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„Toxic Trait“ auf TiktokAntitoxische Selbstkritik

Der Tiktok-Trend „Toxic Trait“ rückt unsere dunklen Seiten ins Rampenlicht – humorvoll und ehrlich. Doch was steckt hinter dem Phänomen?

Sind wir nicht alle ein bisschen toxisch? Foto: Frank Waßerführer/imago

„With a taste of a poison paradise, I’m addicted to you, don’t you know that you’re toxic?“. Mit diesen ikonischen Zeilen macht Britney Spears 2003 als eine der Ersten etwas, das heute ganz selbstverständlich im Sprachgebrauch angekommen ist: Menschen als „toxisch“ zu beschreiben. Gemeint sind Verhaltensweisen, die verletzen und manipulieren.

Doch während es lange nur darum ging, andere als toxisch zu entlarven und für ihr Verhalten zu kritisieren, fordert der Tiktok-Trend „Toxic Trait“ dazu auf, die eigenen dunklen Seiten zu hinterfragen und öffentlich zu teilen. In oft humorvollen, übertriebenen oder auch ehrlichen Beispielen geben Use­r*in­nen Einblick in ihre „toxischen“ Eigenheiten.

„Mein Toxic Trait ist, dass ich immer meinen Ex stalken muss, sobald ich in einer neuen Beziehung bin“, „Ich blockiere Leute sofort, wenn ich mich verletzt fühle“ oder „Obwohl ich die Wahrheit schon kenne, stelle ich meinem Gegenüber trotzdem Fragen, um zu sehen, ob die Person lügt“, gehören zu den Klassikern unter den Beiträgen. Der „Toxic Trait“ wird so zum Spiegel für eigene Unzulänglichkeiten und, auf eine Art, auch die Grundlage von „Red Flags“ in Beziehungen.

Das teils ironische, teils tiefgründige Analysieren von Beziehungsdynamiken ist relatable für die Zu­schaue­r*in­nen – je­de*r hat düstere Seiten. Doch obwohl die Tiktok-Psychologie gut unterhält, ist auch Vorsicht geboten. Es ist zwar zunehmend populär, schon fast normal geworden, Personen als „toxisch“ zu bezeichnen.

Zum Toxischsein gehören also immer zwei

In der wissenschaftlichen Literatur taucht der Begriff aber so gut wie gar nicht auf und bezieht sich nicht auf einzelne Menschen, sondern auf Dynamiken. Psy­cho­lo­g*in­nen sprechen eher von „dysfunktionalen Beziehungen“. Zum Toxischsein gehören also immer zwei – somit wäre es vielleicht sinnvoller, den Begriff „toxisch“ auf Beziehungsstrukturen zu beziehen.

Manche tun das und stellen sogar die These auf, dass der „Toxic Trait“ das genaue Gegenteil der „Love Language“ ist, der individuellen Präferenz, Liebe ausdrücken und zu empfangen. Wenn jemand durch Hilfsbereitschaft seine Liebe zeigt, hat diese Person möglicherweise Schwierigkeiten, selbst um Hilfe zu bitten.

Und Menschen, die ihre Liebe durch Worte ausdrücken, finden sich demnach in Konflikten oft sprachlos wieder, da ihnen die richtigen Worte fehlen, um ihre Gefühle zu vermitteln. In dieser Hinsicht ist der „Toxic Trait“ nicht nur eine Liste von Fehlern, sondern auch eine Übung für mehr Liebe und eine ehrlichere Kommunikation – mit anderen, aber auch mit sich selbst.

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