Tod einer Elfjährigen: Ex-Junkies als Pflegeeltern
Elfjährige Chantal, die vor zehn Tagen an Methadon-Vergiftung starb, lebte bei ehemals drogensüchtigen Ersatzeltern. Familienausschuss will prüfen.
Der Tod der elfjährigen Chantal, die am 16. Januar an einer Methadon-Vergiftung starb, wirft Fragen auf. Wie Staatsanwalts-Sprecher Wilhelm Möllers am Donnerstag sagte, befinden sich Vater und Mutter der Pflegefamilie des Kindes "seit geraumer Zeit in einem Methadonprogramm". Bei einer Durchsuchung der Wohnung in Wilhelmsburg wurden am Vortag 31 Methadontabletten und eine noch nicht identifizierte Flüssigkeit konfisziert.
Die Staatsanwaltschaft ermittelt nun wegen Verdachts der fahrlässigen Tötung gegen die beiden Pflegeeltern sowie gegen deren ältere 27-jährige Tochter und den ebenfalls abhängigen Vater von Chantal. Die Kernfrage, wie das Methadon in die Hände des Kindes kam, sei "nicht beantwortet", sagt Möllers. Die verbliebenen drei Kinder der Familie wurden bis zur Klärung des Falles mit Einverständnis der Eltern in ein Kinderschutzhaus gegeben.
Politisch brisant ist nun die Frage, wieso diese Familie überhaupt die Pflegschaft erhielt. Nach den Hamburger Richtlinien darf ein Kind nicht in eine Pflegefamilie mit Suchtproblematik vermittelt werden. "Das gilt auch für substituierte Pflegepersonen", sagt Sozialbehörden-Sprecherin Nicole Serocka. Allerdings könne bei Verwandtenpflege, wenn das Kind beispielweise zu Großeltern komme, zur Not davon abgewichen werden.
Als 2008 eine Familie für Chantal gesucht wurde, hatten die Pflegeeltern bereits ihre Enkeltochter in Obhut genommen. Damals gehörte Wilhelmsburg noch zu Harburg. Man habe damals nur eine "Großelternpflege" genehmigt, sagt der dortige Jugendamtsleiter Holger Stuhlmann. Man habe auf Sucht geprüft, aber nichts festgestellt. Die Prüfung, ob eine Familie geeignet ist, übernehmen in Hamburg freie Träger, die auch die Eltern betreuen und den Jugendämtern Bericht erstatten. Die Verantwortung für die Kinder bleibt aber bei der Stadt.
Seit 2008 gehört Wilhelmsburg zum Bezirk Mitte. Das dortige Jugendamt hat laut Sprecher Lars Schmidt von Koss die Prüfung wiederholen lassen und mehrmals im Jahr eigene Mitarbeiter in die Wohnung geschickt, zuletzt am 4. Januar. Diese hatten "nie Anlass, eine Kindeswohlgefährdung zu vermuten", sagt Schmidt von Koss. Was nicht heiße, dass es den Kindern "supergut" gegangen sei. Die nach Chantals Tod gerufene Polizei soll Medienberichten zufolge vom Zustand der Wohnung schockiert gewesen sein.
Mit der Betreuung der Familie war der Träger Verbund Sozialtherapeutischer Einrichtungen (VSE) beauftragt, der gegenüber den Medien keine Stellung nimmt. "Wir haben die Akten angefordert", sagt Schmidt von Koss. Der VSE sei "kooperativ". Der Bezirk will nun bis zum 31. Januar einen Bericht verfassen. Denn dann befasst sich der Familienausschuss mit dem Fall.
Die GAL-Politikerin Christiane Blömeke spricht von einem "eklatanten Fehler bei der Kontrolle der Pflegeeltern". SPD-Sozialsenator Detlef Scheele zeigte sich betroffen vom Tod des Kindes und versprach Aufklärung.
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