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Trendanalyse der Dubai-SchokoladeDubai sein ist alles

Sind 20 Euro für Dubai-Schokolade zu teuer? Aus der Wirtschaftswissenschaft wissen wir: Beim Preisempfinden kommt es auf Erwartungen und Gefühle an.

Dubai-Schokolade: Wenn Sie genau hinschauen, sehen Sie einen Grinch herausquillen Foto: Bernd Feil/M.i.S./imago

Sechzig Mark für ein Stück Schokolade!“, ruft der Boomer empört. Und trotzdem scheint der Hype um die Dubai-Schokolade nicht abzubrechen. Kein Produkt hat uns in den vergangenen Monaten so sehr in seinem Bann gehabt wie diese Süßigkeit. Bis zu 30 Euro soll eine Tafel kosten.

Überall lauert sie, lugt hervor zwischen blauem Pueblo-Drehtabak und pinken Gillette-Venus-Rasierern. Hinter den Kassen gut sichtbar, aber außer Reichweite für die flinke Hand. „Dubai Schokolade 20 Euro“, schreit dich das krakelige Schild von jedem Kiosk und Supermarkt an.

Und damit nicht genug: Selbst zur besinnlich-traumatischen Weihnachtszeit, bei Nieselregen auf dem Weihnachtsmarkt, verfolgt einen die Pistazie-Schoko-Variante. Nicht mal die Bratwurst bleibt vom Hype verschont. Dubai, das ist das neue Superfood, die neue Diät, der neue giftgrüne brat summer. Auf Tiktok brechen die Leute sie dann endlich entzwei. Pistaziencreme und knuspriges Engelshaar quillen heraus, als würde sich der Grinch seinen Weg ins Freie erkämpfen.

Schokolade zwischen Erwartung und Wirklichkeit

Um am Hype teilzuhaben, sind Menschen bereit, Unsummen für ein Stück Zucker zu zahlen. Dabei ist der Trend ein Beispiel dafür, wie wir den Wert von Produkten einschätzen. Wenn Boomer gewohnt sind, die Traube-Nuss im Angebot für 99 Cent zu kaufen, sind 30 Euro (oder 60 Mark!) pro Tafel viel zu viel Geld. Denn: Jede Person nimmt Preise anders wahr. Ob etwas zu teuer oder billig ist, hat mit Erfahrungswerten zu tun.

Und damit, ob wir den Preis als Gewinn oder Verlust für uns einschätzen. Heißt: Wenn ich einfach eine Tafel Pistazien-Schokolade kaufen will, kriege ich die auch schon für drei Euro. Dann sind die 20 Euro für Tiktok-Schokolade ein Verlust. Doch wer in der Annahme in den Laden geht, diese 20 Euro ausgeben zu müssen und dann sieht, dass der Dubai-Traum reduziert nur 15 Euro kostet, freut sich und sieht einen Gewinn.

Lindt nutzt dieses Prinzip gerade aus, um eine unglaublich kostengünstige Alternative, zehn Tacken pro Tafel, auf den Markt zu schmeißen. Die Chance für alle Wirt­schafts­psy­cho­lo­g*in­nen des Landes, die wartende Menge vor den Filialen zu Testpersonen ihres nächsten unbedeutenden Papers zu machen.

Hohe Preise bleiben im Gedächtnis

Spannend ist, dass wir eben auch so fasziniert von dieser diabolisch teuren Dubai-Kreation sind, weil wir uns hohe Preise, beziehungsweise Verluste, schwerer gewichten, sie uns also eher merken. In der Verhaltensökonomie nennt sich das Verlustaversion. Dieses Phänomen ist auch der Grund, dass du, ich und deine Nachbarin das Gefühl haben, dass alles immer teurer wird. Den Dubai-Hype jetzt mal ausgenommen.

Besonders bei alltäglichen Produkten merken wir eher, dass sie mehr Geld kosten. Die Brezel beim Bäcker am Montag für 3,10 Euro hat sich in mein Hirn gebrannt. Dass Butter, Kaffee oder Nudeln im vergangenen Jahr wieder günstiger geworden sind, fällt dagegen weniger auf. Auch technischen Fortschritt, also dass mein Laptop für weniger Geld als vor ein paar Jahren noch leistungsstärker ist, gewichten wir laut Ver­hal­tens­öko­no­m*in­nen weniger stark.

Das führt auch dazu, dass die gefühlte Inflation viel höher liegt als die tatsächliche. 2022, in dem Jahr, als durch den Angriffskrieg in der Ukraine schlagartig die Preise in die Höhe schossen, lag die gefühlte Inflation im Sommer bei 34,2 Prozent. Tatsächlich gab es eine Preiserhöhung von 7,9 Prozent.

Wir lernen: Vertraue nicht auf deine eigenen Gefühle. Und: Dubai-Schokolade schmeckt nicht. Also gönn dir lieber ein Stück Traube-Nuss.

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Anastasia Zejneli
Redakteurin
Jahrgang 1999, studierte Wirtschaftspolitischen Journalismus in Dortmund und gründete ein Kulturmagazin für das Ruhrgebiet. War Taz-Volontärin und arbeitet aktuell im Europateam. Schreibt in der Kolumne "Economy, bitch" über Popkultur und Wirtschaft.
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22 Kommentare

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  • Ich würde nie auf die Idee kommen Pistazien aus Gaziantep oder Damaskus mit Schokolade zu verschandeln.

    Die schmecken in Natura doch am geilsten...

  • Man kann sich auch eine Wasserflasche mit Duftring kaufen. Ebenfalls völlig überteuert und das, wonach es dem Konsumenten dürstet: Trends. Womit bewiesen ist, dass der Mensch ein Herdentier ist. Sonst würde das mit dem Prinzip „Schuld sind die…Grünen, Ausländer, die EU, ….“ nicht funktionieren. Selbstständiges Nachdenken ist ja ach so anstrengend.

  • Wo sind jetzt die klassenkämpfenden Binnenmarkt-Apostel, die doch eigentlich sofort losheulen müssten, dass die ganze schöne Konsumentenkohle ins Ausland abfließt - und dann auch noch zu den Scheichs (denn ja, natürlich gehört die Original-Marke einem al Maktoum)?

    • @Normalo:

      Die tanken noch gerade Prinz-Salman-Saudi-Öl in ihre Heizung und ihre Karre.

  • taz: *Jede Person nimmt Preise anders wahr. Ob etwas zu teuer oder billig ist, hat mit Erfahrungswerten zu tun.*

    Natürlich, denn wenn der Reiche ganz genau weiß, dass das Geld in seinem Portmonee wieder "nachwächst", ohne das er sich dafür besonders anstrengen muss, dann sind 20 Euro für eine „Dubai-Schokolade“ für ihn natürlich sehr billig. Die wirklich Reichen kaufen sich so etwas aber gar nicht, denn die fliegen in ihrem klimaschädlichen Privatjet gleich nach Dubai, wo es laut World Wealth Report 68.000 US-Dollar-Millionäre gibt, um sich dort in einem Schickimicki-Restaurant teuren Schokoladenpudding zu bestellen. Dubai-Schokolade für 20 Euro kaufen doch nur die Leute, die gerne zu den Reichen 'dazugehören wollen', aber im Grunde auch nur arme Schlucker sind.

    Die "Inflation" (oder wie man die 'Abzocke' auch immer nennen möchte) merkt man momentan aber sogar schon auf den Weihnachtsmärkten, wo gebrannte Mandeln schon Apothekenpreise angenommen haben.

    • @Ricky-13:

      Die wirklich Reichen verkaufen etwas derartiges den wirklich Dummen, denn die wachsen immer nach.

  • "Dubai-Schokolade" kann man natürlich selber machen - für etwa 2 Euro.

    • @Joachim Kappert:

      Ich glaube nicht, dass jemand, der die selber machen kann, es auch tun würde. Denn der wäre über das intellektuelle Stadium des Dubai-Schokolade-Käufers schon weit hinausgewachsen.

  • Ich glaub da passt der Begriff "Konsumopfer" ganz gut.

    Wobei ich zugeben muss das ich auch schon mal ähnlich viel für ne Tafel Schokolade ausgegeben hab. Das war aber in Holland und es waren keine Pistazien drin.

    • @Rikard Dobos:

      Von der Art Schokolade hat man ja auch wenigstens etwas, was sein Geld wert ist ;)

  • Die "Boomer" haben recht, eine Tafel für 20€ oder mehr ist bescheuert.

  • Was zum Teufel habt ihr eigentlich immer mit euren Boomern.....(ich bin keiner, nerven tuts trotzdem)

    • @PartyChampignons:

      Haste recht, geht mir auch so... Bin Generation X und tunk mir, wenn's sein soll, mein Baklava in dicke heiße Schokopampe und mach mir n Nachtisch Levante-Style zum äthiopischen Kaffee.



      Dubai? Echt, dieser Kapitalistenstaat auf Schoki? Nee, aus Prinzip nicht.

  • Völlig schwachsinniger Hype.

    • @Barbara Falk:

      Ähnlich habe ich gedacht, als ich für meine Mitarbeiter Adventskalender gekauft habe, und für Vegane Kalender fast dreimal so viel zahlen musste

      • @Ahnungsloser:

        Veganer Adventskalender fürs nächste Jahr? Großpackung Clementinen o.ä. mit Zahlen drauf, wenn Sie ein sparsamer Mensch sind, der gerne gesunde Mitarbeiters hat. :)

        • @Janix:

          Ich bin nicht sparsam :-) Wollte nur darauf hinweisen, dass vegan teuer ist.



          Die veganen Kalender habe ich für vegane Mitarbeiter besorgt. Ob das gesund ist, steht auf einem anderen Blatt

          • @Ahnungsloser:

            Vegan ist nicht unbedingt teurer als nicht-vegan, und in vielen Fällen hat der höhere Preis durchaus berechtigte Gründe.



            Es ist oft eine Frage der Prioritäten. Es gibt auch Leute, die einen Flug nach Malle oder eine Kreuzfahrt als "teuer" bezeichnen.

  • Ein bisschen Zeitung lesen als Journalistin ist völlig okay. Dann wüsste mensch, dass ein eingesessener deutscher Discounter gerade heute - kontingentiert - das Zeugs in seine Märkte brachte. Der Zyklus geht in die Richtung, dass der nächste Osterhase seltsam nach Pistazie schmecken wird.

    Sonst danke für einen Ökonomiegrundkurs für die Vielen.

  • Sorry, aber wer so blöd ist, solche Preise für so einen Hype zu bazahlen, sollte nicht bedauert sondern ausgelacht werden. Aber es ist offensichtlich: der Mensch ist ein Herdentier und wenn erst mal die Werbeleute anpacken, dann kann man auch aus Sch.... Geld machen. Es müssen sich nur Leute finden, die sich derartig zu Narren machen lassen.

    • @Perkele:

      Korrekt. Daher liegt die schnelligkeit der Energiewende nicht am Willen oder den Finanzen der Menschen, sondern an der Fantasie der Werbefachleute, oder?

      • @Sonnenhaus:

        Da ist was dran....