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Transgender im SportUnternehmen Transsport

Emily Bridges und Lia Thomas wollen starten. Die Radsportlerin darf nicht, die Schwimmerin doch. Und ein Transschwimmer bleibt bei den Frauen.

Ein Bild von 2018: die heutige Emily Bridges vor ihrer Transition bei der Tour de Gwent in Wales Foto: Getty Images

In Großbritannien wurde am Mittwoch die Radsportathletin Emily Bridges von ihrer Teilnahme an einem nationalen Wettrennen am kommenden Wochenende gesperrt. Ihr Auftritt bei den National Omnium Championships im englischen Derby wäre das erste Rennen der 21-Jährigen als Frau gewesen. Die Sperre kam über den Weltradsportverband UCI, der nun über die Frage des Startrechts Bridges’ am Frauenradsport entscheiden will.

Bridges hatte ihre Hormontherapie zur Transition im vergangenen Jahr begonnen. Dem britischen Verband British Cycling genügte das, weil ihr Testosteronlevel damit ein Jahr lang unter 5 Nanomol pro Liter lag, die Mindestvoraussetzung für Transsportlerinnen. Bridges erklärte in dem britischen Fachblatt Cycling Weekly, ihre Kraft sei seither um bis zu 16 Prozent gesunken.

Bridges, die sich seit der Pubertät nicht als Junge fühlte und in dieser Zeit auch mit dem Radsport begann, hat sich vor zwei Jahren freiwillig für die Messung der Leistung von Transathletinnen zur Verfügung gestellt. Derzeit ist Bridges noch als männlicher Athlet beim Radweltverband UCI registriert. Es heißt, solange diese Registrierung nicht ausgelaufen sei, dürfe Bridges nicht bei Frauenrennen starten.

Im Februar gewann Bridges noch ein Punkterennen der britischen Hochschulmeisterschaften – in der Männerkategorie, in der sie während ihrer gesamten Transition teilgenommen hatte. Sie gilt als eines der großen Radsporttalente, die das Vereinigte Königreich künftig vertreten können. 2018 hatte Bridges den Junioren-Landesrekord über 25 Meilen gebrochen. Dass sie nun an diesem Wochenende nicht fahren darf, könnte sie ihren Platz im Nationalteam kosten.

Mit neuen Studien zu mehr Gerechtigkeit

An ihrem Start hatte es massive Kritik bis hin zu Boykottdrohungen gegeben. Der Verband verspricht nun, nach besseren Lösungen für Trans­sport­le­r:in­nen zu suchen. „Trans und nichtbinäre Inklusion geht über ein Rennen hinaus und ist eine Herausforderung für den gesamten Elitesport“, heißt es in einer Erklärung. „Alle Sport­le­r:in­nen haben mehr Klarheit verdient über die Teilnahme an Wettbewerben.“

2018 hatte Bridges noch einen Junioren-Landesrekord gebrochen. Sie gilt als eines der größten britischen Talente

Die britische Stelle für Gleichberechtigung im Sport (SCEG) glaubt, dass jüngste sportwissenschaftliche Erkenntnisse zu Lösungen führen könnten: Es gebe mittlerweile Erkenntnisse über Unterschiede in Kraft, Ausdauer und Körperbau bei durchschnittlichen Cis-Frauen und durchschnittlichen Transfrauen oder nichtbinären Personen, die bei der Geburt als männlich registriert wurden. Auf Grundlage der Studien, so die SCEG, sei es nicht leicht, einen guten Weg zu finden.

Die Debatte über Emily Bridges fällt zeitlich zusammen mit Aus­einandersetzungen in den USA (und darüber hinaus) über Lia Thomas. Die 21-jährige Schwimmerin hatte bei den nationalen Collegemeisterschaften über 500 Yards gewonnen. Über 200 Yards war sie Fünfte geworden, über 100 Yards Achte. Bis 2019 war Thomas in den männlichen Leistungsklassen gestartet. Ihre Hormontherapie begann sie vor vier Jahren, seit etwa drei Jahren ist sie abgeschlossen. Auch Lia Thomas verlor in dieser Zeit deutlich Muskelmasse und Ausdauer. Die Anforderungen des US-Schwimmverbands hatte Thomas erfüllt: weniger als 5 Nanomol Testosteron pro Liter über 36 Monate. Ähnlich wie der britische Radsportverband erarbeitet auch der Weltschwimmverband Fina derzeit neue Regeln zur Geschlechtergleichstellung.

Thomas’ und Bridges’ Auftreten im Frauensport wird von heftiger Kritik begleitet. Ex-Weltklasseschwimmer Michael Phelps oder die frühere Spitzentennisspielerin Martina Navratilova fordern für sie Startverbote in Frauenwettbewerben. Schon seit mehreren Jahren setzen rechte Kräfte bei den US-Republikanern auf das Thema, das in den Worten des frühen US-Präsidenten Donald Trump „Integrität des Frauensports“ heißt. Sie haben bereits in elf Bundesstaaten Gesetze initiiert, die transsexuellen Kindern den freien Zugang zum Sport untersagen. Doch auch innerhalb der Republikaner ist das Thema nicht unumstritten. Der Gouverneur von Utah, Spencer Cox, will gegen ein solches „Save our Girls“-Gesetz sein Veto einlegen: Zum einen seien nach einer aktuellen Studie 86 Prozent der Transjugendlichen suizidgefährdet, zum anderen gebe es unter 75.000 Sport treibenden Kindern und Jugendlichen an Highschools in Utah gerade mal vier offene Transgender.

Bei den Collegemeisterschaften wurde übrigens über 100 Yards ­Iszac Henig Fünfter – in dem Finale, in dem Lia Thomas Achte wurde. Der 20-Jährige ist ein Transmann, er hat seine Transition noch nicht begonnen. Unterzöge er sich einer Hormontherapie, käme er in Konflikt mit den Antidopingregeln.

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5 Kommentare

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  • Folgende Regelmäßigkeiten lassen sich feststellen:

    1.) Niemand transitioniert aus dem Frauenwettbewerb in ein vergleichbares oder höheres Level im Männerwettbewerb. In dieser Richtigung werden hormonelle Transitionen immer bis nach des Karriereende im Leistungssport verschoben.

    2.) Wechsel vom Männer- in den Frauenwettbewerb sind auch bei Hormongabe, Auszeiten, Trainings- und Wettkampfpause nicht mit Einbußen in der Leistungsfähigkeit im Vergleich zur Konkurrenz verbunden. Wer vorher zu den besten 5% gehört, wird nachher mindestens zu den besten 5% gehören, wahrscheinlich aber deutlich besser sein.



    Lia Thomas war vor der Transition von Titelgewinnen und Rekorden weit entfernt, danach kam beides in kurzer Zeit. Laurel Hubbard hat ewig nicht richtig trainiert und war lange schon nicht mehr im besten Alter für Gewichtheben, und hat trotzdem bei den Frauen kontinentale Wettbewerbe gewonnen.

    • @Tatzenträger:

      Das ist so nicht ganz richtig. Bevor Lia Thomas mit der Transition anfing, war sie bei den Männern vorne mit dabei und war ein großes Nachwuchstalent. Durch die Hormontherapie verlor sie dann viel Muskelmasse, was sich natürlich auf ihre Wettkampfleistungen auswirkte.

      Bei den Frauen ist sie im übrigen keineswegs so dominant, wie manche das darstellen. Das wird auch im Artikel erwähnt - sie gewann ein Rennen, in anderen wurde sie fünfte oder achte.

  • Die ganze Diskussion über Transpersonen im Leistungssport zeigt doch nur eines sehr deutlich auf: Leistungssport hat nichts mit Fairness oder Gleichbehandlung zu tun.



    Ohne die angeborenen körperlichen Merkmale und eine finanziell starke Familie bringt die beste Motivation einen nicht an die Spitze.



    Die Sportjournalisten feiern die wenigen Ausnahmen, die uns weismachen wollen, dass jeder es im Leistungssport an die Spitze schaffen kann, wenn er oder sie es nur wirklich will. Aber das ist bloß ein Mythos, der uns das Zuschauen attraktiv machen soll.



    Auch die Doping-Regeln sind ein Witz. Da geht es nicht um den Schutz der Sportler oder um Fairness. Es gewinnt am leichtesten, wer die besseren Ärzte hat. Die besten wissen nämlich, wie sie dopen können, ohne die offiziellen Regeln zu brechen. Die zweiten wissen, wie sie dopen können, ohne erwischt zu werden.



    Wenn man dann sieht, dass die realen Blutwerte keine Rolle mehr spielen, wenn diese ohne gelistete Dopingmittel erreicht werden, sieht man, dass es eben nicht um die Gesundheit der Sportler geht, sondern nur um den Erhalt des Mythos, dass jeder und jede es schaffen kann.

  • Es ist gut zu hören, dass sich die großen Sportverbände dem Thema endlich annehmen.

    Ein pauschales ablehnen von Transpersonen im Sport macht alleine vor dem Gedanken sportlicher Fairness keinen Sinn und zeigt schlicht von einer Transfeindlichen Haltung, die lieber Stereotype heranzieht als sich mit realen Fakten auseinanderzusetzen.

    De-facto ist es immer noch so, dass zB Transfrauen sich einem wahren Shitstorm aussetzen müssen, sollten sie erfolgreich sein, völlig unabhängig wie weit zB eine Hormonbehandlung fortgeschritten ist.

    Transmänner wären ja von allen Wettbewerben in denen Testosteron als Doping gewertet wird ausgeschlossen und Transfrauen würden enorme Nachteile in Kauf nehmen.

    Meine persönliche Meinung, als Ex-Sportler:in und Transperson ist, es sollten langfristig andere Leistungskategorien als M/F gefunden werden.

    Genauso wie wir innerhalb der Geschlechterkategorien je nach Disziplin nach Alter, Gewicht oder Leistungsklasse unterscheiden könnten wir das auch mit Testosteron tun. Letztendlich tun wir das im Rahmen der Dopingkontrollen ja ohnehin schon.

    Viel wichtiger als im Profisport ist aber imho der freie Zugang für Transkinder und Jugentliche. Transmädchen in die Jungenumkleide zu zwingen und Transjungs in die Mädchenumkleide ist vermutlich eine Erfahrung die eher dazu führen wird, dass diese gar nicht mehr am Sport teilnehmen werden.



    Und wer da jetzt mit ‚aber die Mädchen müssen ja geschützt werden‘ kommt, lasst uns vielleicht mal generell darüber reden wie problematisch Gruppenduschen sein können aber einzelne Mädchen dafür als Täterinnen zu brandmarken weil sie einen Penis haben würde ich doch eher als übergriffig einstufen.

    • @Notyourgirl:

      Bei der Wertung von Leistungen im Spitzensport andere Kriterien als das Geschlecht heranzuziehen, fände ich einen super Ansatz, auch in Hinblick auf den Schulsport.

      Für den Jugendsport sehe ich weniger die Duschen als Problem an (Wobei ich schon finde, das jede und jeder selbst entscheiden dürfen sollte, mit wem man eine Dusche teilen möchte). Eher ist es ein Problem, dass es eben auch im Kleinen unfair ist, wenn beispielsweise im Mädchenfußball Personen mit einem männlichen Körper auftreten, die dann in der gleichen Altersklasse erheblich leistungsfähiger sind. (Ich hab mir mal so ein Spiel der Mädchenauswahl eines Erstligaklubs gegen eine 2 Jahre jüngere Jungenmannschaft aus der Stadt angeschaut.-das war ausgewogen!) Das demotiviert. Genauso wie es demotiviert, wenn die Rekorde des eigenen Geschlechts demnächst von Transfrauen erstellt werden.