Toter Syrer in der JVA Kleve: SPD droht mit U-Ausschuss
Neue Details im Fall des Brandopfers Amed A. bereiten der NRW-Regierung Probleme. Die Justiz ignorierte offenbar Suizidanzeichen.
Erst am Mittwochabend hatte Biesenbach einräumen müssen, dass Amed A. bereits bei Haftantritt als akut suizidgefährdet galt. „THC-Abhängigkeit, schädlicher Konsum von Alkohol, Persönlichkeitsstörung (Dauerdiagnose), Anpassungsstörung […], Borderline-Persönlichkeitsstörung“, ist in seinen Gesundheitsakten zu lesen: In Syrien soll Amed A. gezwungen worden sein, die Gruppenvergewaltigung seiner Verlobten mitanzusehen, die danach verblutet sein soll.
Nach Worten des Sozialdemokraten Wolf halten die Ermittlungsbehörden mittlerweile einen Suizidversuch für die wahrscheinlichste Ursache des tödlichen Zellenbrands. „Dass er möglicherweise keinen anderen Ausweg sah, dass wir dazu beigetragen haben – das geht mir nahe“, sagte auch Justizminister Biesenbach im Landtag.
Amed A. war seit dem 4. September nicht mehr wie bei Suizidgefährdeten vorgesehen intensiv überwacht worden. Zuvor hatte eine Gefängnispsychologin keine Anzeichen für eine Selbstgefährdung mehr gesehen. 13 Tage später brach in seinem Haftraum in der Justizvollzugsanstalt Kleve ein Feuer aus. Der 26-Jährige erlitt dabei so schwere Verletzungen, dass er trotz einer Lungentransplantation am 29. September in der Bochumer Unfallklinik Bergmannsheil verstarb.
Keine Fotos verglichen
In Haft geraten war Amed A. bereits Anfang Juli, nachdem er vier Frauen an einem See sexuell belästigt haben soll. Da ein von der Staatsanwaltschaft Hamburg mit zwei Haftbefehlen gesuchter Mann aus Mali einen ähnlichen Tarn- und Aliasnamen benutzt hatte, wanderte prompt der Syrer ins Gefängnis. CDU-Landesinnenminister Herbert Reul hat wegen dieser Verwechselung „schwere Fehler“ seiner Polizei eingeräumt: Fotos der beiden Männer wurden nicht verglichen, auch nicht Staatsangehörigkeit und Geburtsort.
Auch die Gefängnispsychologin schenkte Beteuerungen von Amed A., er sitze zu Unrecht in Haft, keinen Glauben. Eine „Menge kaum nachvollziehbarer Angaben zur Person“ habe der Syrer gemacht, notierte sie: „Das Urteil betreffe ihn nicht. Er sei nie in Hamburg gewesen, schon gar nicht zu der dort angegebenen Tatzeit, da sei er noch gar nicht in Deutschland gewesen, usw. usf.“
Heftige Kritik an den Justizbehörden kommt auch von den Grünen. „Lebensfremd“ sei deren Darstellung, Amed A. habe nur diese eine Gelegenheit genutzt, um auf seine widerrechtliche Inhaftierung hinzuweisen, findet der Abgeordnete Stefan Engstfeld. Ebenso unglaubwürdig sei die Behauptung, der Bürgerkriegsflüchtling habe nicht ein einziges Mal nach seinem Anwalt verlangt. „Hier stimmt etwas ganz gewaltig nicht“, warnte Engstfeld deshalb im Landtag: „Hier stinkt etwas.“
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