Trauerfeier für Ludwig Baumann: Abschied von einem Täter des Friedens
Bei der Trauerfeier für den verstorbenen Anti-Kriegs-Aktivisten Ludwig Baumann protestieren Friedensbewegte gegen Rüstungsproduktion und die Bundeswehr.
Ihm gemäß modisch uneitel findet sich die feierliche Trauergemeinde im DGB-Haus ein. Mehr als 150 Gäste sind es. Kaum friedensbewegter Nachwuchs, vor allem altgediente Antikriegskämpfer. Einige tragen sich in das Kondolenzbuch ein, andere fotografieren das von einem grauen Gazetuch umspielte Porträtfoto Baumanns. Plastikgrünpflanzen und letzte sonnenblumige Grüße setzen Farbtupfer. Sehr viele Rosen, wenige Nelken werden niedergelegt.
Vor dem Saal kleben DFG-VK-Mitglieder „Bundeswehr abschaffen“-Sticker an Masten und entrollen ein Plakat mit der Aufschrift: „Stoppt Bremer Rüstungsproduktion!“ Das Friedensforum wirbt für das Atomwaffenverbot und ein Mann verteilt Fleyer für eine Ausstellung über „Wehrmachtsgerichtsbarkeit in Hamburg“. Weitere Organisationen nutzen die Veranstaltung nicht für ihre Zwecke.
Organisiert wurde sie von der Bundesvereinigung Opfer der NS-Militärjustiz, die Baumann 1990 gegründet hat. Die verbliebenen 30 Mitglieder, Angehörige und Freunde von Zeitzeugen, wollen bei der Mitgliederversammlung im Herbst vorschlagen, den Verein aufzulösen und ihre Arbeit in die Stiftung für die ermordeten Juden Europas integrieren. Sie wollen sich künftig auch verstärkt grundsätzlich Militär- und konkret Bundeswehr-kritisch äußern sowie Baumanns Nachlass im Staatsarchiv bearbeiten.
Ludwig Baumann
Das 1958 von Remo Giazotto herausgegebene Adagio g-Moll für Streicher und Orgel schleicht aber erst mal aus den Lautsprechern und unterstützt im innenarchitektonisch freudlosen Tivoli-Saal die Atmosphäre nachdenklicher Untröstlichkeit.
Die Ansprache hält der freie Trauerredner Markus Strauß mit gedämpfter Artikulation in klassischer Manier. Er hat bei der Familie Charakterzüge, biografische Details und Anekdoten recherchiert, um seine Würdigung um ein zentrales Baumann-Zitat bauen zu können: „Ich wollte kein Soldat sein, wollte keine Menschen töten, keine Verbrechen begehen. Ich wollte ganz einfach leben.“
Dafür erging gegen ihn eines von 30.000 Todesurteilen „der Recht beugenden Blutjustiz des NS-Regimes“, wie Militärhistoriker Wolfram Wette ausführt. Er erinnert sich, dass Baumann in Zeiten der Friedensbewegung zum Vorbild für Kriegsdienstverweigerer wurde. „Das soll er bleiben, da es fortgesetzt darum geht, für Frieden, Freiheit und die Würde des Menschen einzutreten.“ Politisch konkreter wurde keiner auf der Trauerfeier.
Engagement gegen Krieg und für die Umwelt
Strauß erzählt von Baumanns liebevoller Mutter und einem strengen Vater, Problemen mit Legasthenie und erstem Berufsglück als Maurer. Dann die Einberufung zur Kriegsmarine – also desertieren. Nach dem Krieg habe Baumann beharrlich wie erfolgreich seine Mission verfolgt, die Anfeindungen als „Wehrkraftzersetzer“ loszuwerden. Und mit seinen Kriegs-, Foltergefängnis-, KZ-Erlebnissen irgendwie klarzukommen.
Strauß verschweigt nicht, dass Baumann anfangs sein Hab und Gut vertrunken habe. „Aber er war nicht alkohol-, er war kriegskrank.“ Um so kämpferischer sei er aus dieser Lebensphase herausgetreten. Auch zukunftsweisend streitbar, indem er das Engagement gegen Krieg mit dem für die Umwelt verknüpfte.
Die innenpolitische Sprecherin der Linken, Ulla Jelpke, erinnerte sich an Baumann als „Überzeugungstäter“ in Sachen „Kriegsverrat ist Friedenstat“. Friedhelm Schneider vom europäischen Büro für Kriegsdienstverweigerung formulierte angesichts zunehmender Auslandseinsätze der Bundeswehr noch einmal Baumanns Appell an Soldaten: „Gehorcht nie einem Befehl, dem ihr im privaten Leben nicht folgen würdet.“
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!