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Transgender in jungen JahrenGeschlecht? Ein klein bisschen egal

Die Gender-Transition ist nie einfach. Gerade Jugendlichen wird sie oft behördlich erschwert. Doch Luka (19) und Laura (14) sind guter Dinge.

Hallo Pubertät: „Komisch, wie viel man auf einmal schwitzt“ Foto: Xueh Magrini Troll

L etztes Jahr habe ich für eine Recherche zwei transgender Jugendliche getroffen. Laura aus Hessen und Luka aus Berlin. Der Text erschien unter dem Titel „Aufwachsen in einer Welt voller Hürden“ hier bei taz zwei. Nun habe ich bei den beiden nachgefragt, was in der Zwischenzeit passiert ist.

Laura, 14, aus Hessen, hat bei unserem letzten Treffen noch auf die Bewilligung ihrer Hormonersatztherapie gewartet. Seit einem Jahr nimmt sie Östrogen, als Tropfen zum Schlucken. „Endlich habe ich nicht mehr das Gefühl, in einem Kinderkörper festzustecken“, sagt Laura.

Vor dem Östrogen nahm sie Hormonblocker. Die verhinderten zum Beispiel Stimmbruch und Bartwuchs, jedoch auch die sonstige körperliche Entwicklung. Mit dem Östrogen hat bei Laura nun endlich die Pubertät angefangen. „Komisch, wie viel man auf einmal schwitzt“, sagt sie.

Auf die Frage, was sich im letzten Jahr verändert hat, nennt Laura aber nicht als Erstes die Hormone. Sondern dass sie dank gelockerter Corona-Maßnahmen wieder mit ihrer Band auftreten kann. Laura singt, spielt Klavier und schreibt eigene Songs. „Es ist ein tolles Gefühl, zu zeigen, was ich kann“, sagt sie. „Ich mag es, dass ich dabei von vielen Leuten angeschaut werde.“

Derweil beginnt für Luka aus Berlin das dritte Semester. An der Uni kennt niemand seine Geschichte. „Leute können mich jetzt kennenlernen, wie ich bin“, sagt er. Der 19-jährige hat das so genannte „Passing“, er wird also von Fremden spontan als „Er“ einsortiert. So kann er entscheiden, mit wem er über sein Trans-Sein spricht und mit wem nicht. „Einer Person an der Uni hab ich es erzählt, einfach weil es sich richtig angefühlt hat. Die hat super reagiert.“ Hin und wieder habe er Angst, sich zu verplappern. „Aber verglichen mit der Angst, durch die Klausur zu fallen, ist das minimal.“

Wunsch nach weniger Hass

Den Entwurf der Ampel für das Selbstbestimmungsgesetz findet Luka gut. „Die Änderungen von Name und Geschlechtseintrag sollten einfacher werden. Für mich war das damals nervig und unnötig. Ich musste mit zwei fremden Gut­ach­te­r*in­nen sprechen – in einer Zeit, wo ich ohnehin viel zum Arzt und Therapeuten gegangen bin.“

Luka findet es auch richtig, dass die Pflicht zu ärztlicher und therapeutischer Betreuung bleibt. „Transitionen sollten begleitet werden. Mir hat das sehr geholfen.“ Mit den Debatten in den Medien beschäftigt Luka sich bewusst wenig. „Ich halte mich raus“.

Laura dagegen nutzt regelmäßig Social Media, obwohl Diskussionen über Gender dort oft ins Extreme ausufern. „Ich wünschte, die Leute würden weniger Hass verbreiten“, sagt sie, „aber das wird nicht passieren. Leute im Internet sind eben Leute im Internet.“

Wenn sie über das Thema diskutiere, dann lieber im echten Leben. Was wünscht sich Laura fürs nächste Jahr? „Dass ich noch mehr mit meiner Band auftreten kann. Weil mir das Spaß macht – und es da niemanden juckt, was ich für ein Gender habe.“

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Peter Weissenburger
Autor
Schreibt über Kultur, Gesellschaft, Medien.
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3 Kommentare

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  • Wie schön wäre es, wenn Geschlecht in der menschlichen Kommunikation immer egal wäre. Wenn man nur einfach den Menschen sieht. Und ob der/die Mensch für einen attraktiv ist, für Gespräche, Business, Musik, Sex, Gartenarbeit, Hobbies... oder nur eines von allem. Nur das sollte zählen. Alles andere ist wirklich unwichtig.

  • In Kunst, Kultur und Medien bekennen sich viele dazu trans zu sein. Oft hat man als Außenstehender das Gefühl, das sei ein Trend. Empirisch ist das sicher nicht haltbar. Wer Öffentlichkeit herstellt, bekommt automatisch mehr Aufmerksamkeit.

    Nun wissen wir spätestens seit den Beatles, dass Künstler Rollenvorbilder sind. In der Pubertät als Findungsphase spielen diese als Vorbilder eine große Rolle. Der Grad zwischen Schwärmerei und nüchterne Abwägung ist hier schwerer einzuschätzen, als in allen folgenden Lebensphasen.

    Hier in dieser Findungsphase Beratung verpflichtend zu machen, gehört zur Fürsorgepflicht eines Gemeinwesens. Dazu gehört auch ein gewisses Moratorium. Es muss allerdings so ausgestaltet sein, dass es nicht stigmatisierend ist. Es muss so ausgestaltet sein, dass nicht eine einzelne Person den Lebensweg zeichnet. Es sei nur an die unseligen Schulempfehlungen von Grundschullehrern erinnert, denen die Reife für solche Entscheidungen fehlt. Es muss letztlich eine Abwägung sein, bei der die Person das letzte Wort hat und auch Eltern zurückstecken müssen.

    Es muss das Ziel sein, dass Transmenschen sich gut bei dem Prozess fühlen und ihn hinterher nicht bereuen. Dies geht nur mit vielen Ansprechstationen über einen gewissen Zeitraum. So viel Zeit muss sein.

  • Ich kann gerade bei Jugendlichen gut verstehen, dass sie sich psychologische Begleitung wünschen. Natürlich sollte man die nicht mit solchen Fragen allein lassen. Auch bei erwachsenen trans Personen, die noch in ihrer Findungsphase stecken, mag das hilfreich sein. Es war für mich auch kein leichter Weg zu verstehen, wer ich bin und was ich brauche. Das erfordert natürlich erst mal Reflexion. Dabei KANN ein Therapeut helfen. Vorausgesetzt, es handelt sich um jemanden, der Ahnung von der Materie hat - entsprechend geschultes Personal zu finden ist noch langwieriger als bei anderen Psychotherapien, oft wird man mit Wartelisten von einem Jahr konfrontiert.

    Aus eigener Erfahrung kann ich aber sagen: Mir hilft das endlose medizinische Gatekeeping kein bisschen, im Gegenteil ist es eine einzige Folter. Wir reden hier von Entscheidungen, die uns niemand abnehmen kann und die naturgemäß ausschließlich auf unserer Selbstauskunft beruhen können. Es ist vermessen und ignorant zu glauben, ein Arzt könne hier ein besseres Urteil fällen als wir selbst. Er kann uns im besten Fall nur helfen, uns schneller selbst zu erkennen.

    Dass man uns Zwangstherapien aufdrückt, denn von nichts anderem reden wir in diesem Fall, nur damit wir Leistungen in Anspruch nehmen können, die erwiesenermaßen die einzige erfolgreiche Methode sind, das bei trans Personen leider enorme Suizid-Risiko auf das normale Maß zu senken, ist eine Form von systemischer Diskriminierung, eine gesellschaftlich erwünschte Form massenhafter Menschenrechtsverletzung.

    Es wird ja niemandem verwehrt, erst mal mit einer Therapeutin zu reden, bevor die Therapie beginnt. Aber warum macht man immer noch eine Pflicht daraus? Warum schafft man so eine Zwei-Klassen-Medizin, in der jede einzelne Behandlung ein Kampf mit der Krankenkasse wird, wenn die Kosten überhaupt erstattet werden? Anders als mit Hass und Ignoranz kann ich es mir nicht erklären.