Tod von Irans Präsident Raisi: Staatstrauer und Feuerwerk
Nach dem Tod des iranischen Präsidenten Raisi wird erneut die große Spannung in dem islamischen Gottesstaat deutlich.
Es gibt kaum eine Person in der Islamischen Republik Iran, die so viel Blut an den Händen kleben hat wie Präsident Ebrahim Raisi. Das erklärt auch die Reaktionen auf den Tod des Regierungschefs. Während die Staatsmedien Raisi nach seinem Tod bei einem Hubschrauberabsturz als Märtyrer betrauern, feiern die Menschen in Iran in zahlreichen Städten des Landes mit Feuerwerk. Raisi war zusammen mit seinem Außenminister Abdollahian auf der Rückreise von einem Besuch im Nachbarland Aserbaidschan, als der Hubschrauber Sonntagnacht abstürzte.
In den 1980er Jahren war er als stellvertretender Generalstaatsanwalt von Teheran Teil einer vierköpfigen Todeskommission, die in minutiösen Schnellverfahren Abertausende politische Gefangene hinrichten ließ. Bis heute ist unklar, wie viele Gefangene tatsächlich, zum großen Teil außergerichtlich, hingerichtet worden sind.
Frauen wurden vor der Exekution systematisch vergewaltigt, damit sie nicht als „Jungfrauen“ sterben und ins „Paradies“ kommen. Die Leichname wurden in Massengräbern verscharrt, das bekannteste ist der Khavaran-Friedhof. Die meisten Familien wissen bis heute nicht, wo ihre Angehörigen begraben liegen. Amnesty International spricht von einem Verbrechen gegen die Menschlichkeit.
Doch Konsequenzen gab es für den „Schlächter von Teheran“ nie. Im Gegenteil: Im Jahr 2019 wird Raisi Chef der Justiz. In diesem Jahr lässt das Regime mindestens 1.500 Menschen bei den Novemberprotesten auf der Straße erschießen. Bis heute droht zahlreichen Protestierenden die Hinrichtung. Kurz darauf wird er auf Wunsch des Obersten Führers Ali Chamenei im Jahr 2021 Präsident der Islamischen Republik und verantwortet die brutale Niederschlagung der „Frau, Leben, Freiheit“-Proteste im Herbst 2022.
Angehörige der hingerichteten Protestierenden feiern
Vor dem Hintergrund dieser Menschenrechtsverletzungen ist die Freude über Raisis Tod bei vielen Iraner*innen groß. In den sozialen Medien beglückwünschen sich Oppositionelle, noch bevor die Meldung über den Tod des Präsidenten bestätigt war. In zahlreichen Städten Irans besetzten Basidsch-Milizen die Straßen, um Feierlichkeiten zu verhindern. Dennoch sind Bilder von Feuerwerken aus zahlreichen Städten zu sehen. Angehörige derer, die bei den „Frau, Leben, Freiheit“-Protesten getötet worden sind, teilten Videos, wie sie anstoßen.
„Karma“ ist das Wort, das immer wieder fällt. Der Hubschrauber ist am ersten Jahrestag der Hinrichtung von drei Protestierenden der „Frau, Leben, Freiheit“-Bewegung aus Isfahan abgestürzt, in der Provinz Ost-Aserbaidschan, wo wenige Kilometer entfernt am selben Morgen mindestens fünf Gefangene im Urmia-Gefängnis hingerichtet worden sind, darunter eine 53-jährige krebskranke Frau.
Auch Aktivist*innen aus Syrien, Irak und weiteren Ländern freuen sich, immerhin ist der iranische Außenminister Abdollahian mitverantwortlich für den Terror in vielen Staaten gewesen.
Bei aller Freude ist jedoch auch klar, dass sich durch den Tod des Präsidenten nicht viel ändern wird im Land. Die eigentliche Regierungsmacht liegt nicht im Präsidentenamt, sondern im Büro des Obersten Führers Chamenei sowie der Revolutionsgarde.
Der Vizepräsident Mohammad Mokhber wird die Amtsgeschäfte übernehmen, bis ein neuer Präsident gewählt ist. Dies muss nach iranischer Verfassung in den nächsten 50 Tagen geschehen.
Eine Kommission, bestehend aus dem Vizepräsidenten Mokhber, dem Chef der Justiz Gholam Hossein Mohseni-Eje’i und dem Sprecher des Parlaments Mohammad Baqer Qalibaf, soll diese Wahlen organisieren. Letzterer wird durchaus als möglicher nächster Präsident gehandelt, zumal es derzeit kaum Alternativen gibt. Qalibaf versuchte bereits 2005 und 2013 Präsident des Landes zu werden.
Mit Raisis Tod ist nicht nur der Platz als Präsident der Islamischen Republik frei geworden, sondern auch als möglicher Nachfolger Chameneis. Für Chameneis Sohn Mojtaba Khamenei gibt es nun einen Konkurrenten weniger.
Es ist eine politische Krise für die Islamische Republik. Es fehlt an Alternativen, die Wahlen müssen in den nächsten Wochen stattfinden, und die Bevölkerung kann es kaum abwarten, bis das Regime stürzt. Ob die Menschen diese Krise nutzen und erneute Straßenproteste entfachen, bleibt abzuwarten. Für sie ist jedoch eines klar: Auch mit einem neuen Präsidenten wird sich an ihrer Lage nichts ändern. Für sie sind die Kandidaten bloß weitere Marionetten Khameneis.
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