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Tourismus im WohnquartierDer Fuchsbau ist weiter bewohnt

Das Oberverwaltungsgericht hat den Betrieb des Fantastic Foxhole Hostel in Neukölln untersagt, das Geschäft geht trotzdem weiter. Der Bezirk will das nicht hinnehmen.

Das „Fanstastische Hostel“ wirbt mit dem hippen Ambiente heruntergekommener Altbauten Foto: Screenshot der Website

Eigentlich dürfte es das Fantastic Foxhole Hostel in der Neuköllner Weserstraße so nicht mehr geben. Ein Gerichtsurteil hat vorige Woche den Weiterbetrieb mit sofortiger Wirkung untersagt. Doch am Donnerstag sind auf der Webseiten booking.com weiterhin Doppelstockbetten buchbar: 57 Euro kosten etwa drei Nächte für zwei Personen im „gemischten Schlafsaal“.

Für die Nachbarn eine Provokation: Das Hostel liegt mitten im Wohngebiet, die Gästezimmer im Hinterhof des Hauses Nr. 207, im Vorderhaus befinden sich Rezeption und die Bar Kaduka. Letztere betrifft der Rechtsstreit übrigens nicht: Sie ist legal, allerdings auch nervig für die Nachbarn, weshalb die Vorgänger-Bar Fuchs&Elster irgendwann aufgab.

„Seit der illegalen Eröffnung des Hostels vergeht für die Anwohnenden bis heute kaum ein Tag oder eine Nacht ohne Rollkoffer- und Partylärm, Torknallen und Hostelgästen, die sich lautstark zu jeder Uhrzeit bemerkbar machen. Vom Kaduka-Bar-Lärm ganz zu schweigen“, schreibt die Nachbarschaftsinitiative Weserkiez, ein Zusammenschluss von lärmbetroffenen Nachbarn, am Mittwoch in einer Mitteilung. Sie fordert, dass das Gerichtsurteil nun durchgesetzt wird.

Im April hatten Hagen Wittenborn und Martin Hussain das Hostel in einem ehemaligen Industrieloft eröffnet mit 33 Schlafplätzen für eine junge Klientel mit schmalem Geldbeutel – eben das klassische Zielpublikum im hippen Kiez. Seither kämpfen die Nachbarn dagegen. Juristisch war das nicht schwer, denn den Betreibern des Hostels fehlt bis heute eine Bau- und Betriebsgenehmigung. Das Bezirksamt untersagte daher bereits kurz nach Eröffnung des Hostels dessen Nutzung mit sofortiger Wirkung.

Dagegen reichten die Betreiber Klage ein, doch das Verwaltungsgericht bestätigte im einstweiligen Rechtsschutz die Linie des Bezirks. Dessen Vorgehen wurde am 29. August vom Oberverwaltungsgericht in letzter Instanz bestätigt. „Ich fordere die Betreiber auf, den Betrieb mit sofortiger Wirkung einzustellen“, erklärte der Stadtrat für Stadtentwicklung, Jochen Biedermann (Grüne), am vorigen Freitag.

Die Betreiber haben das aber offenbar nicht vor. Hagen Wittenborn schrieb am Donnerstag auf taz-Anfrage per Mail: „Bei einer Beherbergungsstätte von bis zu 12 Betten bedarf es für normal keiner besonderen Erlaubnis. Trotzdem wurde vor einiger Zeit ein entsprechender Antrag eingereicht.“ Diese Betten würden derzeit über die erwähnte Webseite angeboten.

„Die Vermietung der weiteren 21 Betten erfolgt auf Langzeit bzw. WG-Prinzip.“ So werde es auch mit weiteren „Räumlichkeiten“ im Haus gehandhabt, dafür habe man Mietverträge. Wittenborn betonte zudem, es werde ja im Hauptsacheverfahren weiter gegen die versagte Baugenehmigung durch den Bezirk vorgegangen.

„Verachtung von Recht“

Stadtrat Biedermann zeigt sich gegenüber der taz angesichts „dieser Verachtung von Recht und Gesetz“ fassungslos. Zwar habe der Betreiber tatsächlich in der vorigen Woche einen neuen Antrag auf Nutzung von zwölf Betten gestellt. Dieser werde nun auch geprüft – was normalerweise rund zwei Monate dauere. Aber für den aktuellen Betrieb, gleich mit welcher Bettenzahl, habe das Hostel nun mal – gerichtlich bestätigt – keine Genehmigung. Der Bezirk werde daher „kurzfristig“ die Räumung androhen, so Biedermann, und auch vollziehen – „gegebenenfalls mit Amtshilfe durch die Polizei“.

Vielleicht hat die Drohnung schon gewirkt: Am Freitagnachmittag ist der Fuchsbau über booking.com doch nicht mehr buchbar.

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