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Tracking-CookiesDie Agenten, die unser Internet zerstörten

Tracking-Cookies hatten ihren Anteil an der Zerstörung des freien Netzes. Unser Kolumnist hat im Streit um sie auch einen Freund verloren.

„Das Netz war Ende der 1990er noch ziemlich anarchisch unsortiert“ Foto: Markus Gann/imago

M an kann Scheiße die buntesten Namen geben, es wird doch keine Zuckerwatte draus. Als ich das erste Mal von Tracking-Cookies hörte, da nannte man die noch Agenten. Ich hatte meinen Freund Robert* gefragt, was er denn so machte zum Abschluss seines Informatikstudiums. Sehr stolz erzählte er von diesem völlig neuen Konzept der Agenten.

Ganz kleine Anker sollten das sein, die Nutzerverhalten online beobachtbar und analysierbar machen würden. Die wären überall dabei, könnten jeden Klick registrieren und speichern. So ließen sich zum Beispiel Empfehlungen für bestimmte Inhalte im Internet geben, meinte Robert mit leuchtenden Augen.

Unsere Freundschaft litt erheblich unter dem Gespräch, das dann folgen sollte. Das Netz war Ende der 1990er noch ziemlich anarchisch unsortiert und ich mochte das. Es brauchte nicht viel Fantasie, um sich vorzustellen, wofür die Agenten benutzt werden könnten und dass da genug Potenzial zur Zerstörung des freien Netzes drin steckte.

In jugendlicher Rigorosität war ich der festen Überzeugung, dass man sich unter gar keinen Umständen auf die Seite der kapitalistischen Überwachung schlagen dürfte und teilte das auch mit; wahrscheinlich ohne auf eine sonderlich zivile Wortwahl zu achten.

Das Internet könnte ein Haufen Hippies sein

„Aber du siehst einfach immer nur das Negative.“ Das stimmt wohl, aber ich verstehe bis heute nicht, warum das als Nachteil geführt wird. Es soll ja sogar Leute geben, die glauben, dass Kassandra ein Schimpfwort ist. Sie übersehen dabei, dass die Tochter des Priamos halt immer recht hatte mit ihren unschönen Visionen.

Ich sag’s mal so: Troja könnte noch immer eine florierende Stadt sein. Und das Internet ein bunter Haufen Hippies. Grimmige Hippies, mit eher negativen Einstellungen zu allem Möglichen, ok, aber immerhin wäre Amazon nur das englische Wort für einen Wald in Brasilien, Elon müsste sein Dasein mit den kümmerlichen Alimenten aus der väterlichen Diamantenmine fristen und Google wäre eine Suchmaschine.

Robert und ich jedenfalls sahen uns mit der Zeit seltener, beide mit kaum kompatiblen Missionen in der Weltgeschichte unterwegs. Wenn wir uns trafen, erzählte er von Meetings mit Konzernbossen. Wie er dort fünf Minuten hatte, um ein Projekt zu pitchen. Fünf Minuten, in denen über Hunderttausende Mark entschieden wurde.

Ich erinnere mich nicht mehr, wer von uns beiden zuerst nicht mehr ans Telefon ging. Robert, hochintelligent und eloquent wie er schon immer war, verkaufte sich, seine Agenten und schließlich sein Start-up zu einem guten Preis.

Beim Besuch jeder beliebigen Website ploppt ja regelmäßig die Frage auf nach der Zustimmung zur Verarbeitung meiner Daten durch 173 oder so Partner. Da muss ich häufig an meinen alten Freund Robert denken und mir kommen Tränen in die Augen.

Den Cookie, der meine Präferenzen dann speichert, nenne ich Zuckerwatte. Klingt doch netter als fckrbrt1485consentx.

*Name geändert

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Daniél Kretschmar
Autor
Jahrgang 1976, Redakteur für die tageszeitung 2006-2020, unter anderem im Berlinteil, dem Onlineressort und bei taz zwei. Newsletter unter: https://buttondown.email/abgelegt
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