.

         

        Das wird sich eines Tages einpendeln.

        • @kditd:

          So ist es. Dort wo das richtige Zaunmaterial eingesetzt wird, sind die Verluste sehr überschaubar. Auch Versuche mit Herdenschutz - Hunden sind erfolgversprechend. Man sollte auch mal schauen was Schafhalter in anderen Regionen der Welt tun. Dort wo es schon immer Wölfe gibt...

  • Eine Koexistenz von Wolf und Schaf wird es nicht geben. Man kann es im Grunde nur so machen wie Russen und Kanadier: Normales Jagdrecht auch für den Wolf. In den Schutzgebieten Haltungsverbot von Schaf/Nutztier. Dritte Parteien wie Peta, Greenpeace, grüne Liga (wasndas?) werden nicht angehört, da sie wirtschaftlich nicht betroffen sind und nur Spendenprofite bzw Anwaltshonorare generieren wollen.