Trockenheit in Äthiopien: Staub auf den Feldern
Trotz der Flüsse und fruchtigen Hochebenen leiden die Menschen in Addis Abeba unter Wassermangel. Bauern sollen neue Formen des Wirtschaftens finden.
H eute ist der dritte Tag, an dem es kein Wasser gibt“, erzählt ein Mann außerhalb seines winzigen Appartements. Auch bei seinen Nachbarn bleiben die Wasserhähne trocken. Wie auch im gesamten Viertel am Ende der Landebahn des Flughafens Bole mitten in der äthiopischen Hauptstadt Addis Abeba. Regelmäßig werden dort Gespräche unterbrochen durch den Fluglärm.
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„Eine Freundin in einem anderen Stadtteil hat Wasser. Sie hat mir zwei Kanister gebracht. Wenn sie kein Wasser bekommt, helfe ich ihr aus. Das ist eine bessere Lösung, als bei dem Wasserunternehmen zu klagen.“ Der Mann und seine Nachbarn wollen nur anonym sprechen, weil sie Konsequenzen befürchten, wenn sie die Behörden kritisieren. Seit einem Jahr ist Äthiopien, nach einer kurzen Liberalisierung, zur Autokratie zurückgekehrt und die Bevölkerung zensiert sich selbst, selbst bei Alltagsdingen wie Wasser.
Äthiopien ist wie andere Länder am Horn von Afrika immer häufiger von Extremwetterlagen betroffen: mal Dürre durch zu wenig Regen, mal Überschwemmungen durch zu viel. Die Folgen des Klimawandels sind deutlich spürbar. Das Land hat eigentlich viele Wasserressourcen mit neun großen Flüssen und zwölf Seen, Ostafrika speist sich mit Wasser aus dem äthiopischen Hochland. Aber in Addis Abeba, das mitten im Hochland liegt, fehlt es an Wasser. Wie kommt das?
Gefördert durch das European Journalism Centre (EJC) mit Unterstützung der Bill & Melinda Gates Foundation folgt die taz ein Jahr lang dem Wasser. Fünf taz-Korrespondentinnen recherchieren in Lateinamerika, Westasien, Südasien und in Afrika entlang des Nils. Denn vor allem im Globalen Süden gibt es zu wenig oder kein sauberes Wasser. Besonders Frauen müssen jeden Liter über weite Strecken nach Hause tragen. Der Zugang zu Wasser wird mit der Klimakrise verschärft. Immer öfter wird Wasser privatisiert oder steht im Konflikt mit Großprojekten, die Fortschritt bringen sollen. Mehr unter taz.de/wasser
Das Problem fängt eigentlich 700 Meter oberhalb der Hauptstadt an: in Bura. Das ist eines der wichtigsten Wassereinzugsgebiete der Hauptstadt. Aber es ist kein Wasser zu sehen. Auf einem kahlen Berg treibt Bahiru Abseno seine beiden Ochsen an, die einen antiken Holzpflug durch die harte Erde den Hang hinaufziehen. Es ist eine anstrengende Arbeit für Bauer und Tiere, weil zwischen den Erdklumpen auch noch endlos viele Steine liegen. Eile ist aber geboten, denn immer mehr dunkelgraue Wolken ziehen über dem nahen Gipfeln auf. „Wir rechnen jeden Moment mit Regen und müssen schnell säen“, sagt Bahiru, während er eine kurze Pause macht.
Wenn der Regen ausbleibt
Bauer Bahiru baut Gerste, Bohnen und Erbsen an und ist völlig abhängig vom Regenfall. Ihm zufolge sind die Ernten in den letzten zehn Jahren stark geschrumpft. „Der Boden ist arm geworden und die Pflanzen wachsen schlecht. Auch das Wetter hat sich geändert. Früher hatten wir zwei Regenzeiten im Jahr, also zwei Ernten. Jetzt aber nur noch eine, weil die kurze Regensaison nicht genug Wasser bringt.“
Bahiru ist in den Fünfzigern, aber er sieht älter aus, die harte Arbeit auf dem Land mit altmodischen Anbaumethoden hat tiefe Spuren in seinem Gesicht hinterlassen. „Ich habe acht Kinder und muss traditionell mein Land unter ihnen aufteilen, aber das macht keinen Sinn bei so wenig Ernte. Nur einer meiner Söhne ist Bauer und arbeitet mit mir. Fünf machen eine Ausbildung für andere Berufe und zwei haben Jobs in Nachbarstädten.“
Sein Hof besteht aus drei Häusern aus Lehm und Holz, umzäunt mit stachligen Ästen. Es sind große, dunkle Strukturen mit wenigen kleinen Fenstern. Die Menschen leben unter einem Dach mit ihrem Vieh, das mit seiner Körperwärme das Haus ein wenig angenehmer macht. Es ist kalt auf fast 3.000 Meter Höhe, und die Luft ist dünn.
In Bura hat im Laufe der Jahre das Regenwasser große Teile der obersten Erdschicht weggespült und tiefe Furchen an den Hängen hinterlassen. Bauer Bahiru hat versucht, die Bodenerosion mit Terrassenanbau zu bekämpfen, aber das erzeugte ein neues Problem. „Ratten fanden Unterschlupf zwischen den Steinen und fraßen das Saatgut und die Pflanzen. Uns fehlt das Geld für Pestizide, also haben wir den Bau der Terrassen eingestellt.“ Er geht wieder an die Arbeit und treibt mit lauter Stimme seine Ochsen an.
Das Wassereinzugsgebiet, wo sein Acker liegt, ist etwa 1.600 Hektar groß. Früher gab es hier Sträucher und Bäume, die aber den Äckern weichen mussten. Ohne Baumwurzeln ist die Erde ungeschützt, der Regen spült immer mehr von der obersten Erdschicht den Hang hinunter ins Tal des Adere-Flusses. Der Fluss transportiert die Erde dann zum Dire-Staudamm, der durch ein Aquädukt mit dem Legedadi-Staudamm weiter südlich verbunden ist. Die Stauseen dieser beiden Dämme liefern etwa zwei Drittel des Trinkwassers für Addis Abeba und Umgebung.
110 Millionen Äthiopier bleiben ohne Trinkwasser
Die Hauptstadtregion hat rund fünf Millionen Einwohner und wächst alle zwei Jahre um eine halbe Million. Zugleich schrumpft die Wasserversorgung, weil sich in den Stauseen, die jeweils 1999 und 1967 gebaut wurden, so viel Erde ansammelt. Kein Wunder, dass es nicht genügend Wasser gibt.
In Äthiopien hat sich der Zugang zu sauberem Trinkwasser in den letzten Jahren zwar deutlich verbessert, aber erreicht immer noch nur 57 Prozent der mehr als 110 Millionen Äthiopier. Zugang zu guten sanitären Einrichtungen haben sogar nur 28 Prozent.
Berke Eliku, Bäuerin
Das Wasser aus Äthiopiens vielen Stauseen wird gebraucht für Bewässerung von großflächiger Landwirtschaft, aber vor allem für Wasserkraftwerke – Äthiopien will Afrikas Wirtschaftsmacht werden und dafür braucht es Strom. Am bekanntesten und umstrittensten ist der riesige Staudamm GERD (Grand Ethiopia Renaissance Dam) am Blauen Nil kurz vor der Grenze zu Sudan. Er ist fast fertig und soll mit seinen Turbinen das größte Wasserkraftwerk Afrikas antreiben.
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Der GERD-Stausee ist zu zwei Dritteln gefüllt – jedes Jahr in der Regenzeit wird er voller. Das sorgt für gefährliche Spannungen zwischen Äthiopien einerseits und Sudan und Ägypten flussabwärts andererseits – sie fürchten, dass Äthiopien zu viel Wasser zurückhält, den Nil anders reguliert als bisher und zu wenig für ihre eigene Landwirtschaft und Trinkwasserversorgung übrigbleibt. Die Angst besteht, das der GERD der Grund sein könnte für den ersten Wasserkrieg der Welt.
Für die meisten Äthiopier ist das Wasserproblem viel konkreter und gegenwärtiger. Berke Eliku, die Schwiegertochter des Bauern Bahiru, hat keinen Strom und kein fließendes Wasser auf dem Familienbauernhof. Es gibt Öllampen und täglich holt sie Wasser aus einer Quelle, zu der sie etwa 40 Minuten bergabwärts läuft und dann wieder bergauf mit einem 20 Liter schweren Kanister – vier Mal am Tag.
Während ihr Mann und ihr Schwiegervater noch Hoffnungen haben, ihren Acker auch in der Zukunft bewirtschaften zu können, ist Berke überzeugt, dass alternative Einkommensquellen gefunden werden müssen. „Wenn ich sehe, was das Land im Jahr einbringt und wie viel wir kaufen müssen, um die ganze Familie zu ernähren – dann denke ich, dass die Zeit der Landwirtschaft für uns vorbei ist. Wir könnten etwas anderes machen, wie Hühner oder Schafe züchten.“
Um das Familieneinkommen aufzubessern, sammelt Berke, wie andere Frauen in der Gegend, abgefallenes Laub in einem alten Wald aus exotischen Eukalyptusbäumen, die für ihren unstillbaren Durst berüchtigt sind. Der Staat hat den Wald angelegt und nutzt ihn wirtschaftlich: Wenn die Bäume groß sind, werden sie gefällt und das Holz wird verkauft. Für die Anwohner gibt es nur die Erlaubnis, die trockenen Blätter zu sammeln. Die werden als Brennstoff zum Kochen verwendet, ebenso wie getrockneter Viehmist – anderen Brennstoff gibt es auf den Hängen nicht. Auf einem nahe gelegenen Markt bekommt Berke für einen großen Jutesack voller Eukalyptusblätter umgerechnet ein paar Cent.
„Ich bin bereit, etwas Neues zu lernen oder etwas anderes zu tun, solange ich nicht mehr Blätter sammeln muss“, sagt sie, während sie in ihrem Haus mit Blättern Feuer macht, um das Abendessen zuzubereiten. „Das Sammeln ist harte Arbeit. Ich muss die ganze Zeit gebückt gehen und dann zum Markt laufen, weil es keine Autos oder Mopeds hier gibt. Und das für so wenig Geld.“ Dann konzentriert sie sich auf die Zubereitung von Injera, das typisch äthiopische fermentierte Fladenbrot aus Teffmehl. Ihre zwei kleinsten Kinder schauen zu und genießen die Wärme des Feuers.
Auf der zwei Stunden langen Autofahrt zurück nach Addis Abeba gibt es an einer Stelle eine Aussicht auf den Dire-Damm. Es ist wie ein kleiner Wasserfleck unten im Tal. Hingehen ist unmöglich, denn Dämme werden in Äthiopien abgeschirmt wie Staatsgeheimnisse. Eine Genehmigung, sie zu besichtigen, ist schwer zu bekommen.
Zitronenbäume statt Ackerbau
In Addis Abeba soll ein staatliches Projekt den Wassermangel der Hauptstadt anpacken. „Wichtig ist, die Dire- und Legedadi-Dämme auszubaggern“, erzählt Projektleiter Daniel Truneh in seinem Büro inmitten der unzähligen oft unvollendeten Betonhochhäuser der Hauptstadt – auch für Beton wird viel Wasser benötigt. „Durch die Ansammlung von erodierter Erde gibt es 52 bis 75 Prozent weniger Wasser in den Stauseen und der Druck auf die Wand hat sich gefährlich erhöht.“
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Daniel Truneh hat große Pläne. Mit seinem Projekt IWRM 4 WASH (Integriertes Wassermanagement für Wasser, Reinigung und Hygiene) will er alles umkrempeln, auch das Leben der Bauern. „Die Folgen des Klimawandels, wodurch im Wassereinzugsgebiet kaum mehr Ackerbau möglich ist, müssen angegangen werden. Bäume, Sträucher und Gras werden gebraucht, um den Boden festzuhalten. Eine Studie hat bereits dargestellt, dass Avocado-, Pflaumen- und Zitronenbäume sehr gut gedeihen würden in dem Gebiet. Tiere könnten auf den Wiesen grasen. Die Obstbäume könnten gute Einkommensmöglichkeiten ergeben für die Landbevölkerung.“
Daniel studierte zwar Jura, aber ist völlig begeistert von Wasser. „Wasser und Sanitär sind vielleicht nicht am meisten sexy bei der Entwicklung eines Landes, aber sie sind mit am Wichtigsten“, meint er. Das Projekt ist mit knapp 10 Millionen Euro ausgestattet und soll in vier Jahren fertig werden. „Wenn es fertig ist“, meint Daniel, in dessen Büro ständig Leute aus anderen Abteilungen vorbeikommen, „können wir es als Blaupause und Vorbild benutzen für andere Teile des Landes.“
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