Transparenz bei Löhnen und Gehältern: „Darüber spricht niemand gern“
Unternehmersprecher Carsten Brönstrop ist gegen das geplante Transparenzgesetz. Es bringe nur mehr Unfrieden in die Unternehmen.
taz: Herr Brönstrup, wann haben Sie das letzte Mal über ihr Gehalt verhandelt?
Carsten Brönstrup: Vor ein paar Monaten.
Zufrieden mit dem Ergebnis?
Ja.
Haben Sie es mal mit dem Gehalt einer Frau verglichen, die einen ähnlichen Job macht?
Nein. Geld ist eine persönliche Angelegenheit, darüber spricht niemand gern. Weder mit einem Kollegen noch mit einer Kollegin.
Das will Familienministerin Manuela Schwesig jetzt per Gesetz ändern. Sie fordert mehr Transparenz bei Löhnen und Gehältern. Wie finden Sie das?
Wir lehnen das als weitreichenden Eingriff in die Wirtschaft ab. Außerdem suggeriert ein solches Gesetz, dass Männer, die über Löhne und Gehälter entscheiden, Frauen generell schlechter behandeln.
43, ist Pressesprecher der Vereinigung der Unternehmensverbände in Berlin und Brandenburg.
Wie erklärt sich dann die Lohnlücke bei Frauen und Männern in Höhe von 22 Prozent?
Das hat strukturelle Gründe. Frauen nehmen noch immer häufiger als Männer familienbedingte Auszeiten oder arbeiten in Teilzeit. Das macht etwa 5 Prozent der Lohnunterschiede aus. Weitere 15 Prozent ergeben sich aus der Berufswahl von Frauen. Nach wie vor wählen sie vor allem Branchen mit geringer Entlohnung, zum Beispiel in der Pflege und in den Dienstleistungen.
Auch Frauen in technischen Berufen werden oft schlechter bezahlt als ihre Kollegen.
Nicht generell. Es gibt sicher Einzelfälle.
Wie erklärt sich denn der Rest von zwei Prozent in Ihrer Rechnung?
Frauen verhandeln anders als Männer. Und sie denken häufiger an Dinge, die weniger mit Geld zu tun haben, wie Arbeitsbedingungen oder flexible Arbeitszeiten.
Das Antidiskriminierungsgesetz besagt, dass gleiche Tätigkeiten gleich belohnt werden müssen – unabhängig von individuellen Verhandlungen.
Die Frage ist doch: Was findet im betrieblichen Alltag statt? Manche Dinge regeln sich dort von selbst, die kann ein Gesetz gar nicht abbilden.
Sie meinen Qualitätskontrolle und -vergütung?
Hier sollte der Gesetzgeber auf keinen Fall eingreifen. Das führt nur zu Unfrieden im Betrieb.
Führt es nicht zu größerer Unruhe, wenn eine Frau feststellt, dass sie für die gleiche Tätigkeit weniger Geld bekommt als ihr Kollege?
Ich gehe davon aus, dass Menschen, die haargenau den gleichen Job machen, auch gleich bezahlt werden. Schließlich hat der Arbeitgeber kein Interesse daran, Neid unter den Mitarbeitern zu fördern. Kein Tarifvertrag unterscheidet zwischen Frauen und Männern.
Manche Tarifverträge schließen aber von vornherein bestimmte Beschäftigungsgruppen aus, in der Regel sind es jene mit einem hohen Frauenanteil.
Tarifverträge unterscheiden nicht zwischen Beschäftigungsgruppen und auch nicht zwischen Tätigkeiten.
Leser*innenkommentare
vagabundix
'über Geld spricht niemand gerne': so ein Quark!
Die ganze Geiz-is-geil-Mentalität der letzten zwei Jahrzehnte dreht sich genau darum, einen pekunären Vorteil gegenüber anderen, die z. B. nicht so psychotisch-versessen auf Schnäppchen sind, zu erhaschen. Darüber redete eine ganze Nation und vergass die sozialen Folgen von Niedriglohn und der 'Kavaliere' Steuerbetrug.
Aber beim Thema 'gleiches Einkommen für gleiche Tätigkeit': da wird selbstsüchtig gemauert. Anstatt, wie sonst auch, stolz damit hausieren zu gehen, wie viel mehr als der Kollege man mit Cheffe 'verhandelt' hat.
Es ist der IST-Zustand, der jetzt schon Unfrieden schafft, nicht der transparente SOLL-Zustand.
der_nun_wieder
@vagabundix wie hoch ist denn ihr gehalt? ;-)
vagabundix
Je nach Projekten und Arbeitswut-/lust zwischen 22 und 54 k€ p.a.
Und Ihr's?
mowgli
Wenn man kompletten Nonsens öffentlich verkündet im Brustton einer Überzeugung, die unerschütterlich erscheinen soll, dann wird er davon auch nicht wahr.
Wenn jemand glaubt, dass er zu schlecht verdient, dann lässt er das die übrigen Kolleg*innen fast immer gerne wissen. Er sucht dann offenbar nach Solidarität. Wer weiß, dass er zu viel verdient, hält lieber seine Klappe. Er will wohl keinen Neid erregen. Wenn Carsten Brönstrop also sagt, dass NIEMAND gerne spricht über sein Geld, dann zeigt er damit indirekt, was er von Leuten hält, die nicht zu viel verdienen: Sie existieren nicht für ihn. Er blendet sie ganz einfach aus. Wahrscheinlich ist das gut für sein Gewissen.
Wer trägt denn die Verantwortung für all die "strukturellen Gründe", aus denen heraus Frauen weniger verdienen? Das sind ja wohl die Jungens mit den Spitzenposten. Die Männer bleiben halt nicht gern zu Haus aus "familiären Gründen". Wenn ihre Frauen nicht befürchten müssten, dass ihre kranken Kinder nicht verarztet werden und Oma, stark verwirrt, am Gashahn dreht und eine ganze Straße sprengt, dann könnten sie ja wohl in aller Seelenruhe ihrem Job nachgehen. Die Männer haben schlich die Fähigkeiten kultiviert, die es ermöglichen, sich Sachen, die sie nicht gut können wollen, vom Hals zu halten. Sie stellen sich entweder dumm oder vollkommen asozial. Und wer sich fürchtet ist dann halt die Frau. Die traut dem Gatten schließlich alles zu.
Mit der Berufswahl ist es nicht viel anders. Warum soll eine Frau den Job, den sie gern machen will, nicht machen? Weil sich die Kerle, die das Geld verwalten, sehr einig sind, dass Leistung das ist, was die Männer tun in ihren Lieblingsjobs? Das ist doch einfach unverschämt!
Wird sicher noch ein ziemlich langer Weg, bis diese "Krone" unsrer Art endlich begriffen hat, dass sie nicht ist, was sie so gerne wäre! Es muss erschütternd sein, den Trottel zu erkennen, wo noch bis eben ein Gerücht gewesen ist!
nzuli sana
OK, reden wir außerhalb der Firmentüren über unsere Zeitkonten, Abrechnungen und Prämien und unbezahlte Überstunden.
Wer da wohl Unfrieden stiftet?
Normalo
Auch hier steht's wieder schön drin: Auf die Prioritäten kommt es an. Wer seinen Job vor allem ausgewählt hat und macht, um damit möglichst viel Geld zu verdienen, und ansonsten wenig Ansprüche stellt, der kann auch mehr Geld verlangen. Sonderwünsche hingegen kosten Einkommen. So gibt es Jobs, die mehr Geld bringen, und Jobs, die mehr Rücksicht auf die nicht-monetären Belange der Abeitnehmer nehmen (also eine gute "Work-Life-Balance" bieten). Es steht jedem Menschen frei, sich für das eine oder andere zu entscheiden - oder was in der Mitte, auch gut. Aber die Forderung, erst die Work-Life-Balance zu optimieren und dann gleiches Gehalt zu bekommen wie der, der das nicht tut, ist Schlaraffenland-Mentalität.
Zweiter Punkt: Konkurrenz, die das Geld nicht braucht, weil sie einen Haupternährer im Rücken hat, verdirbt die Preise. Deshalb kann es für ehrgeizige Frauen nur heißen: Raus aus den staatlichen oder menschlich erfüllenden Wohlfühlecken, die man sich mit wirtschaftlich vergleichsweise satten Selbstverwirklicherinnen teilen muss! Ihr seht da nicht nur deshalb keine Männer, weil die die Neigung nicht haben, sondern vor allem, weil sie von vornherein mehr aufs Geld schauen und lieber mit Leuten konkurrieren, die das auch tun.
Kleopatros
Hier mal ein reelles Beispiel, dass ich auch belegen kann... auf der Hauptstraße bei mir um die Ecke, gibt es eine Bäckerei und einen Umzugsladen, bei beiden hängen gerade Schilder im Fenster wo nach Personal gesucht wird: Verkäuferin und Sekretärin. beides mal ist nur die weibliche Form angegeben. Wo sind die Gleichberechtigungskämpfer, die dort jeden Tag dran vorbeilaufen?
Sind Boni-Zahlungen dann überhaupt erlaubt, schließlich ist die Tätigkeit z.B. Vertreter ja die gleiche. Oder kann der CEO von BMW klagen, weil der CEO von VW mehrbekommt? Obwohl beide die gleiche Tätigkeit haben?
Was ist eigentlich mit der Gender Tax Gap? Wieviel Prozent zahlen Männer mehr Steuern als Frauen, warum gibt es keine direkten Bestrebungen, die eine höhere Besteuerung von Frauen fordern? Was ist mit Gesundheitskosten, gibt es da einen Gender Gap was wird dagegen getan, was mit Rente, gibt es bezüglich der akkumulierten Renten Ausschüttung ein Gap? was wird dagegen getan?
All I hear is gender pay gaga.
Dhimitry
"Was ist eigentlich mit der Gender Tax Gap? Wieviel Prozent zahlen Männer mehr Steuern als Frauen, warum gibt es keine direkten Bestrebungen, die eine höhere Besteuerung von Frauen fordern?"
Die Frage ist entweder spaßig gemein, oder schlichtweg dumm!
Steuerzahlungen richten sich i.d.R. nach dem Einkommen einer Person. Wenn es also einen Gender-Pay-Gap gibt, dann gibt es auch einen darauf basierenden Gender-Tax-Gap. Gleiches gilt für den sogenannten Gender-Pension-Gap, da auch die Renten aus den Einkommen abgeleitet sind.
Das durchschnittlich frühere Ableben von Männern liegt u.a. auch daran, dass Männer seltener zum Arzt gehen. Warum auf immer! Vielleicht aufgrund erlernter Rollenmuster, vielleicht aufgrund ihrer Gene. Mensch weiß es nicht...