Trainerdebatte bei Borussia Dortmund: Vollstes Vertrauen – bis Samstag
Das Treuebekenntnis von Dortmunds Geschäftsführer Hans-Joachim Watzke zu Trainer Lucien Favre kündet dessen Rauswurf an.
L ucien Favre kann sich schon mal nach einem neuen Klub umschauen. Oder vielleicht auch eine hübsche Erholungsreise, eine Auszeit, planen. Denn was Hans-Joachim Watzke am Sonntag auf der Jahreshauptversammlung von Borussia Dortmund bekundete, mag sich für den Laien vielleicht zwar ganz gut anhören, den Kennern der Szene jedoch ist der Sound des Abschiednehmens vertraut, mit dem Watzkes Rede unterlegt war.
„Lucien, du hast auch weiter unser Vertrauen“, sagte der Geschäftsführer von Borussia Dortmund zu seinem Nochtrainer. Und er ergänzte: Du hast unsere „volle Unterstützung“. Entscheidender als diese Formulierungen aus dem Stehsatz von Klubchefreden im Krisenfall waren aber andere Botschaften. Das Ende der Ära Favre kündete Watzke zweimal mit der Formulierung „Am Ende“ an. Er sagte: „Am Ende ist Fußball immer über Ergebnisse definiert.“ Und: „Am Ende müsst ihr euch für die nächsten beiden Spiele straffen.“
Im Klartext heißt das: Favre muss mit seinem Team am Mittwoch in der Champions League in Barcelona und am nächsten Wochenende bei Hertha BSC in Berlin punkten. Aber selbst wenn ihm das gelingen sollte, dürfte das nur einen kleinen Aufschub bedeuten. Denn Watzke hat ihn am Sonntag öffentlich angezählt. Und Trainer, denen ein Ultimatum gestellt wurde, denen signalisiert wurde, dass ihr Kredit aufgebraucht ist, haben nur in absoluten Ausnahmefällen das Zepter weiter schwingen dürfen.
Es ist ein Abschied auf Raten. Die Vereinsführung hat in den vergangenen Wochen trotz harscher Kritik sich lange mit Trainer Favre solidarisch gezeigt. Kein Wunder. In rasantem Tempo formte der Schweizer in der vergangenen Saison ein Spitzenteam aus dem BVB, der seit langer Zeit mal wieder dem großen FC Bayern die Stirn bieten konnte. Die großen Schwankungen, die den Verein nach dem Abschied von Übervater Jürgen Klopp begleiteten, schienen mit Favre ein Ende zu finden.
Pfiffe für das BVB-Team
Just vor einem Jahr, als der BVB an der Tabellenspitze stand, stellte Präsident Reinhard Rauball auf der Jahreshauptversammlung genüsslich fest: „Ich sehe nur strahlende Gesichter.“ Am Sonntag sah er bei seiner Wiederwahl als Präsident in viele erboste Gesichter. Das Team wurde im Saal auch mit Pfiffen und „Schämt euch“-Rufen empfangen.
Eine klare Bilanz über die Arbeit von Favre in dieser Saison zu ziehen, fällt der Klubführung vielleicht auch deshalb schwer, weil das Team so unterschiedliche Gesichter zeigt. Oft auch innerhalb eines Spiels, wie die Begegnungen gegen Inter Mailand und zuletzt gegen Paderborn zeigten. Der aus eigener Sicht zum Meisterschaftskandidaten aufgepeppte Kader weist unvermutete Disbalancen auf. Zumindest in dieser Hinsicht fasste sich Hans-Joachim Watzke am Sonntag auch an die eigene Nase. Es sei ein Fehler gewesen, räumte er ein, dass man neben Paco Alcácer nicht eine zweite Nr. 9 verpflichtet habe.
Nicht einmal anderthalb Jahre ist Lucien Favre in Dortmund im Amt. Erfolg hatte der 62-Jährige auf all seinen Trainerstationen. Verstetigt hat er seine gute Arbeit aber an keinem Standort. Auch wenn man das bereits zuvor wusste, mag das derzeit in Dortmund die Vorbehalte gegen den Schweizer stärken.
Unstet arbeitet aber auch die Vereinsführung von Borussia Dortmund. Die Position des Trainers ist seit dem Abgang von Watzkes Freund und Spezi Jürgen Klopp eine deutlich schwächer verankerte als andernorts. Im Vergleich zum Konkurrenten RB Leipzig etwa fehlt es der Borussia an einem halbwegs krisenfesten Konzept. Vor zwei Jahren wurde das Team auf der Jahreshauptversammlung unter der Verantwortung von Trainer Peter Bosz, der wenige Wochen zuvor gefeiert wurde, beschimpft, letztes Jahr unter der von Favre bejubelt, dieses Jahr beschimpft. Und nächstes Jahr?
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