Trennung von Melinda und Bill Gates: So Gates heute vielen
Melinda und Bill Gates haben sich getrennt – und schauen nun nach vorn. Damit stehen sie für das Arbeiten und Altern im 21. Jahrhundert.
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„Alle trennen sich. Ich bin die letzte Nichtgetrennte in meinem Bekanntenkreis.“ Das sagte, so viel taz-Lob darf sein, die 50-jährige Autorin Andrea Paluch kürzlich in einem schönen Interview. Es ist aber nun aktuell nicht nur so, dass die Trennung von Paaren in der erweiterten mittleren Lebensphase nichts Besonderes mehr ist; sondern dass der 65-jährige Bill Gates und seine 56-jährige Frau Melinda Gates, die am Montag ihre Scheidung bekannt gaben, dies tun, weil sie nicht mehr daran glaubten, „dass wir in dieser nächsten Phase unseres Lebens gemeinsam als Paar wachsen können“.
Dass ein 65-jähriger Mann meint, noch in eine neue Lebensphase eintreten zu müssen, ist ein durchaus nicht so selbstverständliches Phänomen, wie es vielleicht scheinen mag. Noch bis weit ins 20. Jahrhundert hinein galt ein menschliches Leben mit 70 als erfüllt und als im Wesentlichen abgeschlossen. In meinem Geburtsjahr 1968 etwa betrug die Lebenserwartung von Frauen in Westdeutschland 73 Jahre, die von Männern lag bei 67 Jahren.
Der Wille und die Überzeugung, in einem so kurzen Zeitraum nun unbedingt noch ein neues, gemeinsames oder getrenntes Wachstumsprojekt auflegen zu müssen, war dementsprechend gering ausgeprägt. Was auch damit zusammenhing, dass Arbeit, ob nun am unbelebten Objekt, an der Beziehung oder an sich selbst, in der vorneoliberalen Gesellschaft einen anderen Stellenwert hatte: als etwas nämlich, das in möglichst kurzer – und sich durch die Arbeit der Gewerkschaften hoffnungsvoll immer weiter verkürzenden – und lang nicht so intensiv wie heute gefüllten Zeit erledigt wurde, um sich dann dem eigentlichen Leben zuzuwenden: der Freizeit.
Ich glaube nicht, dass mein Vater den Arbeits – und Sozialrhythmus, dem zum Beispiel ich, auch durchaus freiwillig, unterworfen bin, ertragen hätte – es wäre ihm mindestens als verdammt schlechter Deal vorgekommen.
Abschied von den Milliarden
Und als Kind habe ich noch einen erfolgreichen, niedergelassenen Arzt erlebt, dessen Vorstellung vom Ruhestand darin bestand, in einem Klappstuhl in der Sonne zu sitzen, vor sich einen Eimer voller gekühlter Doornkaatfläschchen, die er dann einen Sommertag über, Roth-Händle rauchend, sich genussvoll verabreichte – was natürlich nicht ohne Einfluss auf sein baldiges Ableben blieb.
Ob das nun fortgesetzt-frenetische Wirken der Gates’, nicht zuletzt in ihrer Bill & Melinda Gates Foundation, der größten Privatstiftung der Welt, sich am Ende als heilsamer für die Menschheit auswirken wird als das mehr oder weniger stille Ausklingenlassen der eigenen Existenz früherer Generationen, bleibt abzuwarten. Ihre Milliarden hätten sie auch schlicht dem jedenfalls derzeit fortschrittlichen Wirken der US-Regierung unter Präsident Joe Biden zur Verfügung stellen können. Auch ein Eintreten für höhere Besteuerung von Superreichen, womit zuletzt die österreichische Millionenerbin Marlene Engelhorn Schlagzeilen machte, läge so fern dem Zeitgeist nicht.
„These things are hard to give up“, sagte die Milllionenerbin Abigail Disney 2019 dem New Yorker und bezog sich dabei auf ihren sich ein, zwei Jahre hinziehenden Abschied von Reisen mit der familieneigenen Boeing 737.
Mit einem tatsächlichen Abschied von den Milliarden zugunsten von ein paar ihnen gerne gegönnten Millionen hätten die Gates’ dann aber auf einen Schlag gewonnen, was sie und ihre Kinder nun erst von der zu Recht interessierten Öffentlichkeit einfordern müssen: Respekt für ihre Privatsphäre nämlich. Den können sie nun nicht erwarten. Aber zumindest hier sei ihnen die Privatsphäre zugestanden. Denn: Alle trennen sich. Und so eben auch Melinda und Bill.
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