piwik no script img

Trockenheit und niedrige PegelständeDem Rhein fehlt Alpenschnee

Der wichtigsten deutschen Wasserstraße droht Niedrigwasser mit Problemen für den Schiffsverkehr. Polen, die Ukraine und Weißrussland fürchten Dürren.

Schon 2023 konnten Schiffe wegen Niedrigwassers nur mit weniger Ladung auf dem Rhein fahren. Aber das war im Juli, nicht im April Foto: Daniel Kubirski/Imago

Berlin taz | 80 Zentimeter bei Kaub am Rhein sind das Minimum. Fällt der Flusspegel bei der Stadt im rheinland-pfälzischen Mittelrheintal unter diesen Wert, ist Schluss mit der Schifffahrt. Am Donnerstag, dem 3. April lag er mittags bei 103 Zentimetern – „viel zu niedrig für diese Jahreszeit“, sagt Andreas Marx, Leiter des Mitteldeutschen Klimabüros am Umweltforschungszentrum Halle.

„Der Wasserstand des Rheins ist abhängig von Zuflüssen aus den Alpen“, sagt Marx. Der Bodensee führe aber schon seit Wochen zu wenig Wasser. Wenn dann noch der Regen ausbleibe, werde es für die wichtigste deutsche Wasserstraße schnell eng. Die Schiffe können nicht mehr voll beladen werden, um weniger Tiefgang zu erzeugen. Das verteuert die Transportkosten pro Tonne Ware, und irgendwann ist ganz Schluss.

Auf andere Flüsse und Bäche lässt sich diese Niedrigwassersituation nicht übertragen. Die Donau ist zwar auch abhängig von Schmelzwasser aus den Alpen, aber in geringerem Umfang als der Rhein. Die Elbe gar nicht. „Außerdem sind die Grundwasserspeicher gut gefüllt“, sagt Marx, denn die Monate von Juni 2023 bis Juni 2024 seien die nassesten seit 1881 gemessenen. Darum gelange jetzt noch Wasser aus dem Untergrund in die Flüsse. „Es ist schon skurril: Aus der Zeit extremer Niederschläge mit Hochwasser­ereignissen in verschiedenen Regionen gehen wir in Monate extremer Trockenheit“, sagt der Klimaexperte.

Ein trockenes Frühjahr bedeutet nicht gleich einen Dürresommer für die Landwirtschaft

Andreas Marx, Leiter Dürremonitor

Laut Deutschem Wetterdienst ist der diesjährige März mit einem Deutschlandmittel von nur 21 Prozent des Niederschlages im Vergleich zur Periode 1991 bis 2020 der sechsttrockenste März seit 1881. Vor allem im Norden gebe es größere Gebiete, in denen nur wenige Liter pro Quadratmeter gefallen seien. Was die außergewöhnlich niedrigen Niederschläge der vergangenen beiden Monate für die Landwirtschaft bedeuten, ist laut Marx noch nicht abzusehen.

Im Mai brauchen die Bäume Regen

„Ein sehr trockenes Frühjahr bedeutet nicht unbedingt einen ‚Dürresommer‘ für die Landwirtschaft“, sagt Marx. So sei das Frühjahr in den Jahren 2014 und 2021 im April jeweils sehr trocken gewesen, später seien normal feuchte Sommer gefolgt. „Das gab überdurchschnittliche Erträge“, so Marx, „den landwirtschaftlichen Kulturen ist ein trockener Frühling erst mal egal“.

Bei tiefer wurzelnden Pflanzen wie Bäumen sei das anders. „Wenn sie austreiben, in Richtung Mai, dann sollte es mehr regnen als jetzt, sonst bekommen sie Probleme“, so Marx, „aber um dafür Prognosen zu ­geben, bräuchte ich eine Glas­kugel“. Der Deutsche Wetterdienst wagt sich mit einem neuen Monitor weiter vor. Er gibt eine Prognose über die Niederschlagswahrscheinlichkeit in Deutschland in den nächsten drei Monaten ab und macht dabei transparent, wie sicher er die Vorhersage einschätzt.

So gehen die Wetterexperten für die traditionell trockenen Regionen Thüringer Becken, Sachsen-Anhalt, Brandenburg, Vorpommern und Nordsachsen mit einiger Sicherheit von einem eher warmen und trockenen Sommer aus. Eine „außergewöhnlich starke Anomalie der Bodenfeuchte“ sagt das Modell für einige Regionen Osteuropas voraus. Vor allem in Polen, Weißrussland und der Ukraine könnte es zu einem Dürrejahr kommen.

Die Situation in der „Kornkammer“ Europas sei besonders, sagt Claas Nendel, Professor am Leibniz-Zentrum für Agrarlandschaftsforschung in Müncheberg. Die herausragend guten Böden dieser Region verfügten über die Fähigkeit, im Winter große Mengen Wassers zu speichern. Wenn sie sich im Winter wegen zu wenig Niederschlag aber nicht vollsaugen könnten, fehle es im Sommer, in dem es ob des kontinentalen Klimas traditionell wenig regne und sehr heiß werde. Laut Nendel können Landwirte darauf reagieren, indem sie bei Sommerkulturen wie Mais, Sonnenblumen und Sommergerste weniger Pflanzen pro Quadratmeter aussäen. Dann ernten sie „zwar weniger, aber immerhin etwas“.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

3 Kommentare

 / 
  • Kleine Fragen am Rande.

    1) Ist diesen Winter in den Alpen besonders wenig Schnee gefallen? Falls ich mich jetzt nicht falsch erinnere, gab es dort nicht zeitweise Schneechaos? Auch hier im Schwarzwald war die Ski-Saison diesmal nicht die Schlechteste.



    2) So nach Wetterkarten der Fernsehprogramme scheint es in den Alpenregionen in der letzten Zeit eher kühl bis kalt gewesen zu sein, mit gelegendlichen Schneefall dazwischen. Hat die Schneeschmelze dort überhaupt schon Fahrt aufgenommen? Oder nimmt diese gerade Anlauf um mal wieder div. Städte rheinabwärts absaufen zu lassen, ggf. noch mit einem großzügigen Tief (Dauerregen) -da sind die Entwicklungen noch überraschungsfähig- bereichert?

    Anmerkungen zu statistischen Mittelwerten : je nach Volatilität des "Objekts" -z.B. Wetter- kann dieser das unwahrscheinlichste Ereignis beziffern (ist ggf. nicht einmal vorgekommen). Deren Angabe ohne Schwankungsbreite ist dann nicht wirklich hilfreich....

    • @ton.reg:

      Noch eine Anmerkung zu: "Bei tiefer wurzelnden Pflanzen wie Bäumen sei das anders"



      Tiefwurzelnde Pflanzen bis in Grundwassernähe, insbesondere Bäume, sind in unseren Breiten -solange kein Fels darunter ist- die natürliche Waldform gewesen. Daraus kann man evolutionär ableiten, dass hier trockene Sommer keine Seltenheit sind. Diese ggf. bodennahe Trockenheit ist natürlich für die Landwirtschaft ein Problem, ebenso wie für die standortfremden, flachwurzelnden Fichten -welche als schnell nachwachsende Bäume während der spätmittelalterlichen Kaltzeit gute Wachstumsbedingungen hatten (dauerte bis nach dem Beginn der fossilen, industriellen Revolution).



      Für viele "Tiefwurzler" ist inzwischen durch den Wasserbedarf der krebsartig Anwachsen Ballungszentren ein existentielles Problem in deren weitläufigen Abpumpgebieten entstanden. Und die Regeneration von Grundwasser -via hydraulischem Druck von Flüssen oder Seen, Regen fließt überwiegend oberirdisch ab- kann dauern...

      Abhilfe, für den Klimaschutz : Den Städten ab gewissem Grundwasserstand das Wasser abdrehen, rationieren. Kein Menschenrecht auf 3x täglich Duschen, WC drücken... Das muss gerade den Grünen Hochburgen einsichtig sein..

  • Nicht nur der Rhein ist so tief, auch bei uns in Niederösterreich führ die Donau extrem wenig Wasser, obwohl wir in den letzten Wochen viel Regen hatten. Für den Schiff Verkehr natürlich massiv problematisch. Mal schauen was der Sommer bringt! Alles Gute und immer auf dem Teppich bleiben :)