Trockenheit und niedrige Pegelstände: Dem Rhein fehlt Alpenschnee
Der wichtigsten deutschen Wasserstraße droht Niedrigwasser mit Problemen für den Schiffsverkehr. Polen, die Ukraine und Weißrussland fürchten Dürren.

„Der Wasserstand des Rheins ist abhängig von Zuflüssen aus den Alpen“, sagt Marx. Der Bodensee führe aber schon seit Wochen zu wenig Wasser. Wenn dann noch der Regen ausbleibe, werde es für die wichtigste deutsche Wasserstraße schnell eng. Die Schiffe können nicht mehr voll beladen werden, um weniger Tiefgang zu erzeugen. Das verteuert die Transportkosten pro Tonne Ware, und irgendwann ist ganz Schluss.
Auf andere Flüsse und Bäche lässt sich diese Niedrigwassersituation nicht übertragen. Die Donau ist zwar auch abhängig von Schmelzwasser aus den Alpen, aber in geringerem Umfang als der Rhein. Die Elbe gar nicht. „Außerdem sind die Grundwasserspeicher gut gefüllt“, sagt Marx, denn die Monate von Juni 2023 bis Juni 2024 seien die nassesten seit 1881 gemessenen. Darum gelange jetzt noch Wasser aus dem Untergrund in die Flüsse. „Es ist schon skurril: Aus der Zeit extremer Niederschläge mit Hochwasserereignissen in verschiedenen Regionen gehen wir in Monate extremer Trockenheit“, sagt der Klimaexperte.
Andreas Marx, Leiter Dürremonitor
Laut Deutschem Wetterdienst ist der diesjährige März mit einem Deutschlandmittel von nur 21 Prozent des Niederschlages im Vergleich zur Periode 1991 bis 2020 der sechsttrockenste März seit 1881. Vor allem im Norden gebe es größere Gebiete, in denen nur wenige Liter pro Quadratmeter gefallen seien. Was die außergewöhnlich niedrigen Niederschläge der vergangenen beiden Monate für die Landwirtschaft bedeuten, ist laut Marx noch nicht abzusehen.
Im Mai brauchen die Bäume Regen
„Ein sehr trockenes Frühjahr bedeutet nicht unbedingt einen ‚Dürresommer‘ für die Landwirtschaft“, sagt Marx. So sei das Frühjahr in den Jahren 2014 und 2021 im April jeweils sehr trocken gewesen, später seien normal feuchte Sommer gefolgt. „Das gab überdurchschnittliche Erträge“, so Marx, „den landwirtschaftlichen Kulturen ist ein trockener Frühling erst mal egal“.
Bei tiefer wurzelnden Pflanzen wie Bäumen sei das anders. „Wenn sie austreiben, in Richtung Mai, dann sollte es mehr regnen als jetzt, sonst bekommen sie Probleme“, so Marx, „aber um dafür Prognosen zu geben, bräuchte ich eine Glaskugel“. Der Deutsche Wetterdienst wagt sich mit einem neuen Monitor weiter vor. Er gibt eine Prognose über die Niederschlagswahrscheinlichkeit in Deutschland in den nächsten drei Monaten ab und macht dabei transparent, wie sicher er die Vorhersage einschätzt.
So gehen die Wetterexperten für die traditionell trockenen Regionen Thüringer Becken, Sachsen-Anhalt, Brandenburg, Vorpommern und Nordsachsen mit einiger Sicherheit von einem eher warmen und trockenen Sommer aus. Eine „außergewöhnlich starke Anomalie der Bodenfeuchte“ sagt das Modell für einige Regionen Osteuropas voraus. Vor allem in Polen, Weißrussland und der Ukraine könnte es zu einem Dürrejahr kommen.
Die Situation in der „Kornkammer“ Europas sei besonders, sagt Claas Nendel, Professor am Leibniz-Zentrum für Agrarlandschaftsforschung in Müncheberg. Die herausragend guten Böden dieser Region verfügten über die Fähigkeit, im Winter große Mengen Wassers zu speichern. Wenn sie sich im Winter wegen zu wenig Niederschlag aber nicht vollsaugen könnten, fehle es im Sommer, in dem es ob des kontinentalen Klimas traditionell wenig regne und sehr heiß werde. Laut Nendel können Landwirte darauf reagieren, indem sie bei Sommerkulturen wie Mais, Sonnenblumen und Sommergerste weniger Pflanzen pro Quadratmeter aussäen. Dann ernten sie „zwar weniger, aber immerhin etwas“.
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